Sieben Kandidaten stehen am 9. Oktober auf dem Wahlzettel
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Geringes Interesse an BP-Wahl bei Jugend

Bei der Bundespräsidentschaftswahl dürfen erstmals 80.000 Jugendliche in Wien ihre Stimme abgeben. Das Interesse an politischen Wahlen ist laut der Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik bei Menschen unter 30 Jahren allerdings ausbaufähig.

Mehr als eine Millionen Menschen dürfen am 9. Oktober in Wien mitbestimmen, wer Österreichs neuer Bundespräsident wird. Die Wiener Jugend ist unterschiedlich stark an den Kandidaten und der Politik interessiert, sagte Praprotnik vom Austrian Democracy Lab. Während einige der jungen Wienerinnen und Wiener sich schon für einen Kandidaten entschieden haben, sind andere noch unentschlossen, wen sie in die Hofburg wählen sollen.

Einen Kandidaten, der die Jugend besonders anspricht, gibt es laut Prapotnik heuer nicht. Ab 16 Jahren darf man in Österreich zum ersten Mal den Bundespräsidenten wählen – so jung wie sonst nirgends in Europa. „Und deswegen ist die Gruppe der 16-jährigen Erstwählerinnen und -wähler eine, die auch von wissenschaftlicher Seite immer sehr genau beobachtet wird“, sagte Praprotnik gegenüber „Wien heute“.

Politisches Interesse unter 30-Jährigen „gering“

„Gerade junge Wählerinnen und Wähler sind ja nicht so häufig bei den Wahlurnen zu finden wie die älteren. Wir haben aber gesehen, dass die 16-Jährigen, wenn sie eingebettet sind in politischer Bildung, in den Schulen etwa, dass sie dann auch ein sehr hohes politisches Interesse zeigen und auch gleich häufig wie Ältere zur Wahl gehen.“ Hier sehe sie aber Aufholbedarf in der Bildung.

BP-Wahl: Was sagen die JungwählerInnen?

Rund 80.000 JungwählerInnen sind zur Bundespräsidentenwahl stimmberechtigt. Was sagen sie zu den Kandidaten, und was wissen sie über das Amt des Bundespräsidenten?

Der Demokratieradar im Frühjahr 2022 habe gezeigt, dass das politische Interesse der unter 30-Jährigen vergleichsweise gering ist. Praprotnik glaubt, „dass in der politischen Bildung einfach ein sehr, sehr wichtiger Schlüssel liegt, um mündige Wählerinnen und Wähler in einem Land zu haben und letztendlich auch, um die Stabilität unserer Demokratie zu erhalten.“

Politische Bildung müsse das Interesse junger Menschen an der Politik wecken. „Vielleicht haben viele noch gar nicht verstanden, wie sehr die politischen Entscheidungen ihr tägliches Leben auch wirklich beeinflussen“, überlegte Praprotnik. Sie hofft, dass diese Menschen trotzdem zur Wahl gehen: „Nur wer wirklich wählt, kann auch mitbestimmen, wer dann den Bundespräsidenten stellt,“ richtete sie einen Appell an die Wiener Jungwählerschaft.

Wiener Jugendliche haben keinen Wahlfavoriten

„Sein Aussehen find ich ein bisschen fragwürdig, aber auch ansonsten, seine Meinungen, da denk ich mir einfach nur so: nein“, verdeutlichte eine Jugendliche ihre Abneigung gegen Tassilo Wallentin. Bei einer Emoji-Umfrage der „Wien Heute“-Redaktion in der Wiener Innenstadt sind die wenigsten wirklich überzeugt von den sieben Kandidaten. Auch nicht vom 35-Jährigen Dominic Wlazny, der gerade so das Mindestalter für die Kandidatur erfüllt: „Er ist eh sympathisch, aber ich finde, er ist ein bisschen zu jung“, so die Skepsis eines Erstwählers.

