(v.l.) Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Mittwoch, 31. August 2022, anl. einer Pressekonferenz zum Thema „Aktuelles zu Wien Energie“ im Bundeskanzleramt in Wien
APA/Eva Manhart
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Wirtschaft

Stadt und Bund einig zu Zwei-Mrd.-Darlehen

Verhandlungen über eine Kreditlinie über zwei Mrd. Euro für den in finanzielle Turbulenzen geratenen Energieversorger Wien Energie sind beendet. Das Geld ist an mehrere Bedingungen gebunden. Wien gewährt etwa Einsicht in alle Geschäfte seit 1.1.2020.

Der Bund wird der Stadt Wien über die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Das sei an klare Bedingungen geknüpft, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bei der Pressekonferenz Mittwochvormittag. Es gebe eine Berichtspflicht Wiens über die Sicherstellung der Energieversorgung, es müsse aufgearbeitet werden, wie es zu dieser Situation kommen konnte, es müsse über die Geschäfte an der Börse aufgeklärt werden und der Bund wird einen Vertreter in das Aufsichtsratsgremium von Wien Energie entsenden.

Brunner sprach von einer nicht alltäglichen Situation, in die Stadt und Bund geraten wären. Die Dimensionen würden es klar machen, zwei Millionen Kunden, zwei Milliarden Steuergeld, was dem Jahresbudget von Vorarlberg entspreche. Brunner zog einen Vergleich mit der Rettung der AUA. Dafür seien 600 Millionen Euro notwendig gewesen. Einige Fragen seien nicht geklärt worden. So solle etwa in den kommenden Wochen geklärt werden, ob spekuliert worden sei oder ob man früher transparenter hätte sein können.

Darlehen für Wien Energie beschlossen

Seit Wochenbeginn haben Bund, Stadt Wien und die Wien Energie über finanzielle Unterstützung für das Energieunternehmen verhandelt. Nun kamen sie zu einer Einigung. Der Bund wird der Wien Energie eine Kreditlinie von zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen

Bund, Stadt Wien und Wien Energie hatten seit Wochenbeginn über finanzielle Unterstützung für das Energieunternehmen verhandelt. Nun kamen sie zu einer Einigung – mehr dazu in Einigung auf Kreditlinie: Bis zu zwei Milliarden für Wien Energie (news.ORF.at)

Wien legt Handelsgeschäfte ab 1.1.2020 offen

Vertreter der Stadt Wien waren bei der Regierungspressekonferenz nicht dabei. Auf Wunsch Wiens wurde im Vertrag vereinbart, dass alle Handelsgeschäfte der Wien Energie von 1.1.2020 bis jetzt offengelegt werden, so der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ). Bis 15. 9. werden die Unterlagen übergeben. Den Wunsch des Finanzministeriums einen Vertreter im Aufsichtsgremium zu bestellen, „nehmen wir zur Kenntnis“, sagte Hanke zur APA. Am Montag seien 1,75 Mrd. Euro notwendig gewesen, gestern habe man 800 Mio. Euro zurückbekommen und heute weitere 530 Mio. Euro.

Die Gelder dienen als Sicherheit, um erneute extrem Ausreißer an der Strombörse abdecken zu können. Derzeit sehe es aber so aus, dass das Abrufen der Mittel aus dem Schutzschirm nicht notwendig ist, so Hanke in einer Aussendung. Dennoch könne sich das aufgrund der hohen Volatilität des Marktes auch sehr rasch wieder ändern. Das zeige, wie dringend es sei, dass es eine österreichweite Lösung gebe, dass es für alle Marktteilnehmer der E-Wirtschaft wichtig, sei diesen Schutzschirm aufzuspannen.

Ludwig „bei Pressekonferenz nicht eingeladen“

Eine Ungleichbehandlung der Bundeshauptstadt Wien ortete Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz im Wiener Rathaus, in der es eigentlich um die Anwerbung neuer Polizisten ging. Am Ende wurde jedoch die Causa „Wien Energie“ thematisiert und da offenbarten sich Auffassungsunterschiede zwischen Ludwig und Innenminister Georg Karner (ÖVP), nicht nur, was mögliche Spekulationen als Auslöser der „Notlage“ betrifft.

