Ausblick auf den Taba-Tower in Oberlaa
Melanie Schönberger/ORF
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Chronik

Stadtentwicklung: Unruhe in Süd-Favoriten

Nach vielen Protesten und einem zweijährigen Bürgerbeteiligungsprozess präsentiert die Stadt Wien neue Flächenwidmungspläne und ein Stadtentwicklungskonzept für Süd-Favoriten. Grundeigentümer und Bürgerinitiativen wehren sich gegen die Vorschläge.

Bereits 2019 stellte die Stadt Wien ein Entwicklungskonzept für Süd-Favoriten vor, das auf breite Proteste stieß. Die daraufhin gegründete Bürgerinitiative „Lebensraum Oberlaa“ setzt sich gegen die Verbauung am Kurparkeingang und für den Erhalt des Dorfcharakters in Oberlaa, Unterlaa und Rothneusiedl ein. Diese Forderung will die Stadt Wien im neuen Flächenwidmungsplan mit Schutzzonen umsetzen. Eigentümer und Anwohnerinnen fürchten „Teilenteignungen“. Bis zum 3. November können Stellungnahmen zu den Plänen abgegeben werden.

Dorfcharakter und Grünraume erhalten

Das neue Stadtentwicklungskonzept ist das Ergebnis eines dreijährigen Bürgerbeteiligungsprozesses in Süd-Favoriten. Bernhard Steger, Leiter der MA 21 für Stadtteilplanung und Flächenwidmung, präsentierte vier Ziele, die den Bürgerinnen und Bürgern besonders wichtig wären. Die Sicherung der Grünflächen, Wohnungsbau entlang von Verkehrsmitteln und der Schutz der historischen Dorfkerne und Einfamilienhausgebiete sollen mit dem neuen Flächenwidmungsplan rechtlich verbindlich werden.

Das Wohnbauprojekt „Klimafit wohnen an der U1“ soll 750 neue Wohnungen zwischen Kurpark, Therme und der Ubahnstation Oberlaa schaffen. Zweidrittel davon sollen dem sozialen Wohnbau dienen. Das neue Wohngebiet soll auch die Nahversorgung verbessern. Steger berichtete von Plänen für einen neuen Supermarkt, Wochenmarkt, einen Kindergarten und einige kleinere Geschäfte am Kurparkeingang.

Bald Baugrund: Die Festwiese in Oberlaa
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Auf der Festwiese sollen in Zukunft Wohnhäuser stehen, die circa halb so hoch wie der Taba-Tower sein werden

Bürgerinitiative fürchtet Kurpark-Einschränkungen

„Die Stadt wollte nie, dass wir mitreden. Dabei sind wir auch für eine angepasste und sinnvolle Stadtentwicklung im Südraum Favoriten. Wir wollen nur, dass der Blick auf die Landschaft hier nicht für immer zerstört wird“, so Richard Stocker von der Bürgerinitiative „Lebensraum Oberlaa“. Sie sprechen sich gegen die Bebauungspläne auf dem Gelände der Festwiese aus. Die Wohntürme „könnten den Blick auf die Landschaft aus dem Kurpark für immer zerstören“, meinte Stocker. Die Stadt passte nach Protesten der Bürgerinitiative die geplanten Gebäudehöhen an: Das höchste Haus werde, nach Beratungen mit der Bürgerinitiative, statt ursprünglich geplanten 35 Metern nur 25 Meter hoch werden, erklärte Bezirksvorsteher Marcus Franz (SPÖ). Das sei nur halb so hoch wie der bestehende Taba-Tower.

