Ein Kerzen- und Blumenmeer an einem der Tatorte des Wien-Anschlags im November 2020
APA/Helmut Fohringer
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Chronik

Nach Anschlag: 1,95 Mio. aus Opferfonds

Morgen jährt sich zum zweiten Mal der Terroranschlag in Wien, bei dem zwei Männer und zwei Frauen in der Innenstadt erschossen worden sind. 23 weitere Menschen verletzte der Attentäter teilweise schwer. Aus den Mitteln des beim Weißen Ring eingerichteten Terroropferfonds sind bisher rund 1,95 Mio. Euro abgerufen worden.

1,87 Mio. Euro davon sind direkt für die Hinterbliebenen und Opfer beschlossen und „überwiegend bereits auch ausgezahlt“ worden, heißt es vom Weißen Ring gegenüber dem ORF Wien. Der Rest der bisher aus dem Fonds abgerufenen Summe sei etwa für Gutachten aufgewendet worden. Der Fonds war von der Bundesregierung eingerichtet worden, auch nachdem Opferanwälte Druck gemacht hatten.

Die Bundesregierung hat den Fonds zunächst mit 2,2 Mio. Euro dotiert – damit jenen Betroffenen, die auch nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) anspruchsberechtigt sind, zusätzliche Hilfeleistungen zur Verfügung stehen, hieß es vom Sozialministerium. Damit könne den Betroffenen ein angemessenes, den zivilrechtlichen Grundsätzen entsprechendes Schmerzensgeld ausbezahlt werden. Überdies werden die Bestattungs-und Überführungskosten übernommen.

51 Personen haben bisher Geld aus Fonds erhalten

Die Bemessung und Auszahlung der Hilfeleistungen erfolgt durch die Opferhilfe-Organisation Weißer Ring, der dafür ein Gremium aus Expertinnen und Experten unter dem Vorsitz des pensionierten OGH-Vizepräsidenten Ronald Rohrer zur Seite steht. Diese Kommission hat Empfehlungen für die Zuerkennung von Hilfeleistungen unter Einbindung medizinischer Expertisen erarbeitet, auf deren Grundlage der Weiße Ring die finanziellen Leistungen vergibt.

Mit weiteren Auszahlungen ist laut Sozialministerium in Kürze zu rechnen. Bis Mitte Oktober hatten 75 Personen um Hilfeleistungen aus dem Fonds angesucht, davon haben 51 bereits Zahlungen erhalten. Die verbleibenden 24 Ansuchen sollen bis Jahresende erledigt sein. „Es ist denkbar, dass sich noch vereinzelt weitere Personen melden“, hielt das Ministerium fest.

Neun der elf Hinterbliebenen jener vier Personen, die der Attentäter getötet hat, sind aus Mitteln des Terroropferfonds entschädigt worden. Sie haben insgesamt knapp über 450.000 Euro erhalten. Bei zwei Angehörigen sei jeweils noch ein Gutachten ausständig. In einem Fall wurde aber schon ein fünfstelliger Euro-Betrag als Vorschuss ausbezahlt.

„Vieles musste neu gedacht und erarbeitet werden“

Neben dem Opferfonds sind bisher auch knapp 300.000 Euro gemäß Verbrechensopfergesetz (VOG) ausbezahlt worden. 116 Anspruchsberechtigte erhielten diverse Hilfeleistungen, in 93 Fällen wurde eine Pauschalentschädigung für Schmerzensgeld zuerkannt. Psychotherapeutische Betreuung, die für etliche Überlebende des Attentats unerlässlich war, konnte über das VOG beim Sozialministeriumsservice beantragt werden.

Der IS-Sympathisant hatte bei seinem neunminütigen Anschlag in der Innenstadt 17 Menschen angeschossen, wovon 13 mit dem Leben davonkamen. Zehn weitere verletzten sich auf der Flucht oder durch Glassplitter. Der Attentäter wurde bei dem Anschlag von Einsatzkräften erschossen. Etliche Personen, die damals in der Innenstadt unterwegs waren oder in Lokalen bzw. Gastgärten saßen – es war ein lauer und der letzte Abend vor einem weiteren coronabedingten Lockdown – litten danach unter den psychischen Folgen jener Nacht und taten sich schwer, die traumatischen Ereignisse zu verarbeiten. Sie benötigten Hilfe.

„Die Arbeit mit Terroropfern stellte für alle Beteiligten über weite Strecken Pionierarbeit dar. Vieles musste neu gedacht und erarbeitet werden. Das reichte von der Opferdefinition im Zusammenhang mit einem Terroranschlag bis zu den Kriterien, die den finanziellen Hilfeleistungen zugrunde gelegt werden“, hatte Weißer-Ring-Geschäftsführerin Natascha Smertnig erst vor einigen Wochen gegenüber der APA festgestellt.

Amtshaftungsklage gegen die Republik läuft noch

In zwei Fällen haben die Hinterbliebenen auch eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich eingebracht. Die Anwälte vertraten den Standpunkt, dass der Anschlag hätte verhindert werden können, wäre es im Vorfeld nicht zu behördlichen Versäumnissen gekommen, die später die Zerbes-Kommission im Auftrag von Innen- und Justizministerium aufdeckte.

Beide Klagen wurden vom Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen (ZRS) in erster Instanz abgewiesen. In einem Fall verzichtete der Anwalt mit Verweis auf die Zahlung aus dem Terroropferfonds auf weitere Schritte. In dem zweiten Fall wurde aber am 25. Oktober Berufung eingelegt, bestätigte eine Gerichtssprecherin auf Anfrage. Damit ist jetzt das Oberlandesgericht Wien (OLG) am Zug.

Sechs mutmaßliche Helfer vor Gericht

Sechs mutmaßliche Helfer des getöteten Attentäters müssen sich derzeit in Wien vor Gericht verantworten. Der Prozess begann Mitte Oktober unter regem öffentlichem Interesse. Die Angeklagten bestritten den zentralen Vorwurf, in die terroristischen Pläne des Attentäters eingeweiht gewesen zu sein und diesen dabei unterstützt zu haben.