Fuß eines Grundwehrdieners oder Milizsoldaten
APA/Robert Jäger
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Chronik

Soldat in SS-Uniform: Gesetz wird geändert

Entrüstet und schockiert hat die Politik auf einen Bundesheersoldaten in SS-Uniform reagiert. Die Bundesdisziplinarbehörde hingegen beantragte nur eine Geldstrafe. Die Regierung kündigt nun ein schärferes Verbotsgesetz unter dem Motto „null Toleranz“ an.

Künftig soll jede rechtskräftige Verurteilung nach dem Verbotsgesetz bei Beamten automatisch zu einem Amtsverlust führen, und zwar unabhängig von allfälligen disziplinarrechtlichen Schritten. Das kündigten Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Freitag an. „Wer nach dem Verbotsgesetz verurteilt ist, hat im Staatsdienst nichts zu suchen“, unterstrich Zadic. „Jede Form von NS-Verherrlichung ist ein nicht tolerierbarer Angriff auf unsere demokratische Gesellschaft.“

Keine Weisung von Ministerin

„Nationalsozialistische Wiederbetätigung widerspricht allem, wofür wir als Österreich stehen“, erklärte auch Edtstadler. Man werde daher nun gemeinsam einen Vorschlag für eine Änderung im Verbotsgesetz erarbeiten: „Die Umsetzung dieser Maßnahme hat höchste Priorität.“ Erfreut über die Gesetzesverschärfung zeigte sich die Israelitische Kultusgemeinde (IKG). Zum aktuellen Fall sagte der Präsident Oskar Deutsch: „So jemand hat im Staatsdienst nichts zu suchen.“

Grüne und SPÖ fragten, warum Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) keine Weisung erteilt hat, eine Entlassung zu beantragen. Die Möglichkeit hätte sie laut Verfassungsjuristen durchaus gehabt. Der Disziplinaranwalt untersteht der Ministerin und „ist an deren Weisungen gebunden“, erläuterte etwa Verfassungsrechtler Heinz Mayer im Ö1-„Mittagsjournal“. „Sie ist verantwortlich für das, was der Disziplinaranwalt tut.“

Auch Verteidigungsministerin plant Gesetzesänderungen

Die in der Kritik stehende Verteidigungsministerin Tanner bekräftigte in einer Stellungnahme, dass sie für derartiges Fehlverhalten „überhaupt kein Verständnis“ habe und sie eine Kommission zur Bekämpfung staatsfeindlicher Tendenzen einrichten wolle. Nun gehe man einen Schritt weiter, denn der Fall zeige, „wie wichtig die Nachschärfung bei legistischen Maßnahmen in diesem Bereich ist“.

Bereits am Donnerstag hatte Tanner im Nationalrat angekündigt, eine Kommission zum Thema der „Bekämpfung von staatsfeindlichen Tendenzen“ einzurichten. Diese soll zur Vermeidung derartiger Fälle die nötigen gesetzlichen Maßnahmen, also Änderungen des Beamtendienstrechts und des Strafgesetzbuches, ausarbeiten.

Politik reagierte schockiert

Die Causa rund um einen Bundesheersoldaten in einer SS-Uniform hatte nicht nur für Entrüstung bei SPÖ und NEOS gesorgt. Auch Bundespräsident und Oberbefehlshaber Alexander Van der Bellen zeigte sich „schockiert“. Das Ministerium betonte, dass „eine Nulltoleranzpolitik bei Rechtsextremismus gelebt wird und dass immer alle rechtlich möglichen Maßnahmen ergriffen werden“.

„Weder das Gericht noch die dafür einzig zuständige Disziplinarbehörde haben eine Entlassung erwirkt“, erklärte ein Sprecher außerdem auf Twitter. Der grüne Koalitionspartner, Wehrsprecher David Stögmüller, stellte jedoch per Aussendung die Frage in den Raum, warum der Disziplinaranwalt des Ministeriums eine Entlassung gar nicht beantragt habe.

„Schuldig der NS-Wiederbetätigung“

Die Bundesdisziplinarbehörde erkannte den Oberstabswachtmeister am 15. September „schuldig“ der nationalsozialistischen Wiederbetätigung. Er soll bereits 2014 und 2015 im Internet eine Uniform, einschlägige Abzeichen, Hakenkreuzfahnen und Hakenkreuzwimpel bestellt und „zum Zwecke der Herstellung einer SS-Uniform einen Aufnäher mit SS-Runen sowie zwei Aufnäher mit Reichsadler und Hakenkreuz an der Uniform angebracht“ haben.

