Politik

Ludwig verteidigt Notkredit im Gemeinderat

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat am Mittwoch in der Fragestunde des Gemeinderats erneut die Notvergabe der Stadtkredite an die Wien Energie verteidigt. Er habe rasch entscheiden müssen.

Das begründete er damit, dass etwa durch die Wartung der Pipeline „Nord Stream 1“ große Verunsicherungen an den Energiemärkten zu befürchten gewesen seien, die auch die Notwendigkeit für hohe Sicherheitsleistungen an den Börsen bedeutet hätten. „Es war somit geboten, eine Entscheidung in der kürzest möglichen Zeit herbeizuführen“, hielt er fest.

Die Voraussetzungen für die Anwendung des Paragrafen 92 waren laut Ludwig gegeben. Der betreffende Passus regelt die Ausübung der Notkompetenz des Bürgermeisters. Die Wien Energie habe auf die „dringende“ Situation reagiert und einen entsprechenden Antrag verfasst, sagte der Stadtchef. Dieses Geschäftsstück sei ihm am 15. Juli zur Unterschrift vorgelegt worden, erläuterte Ludwig – auf die Frage, ab wann er von den Problemen erstmals erfahren habe.

Finale Schritte

Er zeigte sich auch überzeugt, dass die Information der Gremien unverzüglich geschehen sei, nämlich in den regulären Sitzungen. Der Gemeinderat bzw. die Sitzung des Landtags am Donnerstag sind hier die finalen Schritte. Im Finanzausschuss und im Stadtsenat bzw. der Landesregierung waren die der Wien Energie gewährten hohen Kreditrahmen bereits Thema.

Nötig waren die großen Finanzspritzen an den städtischen Energieversorger, um diesem die weitere Teilnahme an den Energiebörsen zu ermöglichen. Abgestimmt wird am Mittwoch über die Kredite in der Gesamthöhe von 1,4 Mrd. Euro, die der Stadtchef dem Konzern zur Besicherung seiner Geschäfte gewährt hatte. Die erste Tranche war eben jene, die am 15. Juli von Ludwig freigegeben wurde.

Heftige Debatte um Wien Energie im Gemeinderat

Der Milliarden-Kreditrahmen für die Wien Energie waren auch im Gemeinderat ein heiß debattiertes Thema. Die Opposition kritisiert die Regierung scharf.

Kritik von Opposition

Neben den Wiener Krediten steht auch das Darlehen des Bundes über zwei Mrd. Euro auf der Tagesordnung. Konkret handelte es sich dabei um den zwischen Stadt und Wien Energie geschlossenen Vertrag zu den Bundesmitteln. Die Vereinbarung mit dem Bund selbst – also konkret mit der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) – ist hingegen formal Sache des Landes und nicht der Gemeinde.

Die Opposition kritisierte in der an die Fragestunde anschließenden „Aktuellen Stunde“ einmal mehr das Vorgehen im Zusammenhang mit den Kreditvergaben. Der Grünen-Klubchef David Ellensohn zeigte sich etwa überzeugt, dass sich in Wien auch die Öffentlichkeit inzwischen frage, wer denn wann von der Stadt über wichtige Schritte informiert würde. Ludwig habe 700 Mio. Euro „per Knopfdruck“ vergeben. „Das versteht kein Mensch, dass das geht“, sagte Ellensohn.

Nepp: „Stadtverfassung nicht eingehalten“

Der Landesparteiobmann der FPÖ, Dominik Nepp, konstatierte: „Bürgermeister Ludwig hat hier die Stadtverfassung nicht eingehalten.“ Der Bürgermeister habe Amtsmissbrauch begangen, die Notkompetenz sei nicht angebracht gewesen. Es wäre auch möglich gewesen, den Gemeinderat einzuberufen, versicherte er.

Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer mutmaßte, dass das „System SPÖ“ mit der Causa zu bröckeln beginne. Das tatsächlich eine derart rasche Entscheidung notwendig war, bezweifelte er: „Das glaubt doch bitte niemand.“ Spätestens seit Frühjahr des heurigen Jahres sei klar gewesen, dass die Situation auf den Märkten heikel sei.

NEOS: Diskutieren, „was man besser machen kann“

NEOS-Klubchefin Bettina Emmerling hielt fest, dass man darüber diskutieren müsse, „was man besser machen kann“. NEOS würden sich an die Fahnen heften, für Transparenz zu stehen. Sie verwies auch auf entsprechende Maßnahmen der rot-pinken Regierung, also etwa den Regierungsmonitor und die Whistleblower-Plattform.

„Die Ausübung der Notkompetenz war alternativlos und richtig“, befand SPÖ-Gemeinderat Kurt Stürzenbecher. Die Sicherheitsleistungen an den Warenbörsen seien oft „extrem kurzfristig“ zu hinterlegen. Darum sei eine Entscheidung „in der kürzest möglichen Zeit“ geboten gewesen, erläuterte er in seiner Rede.

Auch Hanke verteidigt Vorgehen

Wirtschafts- und Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) meldete sich in Form einer Mitteilung zu Wort. Er erörterte dabei zunächst die internationale Dimension: „Ein bisschen hab ich das Gefühl, wir haben eine europaweite Energiekrise und keiner hört hin.“ Die Verzerrungen am Markt seien so stark wie nie zuvor. Faktoren wie der Krieg in der Ukraine und die Wartung der Pipeline „Nord Stream 1“ hätten hier massive Auswirkungen gezeitigt.