Als Kompromiss schlägt die Initiative den Bau einiger sozialer Wohnbauten hinter dem „Taba-Tower“ vor, der schon jetzt neben dem Kurpark steht. Dann gebe es auch kaum Sichteinschränkungen für die Parkbesucherinnen und -besucher. Da bereits auf Grundstücken in Rothneusiedl 10.000 Wohnungen gebaut werden sollen, sieht Stocker keine Notwendigkeit für die Wohntürme am Kurpark. Bezirksvorsteher Franz verweist auf die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. „Wien wächst und braucht sozialen, leistbaren und qualitätsvollen Wohnraum mit guter Öffi-Anbindung. Genau das wird an der U1-Endhaltestelle Oberlaa umgesetzt.“

Kurpark vor Taba-Tower in Oberlaa
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Die Bürgerinitiative „lebensraum Oberlaa“ befürchtet, dass die geplanten Wohnhäuser den Ausblick aus dem Kurpark versperren

Schutzzone: „Geisel für jeden Grundeigentümer“

Bei einer städtischen Infoveranstaltung zur Flächenumwidmung empörte sich ÖVP-Bezirksrat Rudi Wieselthaler: „Es brennt in Oberlaa, Unterlaa und Rothneusiedl.“ Er sprach sich gegen die neuen bestandsorientierten Bauvorschriften aus. Nachdem gewerbliche Bauträger größere Wohnkomplexe in Einfamilienhausgebieten gebaut hatten, gilt seit 2019 eine Bausperre. Magistratsleiter Steger erklärte im Interview, dass diese den historischen Ortscharakter schützen und großen gewerblichen Wohnbau unterbinden sollen.

Auch die geplanten Wohnhäuser rund um die Dörfer sorgten bei der Infoveranstaltung für Unmut. Anwohner Heinz Beudel erklärte, dass allein die riesigen Wohntürme am Dorfrand den Dorfcharakter stören würden. Den geplanten sozialen Wohnbau sehe er kritisch. Er beklagte bei der Infoveranstaltung die fehlende Einbindung der Dorfbewohner durch die Stadt.

Niedrige Häuser im Dorf  in Oberlaa
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Die geplante Schutzzone soll den Dorfcharakter in Oberlaa erhalten

Anwohnerinnen sind gegen geplante Umwidmung

„Lebensraum Oberlaa“ spricht sich für die sogenannte Schutzzone aus, die den Dorfcharakter erhalten soll. Stocker forderte, dass bei den Bauvorschriften aber der Hausverstand greifen müsse. Es gehe allein darum, dass Bauträger keine Kleinstwohn-Komplexe mehr in die Dorfsiedlung bauen können. Es sei aber absurd, dass die Dörfer unten mit strikten Regeln erhalten werden, während der Kurpark verbaut werden soll. Der im Bürgerbeteiligungsprozess gewünschte Schutz des Dorfes soll zum Beispiel mit der Absenkung der Bauhöhe erreicht werden, so Bezirksvorsteher Franz.

Die Grundeigentümerinnen beklagen, dass sie nach der Umwidmung keine Solaranlagen oder neuen Fenster an ihren Häusern einbauen dürften. Wieselthaler schlägt vor, den Abriss sanierungsbedürftiger Häuser zu erlauben, wenn sie beim Neubau originalgetreu rekonstruiert werden. Eine Eigentümerin, die selbst am Rand der zukünftigen Schutzzone wohnt, wünschte sich, dass „alles so bleibt, wie es ist“.

Gesundheitszentrum als Alternative

Bis zum 3. November liegen die Flächenwidmungspläne der MA 21 zur öffentlichen Einsicht aus. Bis dahin können auch alle Wienerinnen und Wiener Stellungnahmen zu den Plänen abgeben. Der Gemeinderat muss diese prüfen, bevor die Flächenwidmungspläne angenommen werden können.

Richard Stocker und die Bürgerinitiative wollen der Stadt in Form einer Stellungnahme erneut einen Alternativvorschlag präsentieren. Neben der Festwiese wünschen sie sich eine Kulturhalle, oder noch besser: ein Gesundheitszentrum, mit Platz für Reha-Einrichtungen, Eislaufflächen und Kulturprogramm.