Die Ausstellung ist eine Rundreise um den Erdball, von Land zu Land und von Kontinent zu Kontinent. Die World Press Photo Foundation hat diesmal das Auswahlprozedere verändert, um dem starken Übergewicht an Gewinnerbildern aus Europa und Nordamerika entgegen zu wirken.
Die eingereichten Bilder wurden zunächst in sechs Weltregionen eingeteilt, erst im zweiten Schritt wurden dann die vier besten Beiträge in den Kategorien Einzelbilder, Serien, Langzeitprojekte und offene Formate bestimmt. Insgesamt lagen den verschiedenen Jurys fast 65.000 Aufnahmen von mehr als 4.000 Fotografinnen und Fotografen aus 130 Ländern vor.
Schau bis 23. Oktober zu sehen
Zu sehen sind die Gewinnerbilder in Wien nun bis 23. Oktober. Die vielen bekannten, aber auch eher unbekannten Geschehnisse des vergangenen Jahres in derart komprimierter Form vorgesetzt zu bekommen, ist wie stets eine fordernde Angelegenheit. Da sind etwa seit Jahrzehnten schwelende Konflikte wie jener im Gazastreifen, der 2021 wieder enorm hochgekocht ist. Fatima Shbair fing dort eine nächtliche Szene ein von einer Gruppe Kinder, die nach Protesten gegen die kriegerischen Auseinandersetzungen friedlich bei Kerzenschein beieinander sitzen – die Spannung dabei stets spürbar.
Ausstellungshinweis
„World Press Photo 22“, von 9. September bis 23. Oktober in der Galerie WestLicht
Oder man begegnet der Bevölkerung in Afghanistan, wo mittlerweile die Taliban wieder an der Macht sind. Was das beispielsweise für die Kultursparte Kino bedeutet, hat sich Bram Janssen für eine Fotoserie näher angesehen und dabei sehr intime Aufnahmen geschaffen, die von Stillstand, Verzweiflung und Leere erzählen.
Gewinnerfoto würdigt tote Kinder
Wenige Schritte weiter wird es aber schon amüsanter, wenngleich nur optisch: Das argentinische Mädchen Antonella hat gegen pandemiebedingte Schulschließungen protestiert, indem sie sich für deren Dauer die Haare nicht mehr schneiden ließ. Welche Auswüchse das angenommen hat, fing Irina Wening in farbenprächtigen, durchaus ironischen Bildern ein.
Das diesjährige Gewinnerinnenfoto stellt wiederum eine Novität im seit 1955 ausgerichteten Wettbewerb dar, ist darauf doch erstmals kein einziger Mensch zu sehen. Die emotionale Wucht leidet deshalb aber nicht: Die kanadische Fotografin Amber Bracken hat eine Reihe einfacher Holzkreuze, die mit roten Kleidern behängt sind, fotografiert. Dahinter zeichnet sich vor einem Gewitterhimmel ein Regenbogen ab.
Hintergrund des Bildes „Kamloops Residential School“ war die Entdeckung eines Massengrabs auf einem Schulgelände in Kanada, die 2021 für weltweite Empörung gesorgt hat. Die Schule war Teil des kanadischen Schulsystems, das auf die Zwangsassimilierung der indigenen Bevölkerung ausgerichtet war. „Ein Foto, das sich in das Gedächtnis einbrennt“, wie die diesjährige Juryvorsitzende Rena Effendi zitiert wird.
Waldbrände und Ukraine-Reportage
Auch der Ukraine-Krieg hat bei den ausgezeichneten Pressefotos seinen Schatten bereits vorausgeworfen: Von 2013 bis 2021 hat der Franzose Guillaume Herbaut die Situation im Land und die Anspannung im Hinblick auf Russland begleitet, was in der retrospektiven Betrachtung wie ein schmerzlicher Blick in die Gegenwart wirkt.
Auch die Klimakrise ist in der Schau präsent, vorwiegend durch Waldbrände, die beispielsweise von Abriansyah Liberto in Indonesien respektive Konstantinos Tsakalidis in Griechenland eingefangen wurden.