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Emoji-Abstimmung Alexander van der Bellen
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Emoji-Abstimmung Walter Rosenkranz
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Emoji-Abstimmung Heini Staudinger
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Emoji-Umfrage Michael Brunner
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Emoji-Umfrage Dominic Wlazny
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Emoji-Umfrage: Tassilo Wallentin
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Emoji-Umfrage Gerald Grosz
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Emoji-Abstimmung Alexander van der Bellen
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Emojis für die Umfrage
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Junge Menschen wählen häufiger Grüne und FPÖ

Im Rennen um die Stimmen der Jugend an der Wahlurne sieht Prapotnik bei den sieben Kandidaten am ehesten Alexander Van der Bellen und Walter Rosenkranz weit vorne. „Wir haben bei BP-Wahlen – als auch bei anderen Wahlen – schon einen großen Altersgap: ÖVP und SPÖ sprechen traditionell ältere Wählerinnen-Schichten an als beispielsweise die Grünen oder die FPÖ. Gerade Van der Bellen war 2016 beim ersten Wahlgang sehr sehr stark bei den Jungen. Er hat hier 29 Prozent gekriegt. Im Vergleich: bei den über 60-jährigen Wählerinnen und Wählern haben ihm nur zehn Prozent ihre Stimme gegeben“, so Prapotnik.

Im Kandidaten-Vergleich der heurigen Wahl hob sie das Mobilisierungspotential der Kandidaten hervor, die in Zeiten der Pandemie, der Teuerung und des Krieges von keiner etablierten Partei unterstützt werden. „Wir sehen einfach in den Umfragen, dass die politische Unzufriedenheit sehr hoch und die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie sehr gering ist. Da können meiner Einschätzung jene Kandidaten, die eben nicht von einer etablierten Partei kommen, diese Protestwählerinnen und -wähler einsammeln.“

Umweltschutz und Teuerung wichtig für Jungwählerschaft

Die Präferenz für die Kandidaten mag bei den Jungen anders sein, im Gegensatz zu den Themen, die jungen Menschen besonders am Herzen liegen: Umwelt, Teuerung, Sanktionen und Flüchtlingsströme sind die zentralen Anliegen. Die Positionen der Kandidaten zu diesen Themen würden für sie eine große Rolle bei ihrer Wahlentscheidung spielen, erzählten einige Wiener Jugendliche. Eine Erstwählerin erklärte, dass es ihr wichtiger sei, einen Bundespräsidenten zu haben, der für Stabilität sorgt: „Ich würde mir wünschen, dass er sich eher passiv verhält und dann in den wichtigen Momenten schon seine Meinung teilt und einschreitet.“

Seine politischen Visionen kann der Bundespräsident in Österreich im Normalfall nicht umsetzen: Er verzichte traditionell auf viele seiner Verfassungsrechte, erklärte Prapotnik. Aber, „er kann über Themen sprechen, Themen so auf die politische Agenda bringen und natürlich auch Parteienvertreter hinter die berühmte Tapetentür zum Gespräch einladen.“

Bundespräsident im Urlaub immer in Bereitschaft

In einem Straßenquiz hat die „Wien heute“-Redaktion Wissen zum Amt des Bundespräsidenten abgefragt. Darunter auch skurrile Fragen, bei denen die Jugend zum Teil unsicher schien, zum Beispiel, ob der Hund des Bundespräsidenten zum obersten Militärhund ausgebildet wird, oder etwa ob dem Bundespräsidenten als Staatsoberhaupt alle Schwäne Österreichs gehören. Beides stimmt nicht – allerdings gehören in Großbritannien dem König aufgrund des Jagdschutzes alle Schwäne und Delfine.

Dass der Bundespräsident wahrscheinlich viel Geld verdient – da waren sich die Jugendlichen sicher. Rund 25.000 Euro brutto sind es jedes Monat. Dafür kann er im Urlaub aber nie so richtig entspannen: Solange er sich in Österreich und innerhalb der Europäischen Union aufhält, bleibt der Bundespräsident nämlich immer in Bereitschaft. Nur bei (Dienst-)Reisen außerhalb Europas wird er in Österreich vom Bundeskanzler vertreten – das ist aber nur maximal 20 Tage möglich.