Diese selbst gebastelte SS-Uniform soll er dann zumindest fünfmal getragen haben, Fotos davon tauchten im Internet auf. 2019 und 2020 soll der Soldat außerdem in der Kantine eines Sportvereins, in der Spielerkabine am Fußballplatz und in einer Kaserne vor seinen Kameraden den Hitlergruß gezeigt haben. Bei der Durchsuchung seiner militärischen Unterkunft, seines Autos und seines Wohnsitzes wurden Munition aus Heeresbestand und „diverse Devotionalien“ gefunden.

Vor Zivilgericht zu bedingter Freiheitsstrafe verurteilt

Der Oberstabswachtmeister wurde im November des Vorjahres „mit sofortiger Wirkung (…) vorläufig vom Dienst enthoben“, der Akt wurde der Disziplinarbehörde vorgelegt. Im Juli wurde der Soldat vor einem Landesgericht rechtskräftig zu zehn Monaten bedingter Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von 1.200 Euro verurteilt. Die Disziplinarbehörde setzte nach der Disziplinaranzeige eine mündliche Verhandlung für Mitte September an. Dort legte der Beschuldigte „ein umfassendes und reumütiges Geständnis“ ab. Es werde nicht mehr vorkommen.

Die Taten seien unter Alkoholeinfluss erfolgt, behauptete der Soldat, „er distanziere sich von den Gräueltaten des Nationalsozialismus und habe damit nichts zu tun“. Die Knallkörper habe er „wohl versehentlich nach einer Übung mit nach Hause genommen und vergessen“. Der Bataillonskommandant attestierte dem Beschuldigten im Verfahren eine „zufriedenstellende Dienstleistung“, bisher habe es keine disziplinären Verfehlungen gegeben.

Schon Strafgericht nahm von Entlassung Abstand

Der vom Ressort bestellte Disziplinaranwalt, der im Verfahren laut Gesetz die „dienstlichen Interessen“ vertritt, verwies auf die Möglichkeit einer Entlassung, beantragte schließlich aber nur eine Geldstrafe von knapp 5.000 Euro: „In den Schlussworten führte der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV (DiszAnw) aus, dass der Disziplinarbeschuldigte durch seine Tathandlungen vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe“, heißt es in der Entscheidung.

„Nach der Rechtsprechung des VwGH komme aufgrund des Treueverlustes die Disziplinarstrafe der Entlassung in Betracht. Aus generalpräventiven Gründen sowieso, allerdings sei in diesem Fall eine Geldstrafe ausreichend.“ Das Strafgericht, argumentierte der Disziplinaranwalt, hätte bereits durch eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe den Amtsverlust bewirken können, nahm aber davon Abstand.

„Sehr schwere Dienstpflichtverletzung“

Bei der Strafbemessung sei „von einer sehr schweren Dienstpflichtverletzung auszugehen“, da von Dienstgeberseite nationalsozialistische Wiederbetätigung nicht geduldet werde, argumentierte der Disziplinaranwalt demnach weiter. Doch die spezialpräventiven Aspekte würden ob des einsichtigen Verhaltens und der ehrlich gemeinten Besserungsabsicht in den Hintergrund treten, zudem liege eine positive Prognose vor.

Die Disziplinarbehörde folgte schließlich dieser Argumentation. Die Kommission wertete „mehrere Dienstpflichtverletzungen“ als „straferschwerend“, führte aber auch einige Milderungsgründe an: ein reumütiges Geständnis, Distanzierung, Unbescholtenheit, die bisherige Dienstleistung und die positive Prognose. Bei der Höhe der Geldstrafe wurde auf die „angespannte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“, Sorgepflichten für fünf Kinder und die schwere Erkrankung seiner Ehefrau verwiesen.

In Kasernenküche versetzt

Der Soldat wurde letztlich zu einer Geldstrafe in der Höhe von 4.320 Euro (und einem Kostenbeitrag von 360 Euro) verurteilt. Er „möge die milde Bestrafung als Vertrauensvorschuss sehen, dass er in Zukunft derartige Dienstpflichtverletzungen unterlässt“. Der Betroffene wird laut Ministerium nunmehr „in einer nicht militärischen Funktion im Rahmen seines Beamtendienstverhältnisses verwendet“. Er arbeitet künftig in der Küche.