Ein Gastwirt im ersten Bezirk Wiens bringt die Sorgen seiner Branche auf den Punkt: „Katastrophe, also ich kenne irrsinnig viele Kollegen, die nachmittags zusperren müssen, die viel zeitiger zusperren müssen. Ich habe mit einem Hotelier gesprochen, der muss um acht Uhr zusperren, kein Personal.“ Aber auch im Handel, bei den Wiener Linien und im Gesundheitsbereich wird dringend Personal gesucht.
Beim AMS-Wien sind heuer im Schnitt um 40 Prozent mehr offene Stellen gemeldet als im Vorjahr. Einer der Brennpunkte sind Tourismus, Hotellerie und Gastronomie. Hier gibt es harte Kritik, auch am Arbeitsmarktservice (AMS) und dessen Vermittlungstätigkeit. Denn bei zehn vereinbarten Vorstellungsgesprächen würden nur „zwei oder drei“ überhaupt wahrgenommen, und davon „könne in Wirklichkeit keiner genommen werden, weil sie die Qualifikation nicht haben oder nicht arbeiten wollen“.
Personalmangel spitzt sich zu
Der Arbeitskräftemangel verursacht in Wien immer mehr Probleme. In der Gastronomie, im Handel, bei den Wiener Linien und im Gesundheitsbereich wird dringend Personal gesucht. Auch die Kritik an das AMS wird dabei immer lauter.
Besonders viele Hürden gerade in Gastronomie
Doch gerade in der Gastronomie brauche es besonders viel, um Hürden bei der Vermittlung abzubauen, sagte Silvia Hofbauer von der Arbeiterkammer Wien: „Einerseits eine gute Auswahl durch das Arbeitsmarktservice, das einfach ganz genau schaut, welche Kompetenzen hat jemand, was sind seine Stärken? Und auf der anderen Seite ‚Was braucht das Unternehmen?‘ Wobei hier auch darauf zu schauen ist, dass es hier realistische Anforderungen gibt.“
Das oft gebrachte Argument, Unternehmer auf Personalsuche müssten einfach mehr zahlen, kann der Gastronom nicht nachvollziehen, vor allem weil er schon jetzt über dem Kollektivvertrag bezahle: „Es wird alles teurer und wir müssen natürlich auch schauen, dass wir für unsere Gäste noch leistbar bleiben. Da gehört das Personal dazu, wo wir sagen, 50 Prozent sind Personalkosten.“
Um neues Personal zu finden und Branchen-Abgänger zurückzuholen, nennt die Expertin neben guter Entlohnung auch Faktoren wie tatsächliches Auszahlen der Überstunden. Auch Korrektheit beim Arbeitsverhältnis sowie Anerkennung seien Elemente, die für Arbeitnehmer natürlich wichtig seien: „Das ist eine schwierige Arbeit, es ist eine anstrengende Arbeit. Und hier braucht man auch Bedingungen, die einen nicht ausbrennen lassen“, so Hofbauer.
Fachgruppe und AMS sehen Teuerung als Triebfeder
Die oft gehörte Kritik, manche Arbeitssuchende würden lieber vom AMS-Geld plus Zuverdienst leben, als ernsthaft eine Stelle anzunehmen, wandelt der Obmann der Gastronomen in der Wirtschaftskammer, Peter Dobcak, mit Blick auf die Teuerung in Hoffnung um: „Der Arbeitskräftemangel wird sich stabilisieren, weil die Leute mit AMS-Geld plus ein bisserl dazu verdienen nicht mehr auskommen. Die Leute werden arbeiten gehen müssen.“
Das ist durchaus eine Einschätzung, die auch die Chefin des AMS Wien, Petra Draxl, teilt. Sie glaube, dass es für Menschen notwendig werden könnte, von Halbzeit- oder Teilzeitbeschäftigung oder 30-Stunden-Modellen wegzugehen und wieder mehr in Vollzeit zu arbeiten: „Das teile ich. Wir sehen es nur momentan noch nicht. Das muss man auch sehen", sagte sie in Wien heute.
Ausbildung nicht allein entscheidend
Der Kritik von Arbeitgebern am AMS setzte sie mehrere Fakten entgegen, unter anderem das Alter der arbeitslosen Menschen: „Wir haben fast 20.000 junge Menschen unter 25, und das heißt, wenn wir wollen, dass die in den Arbeitsmarkt kommen, gut qualifiziert kommen, dann gilt es, hier massiv in Wien mit den Betrieben gemeinsam auszubilden. Wir tun hier einiges, aber da kann man nur sagen: ‚Wenn ich eine geeignete Arbeitskraft auch finden will, dann muss ich auch in Ausbildung investieren‘“.
Ausbildung ist ein Faktor, doch es ist auch Fakt, dass Betriebe auch viele Menschen ohne Ausbildung suchen, etwa Abwäscher. Doch hier kritisieren die Betriebe, dass viele zum Vorstellungstermin gar nicht kommen würden. Hier betonte Draxl einerseits, dass das AMS sehr wohl Sanktionen setze, wenn jemand die Arbeit nicht annehme. Dafür sei es aber wichtig, dass die Betriebe auch melden, wenn das passiert. Doch sei hier kein Anstieg an Rückmeldungen zu verzeichnen. Andererseits sei auch das AMS dahinter, dass Menschen auch geringqualifizierte Jobs annehmen.
„Und der dritte Punkt, ist und da glaube ich, bitte ich auch an die Betriebe, wir haben einfach, wenn ich die Gastronomie nehme, dann haben wir aktuell 1.000 Personen, die bei uns arbeitslos gemeldet sind und geringfügig in der Gastronomie arbeiten. Insofern, die sind auch schon in der Gastronomie. Das heißt, da plädiere ich auch an die Unternehmen, diese Menschen mit mehr Stunden zu beschäftigen, weil da glaube ich, das ist ein Modell, wo wir uns oft schwertun, Menschen zu vermitteln. Gleichzeitig sind sie am Arbeitsmarkt gesucht.“