Erste Frage vonseiten der Medien an Ludwig war jedoch, warum dieser nicht bei der Pressekonferenz der Bundesregierung zum Thema „Wien Energie“ eine Stunde davor war: „Ich war bei der Pressekonferenz nicht dabei, weil ich nicht eingeladen war“, und so sei es auch bei der vorigen Pressekonferenz gewesen – und beides sei ungewöhnlich, stellte der Bürgermeister fest.

Gegen „andere Spielregeln“ für Wien

Was die zwei Milliarden Euro betrifft, die als Darlehen für die Wien Energie vereinbart wurden, so habe die Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) auch in den vergangenen zwei Jahren Milliarden vergeben – und so solle es auch sein: „Ich gehe nicht davon aus, dass es für Wien andere Spielregeln gibt“, so Ludwig. Die OeBFA stellte dazu fest, dass diese Form der Finanzierung, die täglich innerhalb von zwei Stunden abrufbar ist, „in dieser Form bisher einmalig“ sei.

Jedoch zeigte sich Ludwig äußerst unzufrieden, wie über die Folgen der Krise des Energieversorgers gesprochen wurde, denn „es ist zu keiner Zeit die Versorgungssicherheit beeinträchtigt gewesen“, sagte Ludwig, da zu sagen „man habe sorge, dass die Lichter ausgehen“, das kritisierte er und natürlich stehe das Land Wien für die liquiden Mittel gerade.

Ob er das Misstrauen des Bundes auf den Weg in die Notlage in der Causa verstehe, wollten Medienvertreter wissen: „Die Geschäftsführung der Wien Energie hat jede Art Spekulation von sich gewiesen“, so Ludwig und wenn der Bund einen zusätzlichen Aufsichtsrat wolle, das sei ihm durchaus recht, „da ist jede Transparenz gewünscht“.

„Versorgungssicherheit nie gefährdet“

Innenminister Karner wollte indes die Kritik nicht unkommentiert lassen, denn es sei sehr wohl in den Raum gestellt worden, dass Spekulationen getätigt wurden, und der Sachverhalt werde vom Rechnungshof geprüft – und das sei gut. Und Wien werde „selbstverständlich wie jedes andere Bundesland behandelt“, konterte Karner. Er sei auch als Innenminister froh über die heutige Vereinbarung, die Versorgungssicherheit sei gewährleistet.

Ludwig stellte diese Aussage aus seiner Sicht sofort richtig: „Sie war nie gefährdet, da muss ich heftigst widersprechen“, ließ der Bürgermeister wissen. Einen derartigen Eindruck der Bevölkerung zu vermitteln sei unrichtig – es sei ein falscher Eindruck, der seit Sonntag vermittelt werde.

Vorwürfe über Spekulationen zurückgewiesen

Ludwig, Finanzstadtrat Hanke und Wien Energie wiesen zuletzt Vorwürfe über Spekulationen an der Börse zurück. Ludwig kündigte genaue Prüfungen durch mehrere Gremien an. „Ich möchte damit zeigen, dass es nichts zu verbergen gibt“, so Ludwig. Eines dieser Gremien wird der Rechnungshof sein. Er will laut eigenen Angaben „insbesondere die Geschäftstätigkeit im Energiehandel und die Rolle des Eigentümers“ durchleuchten, hieß es auf Twitter: „Die finanzielle Lage, der Finanzbedarf und die Transparenz im Lichte der Versorgungssicherheit werden zentrale Fragen sein.“

Auch ÖVP schließt U-Kommission nicht aus

Die Finanzbedarf der Wien Energie sorgt auch für ein Zusammenrücken der Opposition in Wien. Diese könnte demnächst eine gemeinderätliche Untersuchungskommission in die Wege leiten. Die ÖVP schloss das am Mittwoch nicht aus. ÖVP-Klubchef Markus Wölbitsch bestätigte in einer Pressekonferenz, dass dazu Gespräche geplant sind. Zwar kann die Wien Energie nicht direkt Gegenstand des Gremiums sein, die politischen Abläufe im Umfeld aber wohl doch – mehr dazu in Auch ÖVP schließt U-Kommission nicht aus (wien.ORF.at; 31.8.2022).