Zentrale der Wien Energie
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
Chronik

„Keine Spekulation“ bei Wien Energie

Drei Institute kommen nach wenigen Tagen Prüfung zur vorläufigen Einschätzung, dass es bei der Wien Energie keine Spekulation mit Strom gegeben hat. Alle Börsengeschäfte der Wien Energie hätten nur dazu gedient, Mengen und Preisrisiken abzudecken, heißt es.

Endgültige Berichte von PwC, Ithuba und Freshfields soll es in einer Woche geben. Die bisherige Prüfung habe aber „keine Anzeichen für mögliche Spekulationsgeschäfte“ ergeben, sagte Michael Sponring von PwC am Freitag vor Journalisten. Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke wies den Spekulationsvorwurf auf dieser Basis ebenfalls zurück.

Alle Börsengeschäfte der Wien Energie hätten nur dazu gedient, Mengen und Preisrisiken abzudecken, „es wurden nachweislich keine spekulativen Handelsbücher geführt“, so Sponring. Auch seien alle gehandelten Produkte „großhandelsüblich“ gewesen. Das Risikomanagement sei „branchenüblich“ gewesen, es habe bisher keine Anzeichen für wesentliche Schwächen gegeben.

"Keine Spekulation“ bei Wien Energie

Drei Institute kommen nach wenigen Tagen Prüfung zur vorläufigen Einschätzung, dass es bei der Wien Energie keine Spekulation mit Strom gegeben hat. Alle Börsengeschäfte der Wien Energie hätten nur dazu gedient, Mengen und Preisrisiken abzudecken, heißt es.

Liquiditätshilfe in Milliardenhöhe

Die Wien Energie hat vor zwei Wochen überraschend beim Bund um eine Liquiditätshilfe in Milliardenhöhe angesucht, weil sie Sicherheiten für ihre Börsengeschäfte hinterlegen musste. Das sei durch eine Entwicklung am Freitag, dem 26. August, ausgelöst worden, bei der sich der Preisunterschied zwischen Gas und Stromhandel in einer nicht zu erwartenden Dimension vergrößert hat.

Die Wien Energie kauft aber mit Zukunftsverträgen Gas und verkauft Strom. Solange die Preise gleich stark schwanken, hat das Unternehmen wenig Probleme. An dem Tag sei aber Strom sprunghaft teurer geworden, während sich der Gaspreis kaum bewegte. Der daraus entstehende Preisabstand zwischen den beiden Energieträgern sei mit Standardmodellen noch eine Woche davor zu 99,99 Prozent ausgeschlossen worden, so Sponring unter Berufung auf Berechnungen von Ithuba. Die Situation sei daher nicht erwartbar gewesen.

Kritik an Bundespolitik

Auch der Aufsichtsratschef der Wien Energie, Peter Weinelt, betonte in der gemeinsamen Pressekonferenz, dass kein bekanntes Prognosemodell so einen Ausschlag wie an jenem Freitag vorhergesagt hätte. Hanke sprach gleich von einem „Meteoriteneinschlag“, der die Wien Energie getroffen habe.

Sponring empfiehlt der Wien Energie, trotz der jüngsten Aufregung uneingeschränkt ihre Geschäfte weiter mit Futures, also Börsenverträgen über künftige Gaskäufe und Stromlieferungen, abzusichern. Das sei „alternativlos“. „Es gab keine Option, um das Risiko zu reduzieren“, so Sponring. Denn das Risiko, zur Absicherung der Geschäfte Liquidität beisteuern zu müssen, sei besser handhabbar als die Alternativen: Beim Kauf auf dem Spotmarkt gebe es das Preisrisiko, dass also Kunden wegen Preisausschlägen an der Börse sehr teure Energie zahlen müssten. Und bei direkten Verträgen mit Lieferanten (OTC) gebe es das Ausfallsrisiko. Liquidität gehe aber nicht verloren, während bei den alternativen Modellen Verluste drohen.

Finanzstadtrat Hanke kritisierte auch den Umgang der Bundespolitik mit der Information über den Liquiditätsengpass der Wien Energie. Davon sei man in Wien „überrascht“ gewesen. Wien habe sich „vertrauensvoll an einen Bundesminister, an eine Bundesregierung gewandt“, und als Ergebnis habe es eine „ganz eigentümliche Mischung“ zwischen allgemeinen Börsenthemen und Spekulationsvorwürfen gegeben. In der Schweiz hingegen habe es bei Liquiditätsproblemen des großen Energieversorgers Axpo diskrete Verhandlungen und dann die gemeinsame Verkündung der Lösung gegeben, sagte Hanke.

