Der Sitzungssaal des Wiener Gemeinderates im Wiener Rathaus
APA/Hans Klaus Techt
APA/Hans Klaus Techt
Politik

Notkompetenz oder was ist „unverzüglich“?

Der Begriff Notkompetenz ist im Zusammenhang mit der Finanzmisere bei Wien Energie mehrfach aufgetaucht. Er bezeichnet die Fähigkeit des Bürgermeisters, in bestimmten Fällen allein zu entscheiden und dies erst später von den Gremien genehmigen zu lassen.

Zwei Mal sind jeweils 700 Millionen Euro an Wien Energie geflossen. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat sich dabei auf seine Notkompetenz berufen. Es seien Geldmittel ja nicht an irgendjemanden, sondern an ein gut gehendes Unternehmen im Eigentum der Stadt Wien gegangen. Die Opposition stört, dass sie gar nicht oder jedenfalls zu spät informiert worden ist – was Ludwig nicht so sieht. Dem Wort „unverzüglich“ kommt dabei große Bedeutung zu.

„Unverzüglich“ laut Magistrat „nächste Sitzung“

Im Paragraf 92 der Stadtverfassung heißt es: „Der Bürgermeister ist berechtigt, bei dringlichen Fällen in Angelegenheiten, die in den Wirkungsbereich eines Gemeinderatsausschusses, des Stadtsenates oder des Gemeinderates fallen, unter seiner Verantwortung Verfügungen zu treffen, wenn die Entscheidung dieser Gemeindeorgane ohne Nachteil für die Sache nicht abgewartet werden kann. Er hat die Angelegenheit jedoch unverzüglich dem zuständigen Gemeindeorgan zur nachträglichen Genehmigung vorzulegen.“

Auf die Entscheidung, zwei Mal 700 Millionen Euro bereit zu stellen, trifft die Definition zu. Es hakt aber eben am Wort „unverzüglich“: Das bedeutet laut Magistrat, dass dies in der nächsten Sitzung des entsprechenden Gremiums durchgeführt werden muss. Für Zusammenkünfte der in diesem Fall zuständigen Organe gibt es bereits Termine. Der Finanzausschuss tagt am 12. September, der Stadtsenat am 13. September und der Wiener Gemeinderat am 21. September.

In Causa Wien Energie unmittelbar und dringlich gehandelt

Eingesetzt wird die Notkompetenz in Ausnahmefällen wie zuletzt angesichts der Covid-19-Pandemie und dem Ukraine-Krieg. Laut Rathaus kam die Notkompetenz seit Beginn der Covid-Pandemie bisher fünf Mal zur Anwendung. Wie ein Sprecher des Stadtchefs auf APA-Anfrage erläuterte, wurden etwa der Gastro-Gutschein oder zuletzt die Ukraine-Soforthilfe damit in die Wege geleitet. Die Beschlüsse sind danach im Gemeinderat zum Teil einstimmig nachträglich bestätigt worden.

Laut Magistrat können mit der Notkompetenz etwa Genehmigungen von Vertragsabschlüssen erteilt und Finanzierungen ermöglicht werden. Bürgermeister Ludwig machte von diesem Recht in der Causa Wien Energie zwei Mal Gebrauch. Der Bürgermeister habe die Angelegenheit im Sinne der Sache „unmittelbar und dringlich“ behandelt, hieß es.