Chronik

Missbrauch: Möglicherweise rund 40 Opfer

Im Fall von sexuellem Missbrauch und Kinderpornografie durch einen verstorbenen Wiener Lehrer könnte es deutlich mehr Opfer geben als bisher bekannt. Die Männerberatung spricht von rund 40 Opfern – statt 25 – und beruft sich auf einen Ermittler.

Im Frühjahr 2019 wandte sich ein ehemaliger Schüler einer NMS in Wien-Leopoldstadt an die Wiener Männerberatung – als Betroffener von schwerem sexuellen Missbrauch durch einen Sportlehrer. „Er hat sich dann im Zuge dieses Beratungsprozesses entschieden, dass er eine Anzeige machen möchte – auch in der Annahme, dass noch weitere möglicherweise aktuell Jugendliche betroffen sein könnten“, sagte Hubert Steger, zuständiger Psychologe der Männerberatung. „Wir haben das dann mit ihm vorbereitet und ihn auch zur Polizei begleitet.“

Nach einer Hausdurchsuchung und der Beschlagnahmung von mehreren Festplatten und Handys mit teils pornografischen Fotos und Videos beging der Lehrer Suizid. Über den Missbrauchsverdacht dürfte es damals an der Schule nur Gerüchte gegeben haben.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Österreichweit und in den Bundesländern gibt es Anlaufstellen, die Rat und Unterstützung im Krisenfall anbieten.

Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet auch Rat auf Draht unter der Nummer 147.

Namen von vielen Opfern nicht bekannt

Obwohl der Lehrer starb, ermittelt die Polizei vorerst weiter – vor allem wer die Opfer auf den sichergestellten Aufnahmen sind.
Psychologe Steger sagt, ein ermittelnder Polizist habe ihm damals erklärt, „dass es insgesamt ca. 40 Betroffene sind, wobei von der Hälfte, von circa 20 Personen, zwar Bilder da waren, die aber nicht Namen zugeordnet werden konnten.“ Infolgedessen hätten die Betroffenen auch nicht darüber informiert werden können, dass es Datenmaterial über sie gibt.

Bisher war bekannt, dass der Pädagoge seit 2004 Missbrauchshandlungen an zumindest 25 Schülern im Alter zwischen neun und 14 Jahren begangen haben dürfte. Gefunden wurden im Datenmaterial unter anderem Nacktfotos, die ohne das Wissen der Betroffenen aufgenommen wurden. Auch Videos von Tathandlungen wurden sichergestellt. Ein Verdacht, dass es einen Mittäter gegeben haben könnte, verhärtete sich nicht.

Briefe an alle Ex-Schüler seit 2004

Im Dezember 2019 wurden dann die Eltern bei Elternabenden informiert – obwohl durch Polizei und Männerberatung schon im Mai Schulleitung und Schulbehörde informiert waren. „Es gibt dazu Kritik aus der Kinder- und Jugendanwaltschaft und uns erscheint diese Kritik durchaus angebracht“, kommentiert das Steger. „Allerdings würde ich darauf verweisen, dass es Aufgabe der Kommission ist, eventuelle Systeme der Verdeckung, die vielleicht gegriffen haben, zu benennen und das auch aufzuzeigen – aber auch aufzuzeigen, was hilfreich war.“

Die Bildungsdirektion setzte im Vorjahr eine Untersuchungskommission ein. Jetzt, nach mehr als drei Jahren, werden alle Ex-Schüler seit dem Jahr 2004 informiert. In dem Schreiben, gezeichnet vom Leiter der Kommission, werden die Adressaten über das Vorliegen von im Raum stehenden Übergriffen aufmerksam gemacht und auf das Anliegen der Schulbehörde, „die Umstände so umfassend wie möglich aufzuklären“. Zudem gibt es Kontaktangebote zur Kommission selbst und zu Anlaufstellen zur weiteren Beratung.