Zwei Polizisten vor Absperrband vor Verhandlungssaal
APA/Helmut Fohringer
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Chronik

Zeuge im Leonie-Prozess ändert Aussage

Mit Zeugenbefragungen ist am Freitag der Prozess im Fall Leonie fortgesetzt worden. Ausgesagt haben unter anderem ein ursprünglich als verdächtig geltender Mann, eine Freundin und ein Bekannter des Mordopfers. Auch ein letzter Gutachter kam noch zu Wort.

Der Zeuge, wie die drei Angeklagten Afghane, relativierte vor Gericht seine Aussage vor der Polizei im Sommer 2021 nach seiner Festnahme. Damals gab er an, dass ihn der Erstangeklagte in Leonies Todesnacht angerufen und gefragt habe, was er tun solle, da bei ihm ein Mädchen sei, dem es sehr schlecht ginge. Der 23-Jährige sei am Telefon sehr aufgeregt und nervös gewesen und habe gemeint, dass er der 13-Jährigen sechs Ecstasy-Tabletten gegeben habe und sie nur noch da sitze, nichts rede und ihr Herz nicht mehr klopfe.

„So etwas habe ich nie gesagt“, meinte der Zeuge nun plötzlich. „Ich habe so etwas bei der Polizei nicht angegeben.“ Ihm sei es nach der Festnahme nicht gut gegangen, er habe wenig geschlafen und war berauscht. Daraufhin beantragten Anwälte und Staatsanwälte, die damals vernehmenden Polizisten als Zeugen zu laden, ebenso wie die Dolmetscherin. Auch dass über „die schlechten Tabletten“ gesprochen worden sei, relativierte der Zeuge. Er habe selbst bis zu 15 davon in einer Nacht genommen und sei normal geblieben.

Treffen mit „Engländer“ in Wien

Auch die beste Freundin des Opfers trat am Freitag in den Zeugenstand. Sie gab an, dass jener Angeklagte, der behauptet, der Freund Leonies gewesen zu sein, nicht mit ihr in einer Beziehung gewesen sein könne. „Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagte die 17-Jährige, die mit der 13-Jährigen öfters die Schule geschwänzt hatte, um nach Wien zu fahren. Auf Instagram habe die 13-Jährige den 20-Jährigen, dem die Mädchen den Spitznamen „Der Engländer“ gaben, kennengelernt.

Bei den beiden Treffen mit dem Afghanen, bei denen die Freundin dabei war, sei der 20-Jährige bereits anzüglich geworden. Er habe einmal den Mädchen Tabletten zugesteckt, mit der Information, es würde sich um Ecstasy handeln. „Ich habe sie unauffällig auf den Boden geschmissen“, sagte die 17-Jährige. Ob die 13-Jährige die Tablette nahm, habe sie nicht gesehen, doch wurde ihre Freundin nach 15 Minuten ganz anders. Da sei der 20-Jährige plötzlich zudringlich geworden. „Ich hab’ ihre Hand genommen und hab’ sie weggezerrt. Er wollte noch mit uns weggehen, aber ich hatte ein ungutes Gefühl“, sagte die Freundin.

Bekannter telefonierte kurz vor ihrem Tod mit Leonie

Am Abend vor der Tat war die 17-Jährige noch mit ihrer Freundin in Tulln unterwegs. „Ich musste rechtzeitig zu Hause sein“, sagte die Jugendliche. „Ich hab’ gedacht, sie geht heim.“ In Wahrheit fragte die 13-Jährige einen Bekannten, ob er sie mit nach Wien nehmen würde. Dieser brachte sie zum Donaukanal, wo sie auf die Afghanen traf. Im Trubel – Jugendliche feierten im Sommer 2021 wegen der Pandemie dort Partys – verlor er die 13-Jährige aber aus den Augen.

„Von mir aus war geplant, dass ich sie auch wieder nach Hause bringe“, sagte der Zeuge. Er war ziemlich verärgert, weil sie ihn einfach stehen ließ und chattete sie in der Nacht noch an: „Ich fahr mit dir nie wieder fort. Lässt mich hier einfach stehen.“ Danach telefonierten die beiden noch gegen 2.00 oder 3.00 Uhr miteinander. „Da war sie noch gut gelaunt. Da ging es ihr noch gut“, so der 17-Jährige. Laut Gerichtsmediziner starb die 13-Jährige zwischen 5.57 und 6.30 Uhr. Erst kurz vor 7.00 Uhr holten die Männer die Rettung.

Pflegeassistentin leistete Erste Hilfe

Die 13-Jährige, die mit den Männern in die Wohnung mitging, dort unter Drogen gesetzt und missbraucht worden sein soll, wurde am 26. Juni 2021 zuerst von einer Frau auf einem Grünstreifen in Wien-Donaustadt leblos aufgefunden, die nun ebenfalls vor Gericht aussagte. Die Pflegeassistentin war gerade am Weg zur Arbeit und leistete Erste Hilfe. Sie beobachtete zwei Männer bei dem Mädchen, das an einem Baum angelehnt war.

Die Frau bemerkte, dass die 13-Jährige keine Vitalfunktionen mehr hatte, begann mit der Reanimation. Einer der Männer sprach gerade mit der Rettung am Telefon, hielt aber der Ersthelferin das Handy plötzlich hin. „Einer hat gesagt, er kennt sie nicht“, so die Zeugin. Der zweite Mann verschwand plötzlich, als die Polizei eintraf.

Urteil für kommenden Donnerstag erwartet

Am Freitag kam noch der letzte Gutachter zu Wort, der das Alter eines der Angeklagten zu klären hatte. Laut dem Ergebnis der Untersuchungen kann er zum Tatzeitpunkt nicht jünger als 18,95 Jahre alt gewesen sein, erklärte der Gutachter. Demnach ist der Mann mittlerweile 20 Jahre alt, was für die Strafbemessung ausschlaggebend ist. Er und seine beiden mutmaßlichen Mittäter müssen sich seit Dienstag wegen Vergewaltigung mit Todesfolge und schwerem sexuellen Missbrauch vor einem Schwurgericht verantworten.

Für den ältesten Angeklagten geht es im Fall eines Schuldspruchs um zehn bis 20 Jahre Haft oder lebenslang. Die beiden anderen müssen mit bis zu 20 Jahren rechnen. Die Angeklagten bekannten sich zwar teilweise schuldig, gaben sich aber bisher gegenseitig die Schuld. Sie gaben an, dass sie nicht wussten, dass das Mädchen erst 13 Jahre alt war, sie gingen von 18 Jahren aus. Zwei sprachen von einvernehmlichem Sex mit der 13-Jährigen, der Dritte will nur mit dem Mädchen gekuschelt haben, von Vergewaltigung wollten sie nichts wissen.

Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt. Nach mehreren Zeugenbefragungen soll am Donnerstag ein Urteil gefällt werden.