Susanne Raab (l.) und Martin Polaschek, beide ÖVP
APA/HANS KLAUS TECHT
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Politik

Missbrauch: Für Raab „Systemversagen“

Kein Tag ohne neue Erkenntnisse im Missbrauchsfall rund um einen Sportlehrer einer Wiener Schule. Er war auch in einem zweiten Verein tätig. Familienministerin Raab und Bildungsminister Polaschek (beide ÖVP) sprechen indes von „Systemversagen“.

Die über Jahre erfolgten sexuellen Übergriffe auf großteils unmündige Buben durch einen Sportlehrer, der möglicherweise zwei Mittäter hatte, „zeigt ein erschütterndes Systemversagen aller befassten Wiener Behörden“, sagte Familienministerin Raab. Sie frage sich, wie es sein könne, "dass bereits vor vielen Jahren Anzeige erstattet wurde, aber es zu keinen Ermittlungen kam? Wie kann es sein, dass die Wiener Bildungsdirektion schon Jahre davon wusste, aber nicht für vollständige Aufklärung sorgte und der beschuldigte Lehrer weiterhin in Sportvereinen und Feriencamps tätig sein konnte?“.

Raab forderte hundertprozentige Aufklärung und strengere Gesetze, wenn es darum gehe, wer Kinder betreue. Noch immer könnten verurteilte Sexualstraftäter in der Kinderbetreuung und in Feriencamps tätig sein: „Das ist nicht nur absurd, sondern auch gefährlich.“

Absolute Priorität für Schutz der Kinder

Bildungsminister Martin Polaschek forderte null Toleranz bei sexuellen Übergriffen. Die aktuell laufende Aufklärung bringe immer mehr mutmaßliche Missbrauchsfälle in Wien ans Tageslicht. Auch er sprach von einem „Systemversagen“ in Wien. Es sei ihm ein „persönliches Anliegen“, Kinder vor jeglicher Art von Übergriffen zu schützen: „Aus diesem Grund müssen der Schutz der Kinder und die volle Aufklärung dieser mutmaßlichen Taten absolute Priorität haben.“

Er erinnerte an laufende Maßnahmen zur Missbrauchsprävention in Bildungseinrichtungen. Es gebe unter anderem spezielle Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer, pädagogische Unterrichtsmaterialien und Unterstützung der Lehrkräfte durch Schulpsychologie und psychosoziales Unterstützungsmaterial. „Wir werden in Zukunft auch weiterhin alles unternehmen, um sexuelle Übergriffe präventiv zu verhindern und uns mit aller Konsequenz gegen jegliche Form von Missbrauch stellen“, kündigte Polaschek an.

Sportlehrer auch in zweitem Verein aktiv

Der Fall selbst weitet sich indes auch am Samstag weiter aus. Der Sportlehrer arbeitete auch in einem zweiten Wiener Sportverein. Während er in einem Club der Sportunion eine leitende Funktion inne hatte, war er auch als Basketball-Trainer bei einem zweiten, einem anderen Verband unterstehenden Verein im Einsatz. Der Präsident dieses Vereins betonte, dass kein Kind Opfer von Missbrauch geworden sei. Dies deshalb, weil die Trainings seit jeher von zwei Personen geleitet würden: „Er war nie alleine mit den Kids. Es war immer ein zweiter Trainer dabei.“

Der Mann sei „zwei bis drei“ Jahre als Basketballtrainer tätig gewesen, so der Präsident weiter. Gekommen sei es dazu im Zuge einer Kooperation mit der Mittelschule, wo der Pädagoge seit 1996 beschäftigt war. Der Sportlehrer habe die U10-Mannschaft der Buben betreut, sagte der Vereinspräsident. Das Interesse des Lehrers hätte sich laut Medienberichten aber offenbar auf ältere Buben konzentriert.

Zwei mutmaßliche Mittäter

Erst am Freitag hatte die Wiener Bildungsdirektion nach neuen Hinweisen ihre Untersuchungen bis ins Jahr 1996 zurück ausgedehnt. Das war das Jahr, in dem der Sportlehrer an einer Wiener Schule zu arbeiten begann. Er beging nach einer Anzeige durch einen Schüler 2019 Suizid. Bei einer Hausdurchsuchung wurde umfangreiches kinderpornografisches Material entdeckt.

Nach aktuellem Stand soll es über zahlreiche Jahre hinweg nicht nur an der Schule in Wien, sondern auch bei Feriencamps und in Sportvereinen zum Missbrauch von Kindern und Jugendlichen gekommen sein. Unter Verdacht stehen auch zwei mutmaßliche Mittäter.