Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) von Außen
VfGH/Achim Bieniek
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Politik

VfGH prüft Wiener Mindestsicherung

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) prüft das Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG). Beim VfGH sind mehrere Beschwerden gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Wien anhängig, mit denen Leistungen nach dem WMG zuerkannt wurden.

Die Beschwerdeführer machen geltend, dass das Verwaltungsgericht den Anspruch auf Mietbeihilfe bzw. auf Leistungen für Bedarfsgemeinschaften zu niedrig bemessen habe. Geprüft wird auch das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes. Anlässlich der Beschwerden sind im VfGH Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen WMG und des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes des Bundes (SH-GG) entstanden.

Höchstgrenzen für Sozialhilfeleistungen

Der VfGH leitet daher von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren ein. Die Höhe von Sozialhilfeleistungen bemisst sich nach dem Richtsatz für die Zuerkennung einer Ausgleichszulage zu einer Pensionsleistung nach dem ASVG. Mit dem SH-GG aus dem Jahr 2019 hat der Bund Höchstgrenzen für Sozialhilfeleistungen festgelegt.

Die monatlichen Geldleistungen für Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, dürfen maximal 70 Prozent dieses Ausgleichszulagenrichtsatzes (netto, verringert um den Krankenversicherungsbeitrag) betragen. Das WMG sieht hingegen vor, dass der Höchstsatz 75 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes beträgt. Dies scheint, so der VfGH, gegen das SH-GG zu verstoßen und damit verfassungswidrig zu sein.

Zweifel an Anspruch auf Mietbeihilfe

Das SH-GG bestimmt auch, dass der Wohnbedarf – also der Aufwand für Miete und Betriebskosten – durch die allgemeinen Sozialhilfeleistungen abzudecken ist. Darüber hinaus kann ein höherer Wohnbedarf nur als Sachleistung wie direkte Zahlungen des Sozialhilfeträgers an den Vermieter gewährt werden (Wohnkostenpauschale).

Nach dem WMG hingegen haben hilfsbedürftige Personen Anspruch auf eine Mietbeihilfe, die als selbständige Geldleistung die allgemeinen Sozialhilfeleistungen erhöht. Der VfGH ist vorläufig der Ansicht, dass auch diese Regelung vom SH-GG, das für diese Fälle nur Sachleistungen vorsieht, nicht gedeckt ist.

Sachleistungszwang in den Ländern

Der VfGH erachtet es aber andererseits auch als bedenklich, dass die Länder für einen Mehrbedarf bei Wohnkosten nach dem SH-GG ausschließlich Sachleistungen vorsehen dürfen. Dieser Sachleistungszwang dürfte regelmäßig dazu führen, dass die gewährten Leistungen aufgespalten werden, sodass beispielsweise ein Teil des Mietzinses vom Sozialhilfebezieher und ein anderer Teil vom Sozialhilfeträger an den jeweiligen Vermieter zu überweisen ist.

Diese Vorgangsweise dürfte zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand führen, unwirtschaftlich und unzweckmäßig sein. Dieser Sachleistungszwang, der durch das Grundsatzgesetz den Ländern vorgegeben ist, dürfte sachlich nicht gerechtfertigt sein und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

Verfahren soll Bedenken überprüfen

Das nun eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren soll klären, ob diese Bedenken zutreffen. Der VfGH holt dazu eine Stellungnahme der Wiener Landesregierung und – in Bezug auf das SH-GG – der Bundesregierung ein.

Die Prüfung sei die "die logische Folge der fehlgeleiteten Politik der Wiener Stadtregierung und des damit verbundenen fortdauernden Verfassungsbruches“, so die Gesundheitssprecherin der Wiener ÖVP, Ingrid Korosec, und Verfassungssprecher Patrick Gasselich (ÖVP). Man sehe der Prüfung nun mit Spannung entgegen. Die Mindestsicherung müsse eine Überbrückungshilfe sein, dürfe aber „unter keinen Umständen zu einer Dauerhängematte ausarten, wie es aktuell in Wien der Fall“ sei.