Das Tor des Zentralfriedhofs mit Lichtinstallation
NIPAS / Victoria Coeln
NIPAS / Victoria Coeln
Kultur

Wiener Lichtblicke trotz Energiekrise

Die Wiener Lichtblicke finden heuer unter dem Motto „Verfassung im Licht der Kunst“ statt. Das dritte Jahr in Folge erstrahlen an verschiedenen Orten in der Stadt Lichtinstallationen. Trotz, oder gerade wegen der Energiekrise. Heute Abend ist der Auftakt.

Die modern anmutenden Lichtzeichnungen der Künstlerin und Wiener Lichtblicke-Initiatorin Victoria Coeln entstehen in einem eigentlich sehr analogen System: in kleine, runde Glasscheiben ritzt Coeln Zeichnungen, Muster und Linien. Die farbigen Glassätze setzt sie dann in statische Projektoren ein. Die werfen die Kunstwerke auf die Umgebung. Die Künstlerin nennt die Glassätze Diachrome, und die Kunstwerke Chromotopia.

An zwölf Orten in der Stadt sind Chromotopia zu sehen. Einerseits sind da Coelns Ausführungen, andererseits haben weitere Künstlerinnen und Künstler Motive beigesteuert, die ebenfalls projiziert werden. Von der österreichischen Künstlerin Deborah Sengl stammt die Zeichnung der Hände, mit der die Wiener Lichtblicke am Donnerstag um 19.00 Uhr auf der Fassade des Verfassungsgerichtshofes eröffnet werden.

Künstlerin Victoria Coeln steht auf der Freyung, im Hintergrund erstrahlt am Verfassungsgerichtshof eine Lichtinstallation
NIPAS / Victoria Coeln, Helmut Prochart
Mit Augmented Reality können Besucherinnen und Besucher die Kunstwerke mit ihren Smartphones erweitern

Lichtkunst in Zeiten des Stromsparens

Lichtinstallationen in Zeiten des großen Energiesparens – wie das zusammengeht, darüber hat sich auch Coeln Gedanken gemacht. Die dritte Ausgabe der Wiener Lichtblicke leuchtet nur halb so lang wie in den vergangenen zwei Jahren. Jede Installation verbrauche ein Kilowatt pro Stunde – das entspreche dem Verbrauch von vier Streamings oder zehn mittelgroßen LED-Fernsehern. Für ein Kunstprojekt also schon sehr wenig, meint Coeln: „Wir verbrauchen wirklich nur genau die Energie, die wir offensichtlich für das Licht nutzen – ohne zusätzliche Heizung oder sonstiges.“

Coeln betont zudem die Kraft von Kunst in Zeiten der Krise: „Die Energiekrise ist nicht nur eine technische Krise, sondern auch wir müssen immer wieder Energie tanken“, sagt die Künstlerin. „Genau in diese graue Zeit und in diese aktuellen Schwierigkeiten wollen wir Orte setzen, die über diese Kunst und das Licht Energie geben.“ Auch die echte Begegnung im Freien sieht Coeln Potenzial: außerhalb der eigenen Blasen würden vielleicht Gespräche und gemeinsame Zukunftsvisionen beginnen.

Eine Wiener Straßenbahn mit Lichtinstallation
NIPAS / Helmut Prochart
Es gibt Licht-Trams, in denen künstlerische Beiträge zu sehen sind

Künstlerische Auseinandersetzung mit der Verfassung

Die Themen der zwei vergangenen Jahre waren Menschenrechte und Zivilcourage. Jetzt ist die Verfassung an der Reihe. „Wir brauchen Zivilcourage in der Gesellschaft und letztendlich brauchen wir auch das Regelwerk, nämlich die Verfassung, um miteinander die Gesellschaft gut gestalten zu können“, sagt Coeln. Menschenrechte, Zivilcourage und Verfassung führen zum Thema des kommenden Jahres: Demokratie im Licht der Kunst.

Die österreichische Künstlerin sieht die Chromotopia als „schwellen- und barrierefreie Lichtbühnen“, und gleichzeitig als „Schutzräume der Freiheit, der Grund- und Menschenrechte – Werte, die der Verfassungsgerichtshof schützt“. Mit dem Smartphone und Augmented Reality können Besucherinnen und Besucher die Lichtinstallationen über QR-Codes erweitern. So könne man Teil der Installation werden und virtuelle Lichtelemente mit Text und Ton erzeugen.

Kunst, Workshops und Tramfahrten

Die Installationen leuchten frühmorgens zwischen 5 und 7 sowie abends zwischen 19 und 22 Uhr, zur Winterzeit ab 17 Uhr. Zu sehen sind sie an 12 Orten in Wien, darunter am Reumannplatz, beim Zentralfriedhof oder auch im Resselpark. Zusätzlich stehen bis Ende November Workshops, Gespräche, Musikbeiträge und sogenannte Licht-Tramfahrten mit künstlerischen Beiträgen am Programm. Das Projekt wird durch die Stadt Wien und den Bund gefördert. Träger des Projekts ist der Verein NIPAS – das nomadische Institut für politische Kunst und Wissenschaft.