Markus Marterbauer
ORF Wien
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Wirtschaft

„Inflation noch heuer über zehn Prozent“

Der Chefökonom der Arbeiterkammer, Markus Marterbauer, rechnet damit, dass die Teuerung noch heuer zweistellig wird. „Es zeichnet sich ab, dass die Inflationsraten über zehn Prozent liegen werden“, sagte er Samstagabend in „Wien heute“.

Marterbauer fordert die Politik auf, gegenzusteuern. Für das kommende Jahr seien Prognose allerdings schwierig, so der Experte in der Gesprächsreihe „Bei Budgen“. Er rechnet aber mit einer Abflachung im nächsten Jahr. Die Politik könne verhindern, dass die Inflation weiter so hoch bleibt, so Marterbauer, „denn im Moment ist die Inflation ganz stark auf Strom- und Gaspreise ausgerichtet und hier ist es notwendig, in die Märkte einzugreifen“.

Marterbauer befürchtet, dass sonst „Hunderttausende Haushalte in die Armutsgefährdung abrutschen“. „Wir brauchen die Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis, sodass Strom für die Haushalte, aber auch für die Unternehmen deutlich billiger wird. Und wir brauchen auch auf europäischer Ebene und auf österreichischer Ebene Eingriff in den Gaspreis, weil zu diesen Preisen die Industrie an Wettbewerbsfähigkeit verliert.“

Markus Marterbauer im Gespräch mit Patrick Budgen (Langversion)

Zuversicht für Herbstlohnrunde

10,6 Prozent mehr Lohn und Gehalt – mit dieser Forderung läuteten die Gewerkschaften diese Woche die heurige Herbstlohnrunde ein. Die Ausgangslage für die Verhandlungen sei immer die Inflationsrate der letzten zwölf Monate, so Marterbauer, der die Gewerkschaften im Vorfeld der Verhandlungen beriet. „Die (Inflation, Anm.) liegt bei 6,3 Prozent, und wahrscheinlich wird es irgendwas zwischen diesen sechs und den geforderten zehn Prozent sein. Aber wie viel? Das kann ich jetzt auch nicht sagen.“

Die Sozialpartnerschaft funktioniere in vielen Bereichen noch viel besser, als man allgemein annehme. „Ich glaube, es kann durchaus sein, dass es einige Verhandlungsrunden braucht, einfach weil die Argumente abgewogen und ausgetauscht werden müssen. Aber dass es zu einem Abschluss kommt, bin ich mir ganz sicher. Und das ist im europäischen Vergleich eigentlich schon einzigartig, dass sich hier auf zentraler Ebene Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen auf was Vernünftiges einigen.“

„Industrie sehr wettbewerbsfähig“

Die österreichische Industrie sei sehr wettbewerbsfähig, so Marterbauer weiter. „Die Produktion hat sich in der Industrie bei uns ungleich stärker entwickelt als etwa in Deutschland, wo wir ja eigentlich immer glauben, Deutschland ist das große Industrieland. Nein, Österreich ist das Industrieland. Also da sind die Voraussetzungen sehr gut.“ Aber eine Reihe von Firmen sei jetzt durch die enorm hohen Energiekosten durchaus bedroht, räumt Marterbauer ein. Hier sei auch die Politik gefordert.

„Übergewinnsteuer für Stromproduzenten“

Marterbauer tritt für eine Übergewinnsteuer für Stromproduzenten ein. Dabei müsse freilich unterscheiden werden, ob Strom wie im Fall der Wien Energie mit Gas oder aber mit Wind oder Wasserkraft erzeugt werde, erläuterte er. Dort seien „die Erzeugungskosten niedrig und dort fallen die hohen Übergewinne an. Unsere Überlegung war, wenn die Politik sozusagen jetzt den Strompreis subventioniert über den Strompreis, dann muss das Geld ja irgendwo herkommen“, erläutert der Ökonom.

Das sei „nur fair, weil es ja nicht sein kann, dass manche auf dieser Basis Milliardengewinne machen und dann an die Aktionäre ausschütten“.

„Arbeitslosengeld auf 1.300 Euro erhöhen“

Der AK-Chefökonom spricht sich im „Wien heute“-Interview zudem für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 1.300 Euro und eine Erhöhung der Mindestlöhne aus. Er tritt außerdem für ein Verbot von befristeten Mietverträgen ein, die es nur noch in Ausnahmefällen geben soll, sowie für eine Vermögens- und Erbschaftsteuer.

Heute seien die Vermögen der privaten Haushalte fünf- bis sechsmal mal so hoch wie die Löhne, die ausgezahlt werden. "Dann kann man den Sozialstaat nicht mehr ausschließlich über Löhne finanzieren, sondern braucht auch die Vermögenssteuer, die nur die obersten Einkommensgruppe treffen würde.

Für Wirtschaftspolitik, die Hoffnung macht

In seinem neuen Buch „Angst und Angstmacherei“, das soeben erscheint, plädiert Marterbauer für eine Wirtschaftspolitik, die Hoffnung macht. Es gebe viele Beispiele, wo konservative Wirtschaftspolitik versuche, den Menschen Angst zu machen. Marterbauer nennt im „Wien heute“-Interview als Beispiel das sogenannte degressive Arbeitslosengeld.