Gaskraftwerke im Winterhalbjahr notwendig

Weinelt wollte auf Journalistenfrage zwar nicht sagen, wie viel die Absicherung des Unternehmens durch öffentliche Gelder koste, alle Gelder seien aber „marktüblich verzinst“. Die Gesamthöhe der Kosten werde davon abhängen, wie lange etwa der Kreditrahmen der Republik benötigt wird. Bisher sieht er durch die Veröffentlichung von betriebsinternen Informationen im Zuge der ganzen Diskussionen keinen „materiellen Schaden“ für Wien Energie, aber er behält sich vor, gegen geschäftsschädigende Äußerungen vorzugehen.

Grundsätzlich geht Weinelt davon aus, dass die Wien Energie in diesem Winter genug Gas haben wird, um den Strom, den sie für die Zukunft schon verkauft hat, auch zu produzieren. Wenn es aber europaweit einen Gasnotstand geben sollte, „dann tritt ein anderer Mechanismus in Kraft“ mit Gaszuteilungen, so Weinelt. Aber es sei klar, „die Versorgungssicherheit Österreichs mit Strom ist ohne die Gaskraftwerke der Wien Energie im Winterhalbjahr nicht machbar“.

Finanzausschuss am Montag am Zug

Am Montag werden die Notkompetenz-Entscheidungen von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zur Wien Energie im Finanzausschuss des Gemeinderats behandelt. Abgestimmt werden Kredite in der Höhe von 1,4 Mrd. Euro, die Ludwig dem Konzern zur Besicherung von Geschäften an der Strombörse gewährt hat.

Dass diese nicht publik gemacht wurden, hatte für Kritik gesorgt. Ludwig hat zuletzt damit argumentiert, dass es ausreichend war, den Ausschuss in der nächsten regulären Sitzung – also eben jener am Montag – zu informieren. Die erste Tranche war im Juli von ihm freigegeben worden. Die Notkompetenz steht prinzipiell jedem österreichischen Bürgermeister zu. In Wien wurden zuletzt etwa auch CoV-Maßnahmen und Hilfe für Vertriebene aus der Ukraine auf diesem Weg fixiert.

Kredite als „Schutzschirm“

Neben den Wiener Krediten, die von der Stadt inzwischen als „Schutzschirm“ für die Wien Energie tituliert werden, steht auch das Darlehen des Bundes über zwei Mrd. Euro auf der Tagesordnung. Konkret handelt es sich dabei um den vergangene Woche zwischen Stadt und Wien Energie geschlossenen Vertrag zu den Bundesmitteln, den Ludwig ebenfalls via Notkompetenz fixiert hat.

Die Vereinbarung mit dem Bund selbst – also konkret mit der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) – ist von der Landesregierung bereits abgesegnet worden. Hier konnte der Bürgermeister nicht über seine Notbefugnis aktiv werden, da es sich um eine Angelegenheit des Landes handelt.

Ablehnung wäre politisches Signal

Üblicherweise werden Beschlüsse in den zuständigen Ausschüssen mit Regierungsmehrheit angenommen. Nun hat der Wiener NEOS-Chef, Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, jedoch die Zustimmung der pinken Fraktion an Bedingungen geknüpft. Er forderte im Gespräch mit der „Presse“ bessere Kontrollmöglichkeiten für ausgelagerte Unternehmen.

Eine Ablehnung im Ausschuss wäre zumindest ein politisches Signal. Konkrete Auswirkungen gibt es aber nicht: Die Stadtverfassung sieht vor, dass Entscheidungen, die vom Bürgermeister via Notkompetenz auf Schiene gebracht wurden, jedenfalls gelten. Die Verweigerung der Genehmigung durch den Ausschuss hat keinerlei Auswirkungen auf deren Gültigkeit.

Der Gemeinderatsausschuss ist nur die erste Station in einem Abstimmungsparkour: In weiterer Folge werden sich auch der Wiener Stadtsenat am Dienstag (13. September) und der Wiener Gemeinderat am 21. September mit der Milliardenunterstützung für den Energieversorger beschäftigen.