Den Höhepunkt stellte laut Hanke der „Black Friday“ dar, also der 26. August. An diesem Tag habe sich der Markt dramatisch entwickelt, der Strompreis sich innerhalb eines Tages fast verdoppelt. Schon am Montag danach sei der Preis wieder zurückgegangen. „Diese Entwicklung war für niemanden absehbar.“ Vergleichbar sei dies mit einem „Meteoriteneinschlag“ gewesen – an einer Börse, die eigentlich eine Sicherheitsbörse darstelle.

Bundesgeld nicht abgerufen

Am betreffenden Montag hätten mehr als 1,7 Mrd. Euro auf einen Schlag hinterlegt werden müssen. „Ob es uns allen gefällt oder nicht, hätte es den Wiener Schutzschirm nicht gegeben, hätten wir ein großes Problem gehabt.“ Der Bürgermeister hat nach Ansicht seines Finanzstadtrats „verantwortungsvoll“ reagiert.

Hanke hob hervor, dass die Gelder des Bundes bis zum heutigen Tag nicht benötigt worden seien. Auch die aufgewendeten 1,7 Mrd. Euro seien inzwischen schon wieder „komplett zurückgekommen“ und auf dem Konto der Wien Energie gutgeschrieben worden.

In anderen Ländern, so fügte der Ressortchef hinzu, hätten die Staaten Sicherheitsmaßnahmen für die Versorger in die Wege geleitet: „Nur wir machen die Problemsituation zu einem Politikum und machen daraus einen Skandal. Ich versteh’ unsere Diskussion wirklich nicht, weil ich halte sie absolut für verfehlt.“

Notverfügungen der Vergangenheit

Die erste Kredittranche war bereits im Juli von Bürgermeister Ludwig freigegeben worden. Die Notkompetenz steht prinzipiell jedem österreichischen Bürgermeister zu. In Wien wurden zuletzt auch CoV-Maßnahmen und Hilfen für Vertriebene aus der Ukraine auf diesem Weg fixiert.

Die ÖVP möchte deshalb in der Fragestunde von Ludwig wissen, warum bei der ersten Inanspruchnahme im Juli nicht der Stadtsenat entschieden hat. Das wäre die „rechtskonforme Vorgangsweise“ gewesen, wie es in der Anfrage heißt. Der ÖVP-Klubchef Markus Wölbitsch untermauerte am Dienstag diese Ansicht auch mit einer Expertise des Verwaltungsrechtspezialisten Bernhard Müller. Dass Ludwig nicht unverzüglich die zuständigen Gremien informiert hat, widerspricht demnach der Stadtverfassung.

Tatsächlich wurde der Stadtsenat erst am 13. September damit befasst. Laut Müller darf Ludwig zudem nur entscheiden, wenn die Dringlichkeit sehr hoch ist. Seiner Ansicht nach hätte aber auch der Stadtsenat rasch via Umlaufbeschluss entscheiden können. Lediglich wenn es um wenige Stunden gegangen wäre, wäre die Dringlichkeit tatsächlich gegeben gewesen, befand der Jurist im Gespräch mit Journalisten.

Abstimmung hat keine formalen Auswirkungen

Das Ergebnis der Abstimmung hat formal keine Auswirkung auf die Notkompetenz-Entscheidungen. Selbst wenn der Koalitionspartner der SPÖ, NEOS, die entsprechenden Punkte ablehnen würde, würden die Entscheidungen weiter gelten. Allerdings ist davon ohnehin nicht auszugehen. Lediglich die Oppositionsparteien haben bereits ihre Ablehnung der Wien-Kredite angekündigt. Der auf den Bundesmitteln fußende Vertrag findet hingegen auch bei der ÖVP und den Grünen Zustimmung. Diesen werden nur die Freiheitlichen ablehnen.

FPÖ ortet „diktatorisches Vorgehen“

Die FPÖ wollte auch im Rahmen einer Sondersitzung am Freitag über die Wien Energie diskutieren. Zu diesem Zweck sollte der Titel der bereits seit Längerem anberaumten Sitzung zum Thema Spitäler erweitert werden. Das wurde jedoch nicht genehmigt, genauso wenig wie zwei offenbar geplante Anfragen im Plenum am Mittwoch im Gemeinderat.

Gemeinderatsvorsitzender Thomas Reindl (SPÖ) betonte, dass die ausgegliederte, privatrechtlich tätige Wien Energie nicht Thema einer Anfrage sein dürfe. Die FPÖ reagierte erbost. Klubchef Maximilian Krauss ortete ein „diktatorisches Vorgehen“ der SPÖ. In der betreffenden Sondersitzung darf nun jedenfalls nur über die Gemeindespitäler debattiert werden.

FPÖ fürchtet um U-Kommission

Und nach Ansicht der FPÖ könnte auch die Untersuchungskommission zur Wien Energie wackeln. Prinzipiell ist zwischen ÖVP und FPÖ vereinbart, eine solche zu initiieren. Laut FPÖ könnte nun aber mit ähnlichen Argumenten versucht werden, die U-Kommission zu verhindern. Im Rathaus würden bereits Gutachten vorbereitet, die diese Vorgangsweise untermauern könnten, warnte sie via Aussendung.

Landtagspräsident Ernst Woller (SPÖ) versicherte umgehend, dass das keinesfalls geplant sei. Er habe lediglich den Auftrag erteilt, eine mögliche Ausweitung der Prüfkompetenzen eines Untersuchungsausschusses rechtlich beleuchten zu lassen. Aktuell ist lediglich möglich, das politische Handeln im Zusammenhang mit der Wien Energie zu thematisieren. Die Vorgänge im Unternehmen selbst dürfen im Rahmen einer U-Kommission nicht erörtert werden.