Sebastian Kurz in der Reihe „Bei Budgen“
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Politik

Kurz bedauert Koalitionsaus nach „Ibiza“

Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagt, er stelle sich oft die Frage, „ob es richtig war, nach Aufkommen des Ibiza-Videos die Koalition zu beenden und Neuwahlen auszurufen“. Denn die Koalition habe sehr gut funktioniert, so Kurz in der Interviewreihe „Bei Budgen“.

„Es ist viel inhaltlich weitergegangen, wir haben eigentlich sehr gut zusammengearbeitet, und da habe ich mich oft gefragt, ob das eine richtige Entscheidung war“, so Kurz auf die Frage, ob er etwas in seiner Amtszeit als Kanzler bereue. Kurz hatte im Mai 2019 nach Bekanntwerden des „Ibiza-Videos“ die Regierung mit der FPÖ beendet, was vorgezogene Neuwahlen nach sich zog.

Als zweites Beispiel für mögliche Fehler in seiner Amtszeit nennt Kurz die Maßnahmen in der Pandemie. Zu Beginn habe man sehr gut, entschlossen und schnell reagiert, meint der Ex-Kanzler. Aber: „Ich glaube aus heutiger Sicht, aber jetzt hat man natürlich einen anderen Wissensstand, wäre es sinnvoll gewesen, wesentlich früher schon die staatlichen Maßnahmen massiv zurückzufahren und viel mehr auf Eigenverantwortung zu setzen.“

Langfassung: Sebastian Kurz in der Reihe „Bei Budgen“

Rücktritt laut Kurz nur wegen Grünen

Anlass für das Interview in „Bei Budgen“ ist das neue Buch von Kurz und „Krone“-Autorin Conny Bischofberger mit dem Titel „Reden wir über Politik“, das seit Samstag erhältlich ist. Darin schildert Kurz etwa seinen Rücktritt und dass er die Ermittlungen gegen ihn gelassen sehe, weil er sich strafrechtlich nichts zu schulden kommen habe lassen. Warum trat er dennoch zurück? „Ich bin zurückgetreten, weil die Grünen uns die Mehrheit nicht mehr gewährt hätten.“ Ohne Parlamentsmehrheit habe man keine Möglichkeit zu regieren. Ansonsten hätte er „natürlich weitergemacht“, betont er.

Nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler habe er keinen hundertprozentigen Plan gehabt, wie lange er noch als Abgeordneter im Parlament sein möchte, führt Kurz weiter aus. Einerseits sei es ihm wichtig gewesen, dass Mandat auszufüllen – „und auf der anderen Seite muss ich zugeben, war das Parlament und die Art und Weise, wie dort Debatten stattfinden, nicht immer zu hundert Prozent meins.“

Keine Entschuldigung bei Mitterlehner

Bei seinem Vorgänger als ÖVP-Parteichef und Bundeskanzler Reinhold Mitterlehner hat sich Kurz übrigens nicht entschuldigt, wie er sagt – für die bekannt gewordene SMS-Nachricht, in der er diesen als „Oasch“ bezeichnet. Sein Verhältnis zu Mitterlehner sei „nie das Beste“ gewesen: „Er hat ein ganzes Buch über mich geschrieben, das sehr negativ war. Und ja, ich habe in der Emotion dann mich zu dieser Nachricht verleiten lassen. Ich habe auch nicht vorgehabt, dass diese Nachricht veröffentlicht wird.“

Thematisiert werden in dem Buch auch die immer wieder auftauchenden Gerüchte, dass Kurz homosexuell sei, was nicht stimme, wie klargestellt wird. Im Wahlkampf 2017 sei das massiv verbreitet worden, so Kurz. „Und ich habe das immer recht amüsant gefunden, dass im 21. Jahrhundert jemand solche Gerüchte verbreitet und glaubt, man kann jemanden damit schaden.“

Über das Privatleben des Ex-Kanzlers erfährt man im Buch, dass ihm noch drei Prüfungen für den Abschluss des Jus-Studiums fehlen würden. Er glaube nicht, dass er diese noch nachholen werde, so Kurz in „Bei Budgen“: „Ich habe nach wie vor relativ wenig Tagesfreizeit.“ Sein Fokus liege auf seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und seinem Privatleben. Im Schnitt sei er ungefähr eine Woche im Monat in Österreich und den Rest der Zeit unterwegs. Wie sich das ausgehe mit Frau und Kind? „So oft wie möglich reisen wir auch gemeinsam.“

Gründung mit Ex-Pegasus-Chef: „Kein Beigeschmack“

Kürzlich gründete Kurz ein Cyber-Unternehmen mit dem Ex-Chef des israelischen Technologieunternehmen NSO, das die umstrittene Spionagesoftware Pegasus herstellt. Damit wurden unter anderem Menschen in Journalismus, Politik und von Menschenrechtsorganisationen in autoritär regierten Ländern überwacht.

„Ich sehe kein Beigeschmack“, erklärt Kurz zur öffentlichen Kritik. Er habe ein Unternehmen gegründet, das Cybersicherheit für kritische Infrastruktur anbiete. „Und mein Mitgründer hat Erfahrung im Cyber Offensive Bereich. Ich glaube, das ist keine Überraschung, dass oftmals Personen, die auf der Offensive-Seite tätig waren, sehr viel Erfahrung gesammelt haben, die man dann auch im Bereich der Sicherheit einsetzen kann. Und insofern halte ich das für etwas sehr, sehr Positives.“ Außerdem habe sich sein Mitgründer strafrechtlich nichts zuschulden kommen lassen.

Kurz schließt Rückkehr in Politik aus

Eine Rückkehr in die Politik schließt Kurz im Buch komplett aus und erklärt, die Innenpolitik spiele für ihn kaum eine Rolle. Trotzdem ein Buch über Politik zu veröffentlichen ist für ihn kein Widerspruch: „Das Buch beschäftigt sich vor allem mit einem Resümee über diese Zeit und ist kein tagesaktuelles innenpolitisches Buch." Man könne über seine politische Vergangenheit sprechen und gleichzeitig die tagesaktuelle Innenpolitik nicht so genau verfolgen.