Frau bei Beratung
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WIRTSCHAFT

Equal Pay Day: Warnzeichen für Expertinnen

Ab heute bis Jahresende gehen Frauen gratis arbeiten: Zumindest statistisch gesehen. Heute ist in Österreich Equal Pay Day. In Wien ist dieser zwar später, die Forderungen vom Wiener Frauen-Verein „Vemina“, um Gleichstellung zu ermöglichen, sind trotzdem lang.

Zum zweiten Mal ist der österreichische Equal-Pay-Day am 30. Oktober 2022. „Dieser ist ein Warnzeichen weiterhin bestehender politischer Ungerechtigkeiten auf Grund einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit“, sagte die Obfrau des Vereins „Vemina“ im „Wien heute“-Interview.

Damit Gleichberechtigung irgendwann gelingt braucht es – laut den Expertinnen Tamara Felbinger, die als Sexualpädagogin und Sozialarbeiterin tätig ist, sowie Kultur- und Sozialanthropologin Martina Romero – etliche politische Veränderungen: "Wir sind für absolute Transparenz aller Gehälter und auch für eine verpflichtete Väterkarenz. Sowie die Aufwertung von Sozial- und Pflegeberufen, wo noch immer vermehrt Frauen arbeiten. Außerdem braucht es flexiblere, familienfreundlichere Arbeitsmodelle.

Forderungen zum Equal Pay Day

Forderungen von „Vemina“-Beraterinnen Tamara Felbinger und Martina Romero

Beratung und Behandlung in 21 Bereichen

Der neu gegründete Verein möchte allen Frauen eine hochprofessionelle Gesundheitsversorgung mit multidisziplinärem Zugang auch außerhalb der Kassenleistungen ermöglichen. Seit Oktober stehen die Türen in der Praxis in der Rembrandtstraße im zweiten Bezirk allen einkommensschwachen Frauen offen. Geboten wird Unterstützung in 21 Disziplinen – sowohl körperlich als auch psychisch.

„Wir schauen wirklich, dass wir das ganze Spektrum der Frauengesundheit abdecken: Das heißt wir haben Hebammen, Physiotherapeutin, Gynäkologinnen, Beraterinnen, Sexualtherapeutin, Psychologinnen, Pädagoginnen, Ernährungswissenschafterinnen“, so Felbinger.

Der spendenfinanzierte Verein übernimmt die Kosten der Dienstleistungen zumindest zum Teil, je nach Situation auch komplett. „Wenn eine finanzielle Hürde ein Hindernis sein sollte, einzelne Gesundheitsangebote in Anspruch nehmen zu können, kann jede Frau einfach und unkompliziert Kontakt mit uns aufnehmen und wir schauen uns die Situation an.“

Frauen arbeiten bis Jahresende gratis

Der heutige Equal Pay Day zeigt: Frauen werden noch immer schlechter bezahlt als Männer. „An diesem Tag, würden Frauen statistisch gesehen bis ans Jahresende gratis arbeiten“, erklärte Martina Romero. Frauen in Österreich verdienen im Jahres-Brutto-Einkommen durchschnittlich 17,1 Prozent weniger als Männer, arbeiten also 63 Tage gratis.

Wien schneidet am besten ab

Der Equal Pay Day ist regional jedoch sehr unterschiedlich. Wien schneidet im Bundesländervergleich am besten ab: Hier fällt dieser Tag auf den 18. November. Frauen verdienen demnach um 12 Prozent weniger als Männer. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen von Männern in Wien liegt derzeit bei 57.627 Euro. Demgegenüber verdienen Frauen in Wien im Schnitt 50.729 Euro brutto im Jahr – um 6.897 Euro weniger als Männer. Das Schlusslicht bildet in Österreich Vorarlberg mit einem Gap von minus 22,2 Prozent.

Equal Pay Day
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Die Stadt Wien führt das „gute“ Wien-Ergebnis unter anderem auf das große Angebot an Kinderbetreuung und etwa die Gratis-Ganztagsschule zurück. Am Ziel ist man aber noch nicht. „Unser Ziel ist es, den Wiener Equal Pay Day Schritt für Schritt nach hinten – am besten bis Silvester – zu verschieben“, so Frauenstadträtin Kathrin Gaal (SPÖ). Um das zu erreichen möchte die Stadt etwa den Frauenanteils in technischen Berufen erhöhen.

Weitere Diskriminierungsformen neben Gender-Pay-Gap

Die Psychosoziale Beraterin Martina Romero fokussiert sich bei „Vemina“ auf das ganzheitliche Wohlbefinden von Müttern, Frauen und BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color). Ungleichgewicht gebe es beim Gender-Pay-Gap nicht nur zwischen Männern und Frauen, so Romero, sondern auch Herkunft, Hautfarbe und Religion würden – „im negativen Sinne“ – eine große Rolle spielen.

„Das beginnt schon beim Bewerbungsgespräch. Beim Namen. Wie die Person ausschaut und es ist der Jobeinstieg auf jeden Fall erschwerter. Und dann auch bei Lohnverhandlungen ist es schwierig, weil Frauen sich geringer einschätzen. Und als schwarze Frau ist das noch schwieriger sich selbstbewusst einzusetzen“, betonte Romero.

Ihr ist es ein großes Anliegen, „dass es innerhalb unserer Weißen Mehrheitsgesellschaft einen sicheren Ort – insbesondere für Schwarze Frauen und Women of Color – sowie rassismus- und diskriminierungssensibles psychosoziales Angebot gibt. Und dass echte Vielfalt auf Augenhöhe zur gelebten Realität und Normalität wird.“