Randale am Reumannplatz
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Chronik

Heikle Debatte über kriminelle Asylwerber

Ein Afghane als mutmaßlicher Vergewaltiger, Halloween-Randale in Linz, eine Schutzzone am Keplerplatz: Es gibt unbestrittenn Probleme, doch können Asylwerber nicht pauschal dafür verantwortlich gemacht werden. Ein Experte rät zu genauerem Hinsehen.

Im Fall um die Vergewaltigung einer 18-Jährigen in der Vorwoche gilt ein 22-jähriger Afghane als Verdächtiger. Sein Asylverfahren wurde negativ abgeschlossen. Er kann aber nicht abgeschoben werden, solange ihm in seinem Heimatland Gefahr droht. Solange ist er in Österreich subsidiär Schutzberechtigter, also geduldet. Auf Anraten seines Anwalts schweigt der Mann. Ob der wegen Körperverletzung und Diebstahl amtsbekannte Mann auch in eine zweite Vergewaltigung in Favoriten verwickelt ist, ist laut Polizei offen. DNA-Spuren würden noch ausgewertet.

Ebenfalls noch im Laufen sind die Ermittlungen nach einer Vergewaltigung am Praterstern. Die ausgeforschten zwei syrischen Jugendlichen, die vor dem Damen-WC „Schmiere“ gestanden haben sollen, schweigen ebenfalls. Ebenfalls noch in Erinnerung ist jener Fall, indem drei Afghanen eine Frau auf der Praterstern-Toilette mehrfach vergewaltigt haben sollen. Auf dem Keplerplatz umzingelte im Sommer eine Gruppe marokkanischer Asylwerber zwei Frauen und belästigte diese sexuell. Als Konsequenz wird eine Schutzzone eingerichtet.

Regelungen in der Praxis oft zahnlos

Auch außerhalb Wiens kommt es zu Straftaten, etwa jüngst zu Halloween in Linz. Polizisten werden mit Steinen beworfen, die Bilder erinnern an Straßenschlachten. Bei den randalierenden Jugendlichen handelte es sich laut Polizei in der Mehrzahl um junge Asylwerber und Asylberechtigte aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Rufe nach Konsequenzen werden hier wie dort laut.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) will gegen kriminelle Asylwerber und Asylberechtigte mit raschen Ablehnungs- und Aberkennungsverfahren vorgehen – freilich erst nach rechtskräftigen Urteilen. Kritiker werfen ein, die „geduldeten“ verurteilten Täter würden auch ohne Aufenthaltsberechtigung grundversorgt und – so wie im Fall des mutmaßlichen Vergewaltigers in Wien – in Länder wie Afghanistan und Syrien faktisch nicht abgeschoben. Das Ganze sei also zahnlos.

Gemeinsame Sorgen der Bevölkerungsgruppen

Über straffällig werdende Asylwerber zu sprechen, ist ein sehr emotionales Thema. Dem pflichtet auch Integrationsexperte Kenan Güngör im „Wien heute“-Gespräch bei. Er betonte zunächst, dass nur „der kleinste Teil“ Asylsuchender kriminell werde. Doch dieser „kleinste Teil ist viel größer als bei der Mehrheitsbevölkerung. Und diese 0,1 bis 1 Prozent, die wir dort haben, die sind sichtbar“.

Aber gerade Gewalt und Vergewaltigungen ließen niemanden kalt, nicht nur die Mehrheitsbevölkerung, so Güngör weiter, „sondern es lässt auch die Migrationsbevölkerung nicht kalt, weil sie sind genauso darüber entsetzt“. Er bekomme sehr viele Zuschriften, gerade auch von Afghanen, „die sagen, wenn da nur einer sozusagen Mist baut, müssen wir, haben wir morgen die Anklage überall“. Es gebe also in beiden Bevölkerungsgruppen gemeinsame Sorgen, Überschneidungen, und hier müsse man ansetzen.

Mitläufer machen Problem größer als es ist

Prinzipiell verwies Güngör auf ein altbekanntes Phänomen der Jugendkultur, das Austesten von Grenzen, Rebellion, Lust, etwas Subversives zu machen. In Fällen wie etwa in Linz müsse man genauer hinschauen. Hier halte er es für falsch, von 200 gewalttätigen Jugendlichen zu sprechen. Selbst in den Polizeiberichten sei von einem Kern die Rede, der die Konfrontation mit der Polizei gesucht habe. Dann kämen noch die Trittbrettfahrer dazu.

Dann aber dürfte mindestens die Hälfte der Jugendlichen zu der Gruppe gehören, „die rausgegangen sind, um ein bisschen Abenteuer zu sehen, aber die überhaupt eigentlich nicht mit der Situation, wie sie dann entsteht, damit zurechtfinden. Und die laufen dann mit. Und deswegen, glaube ich, sieht das Problem, ohne es zu verharmlosen, aber größer aus, als es in der Realität ist“.

In diesem Zusammenhang verwies Güngör auch auf ein neues Phänomen. Jugendgruppen seien nicht in festen Gangs organisiert, sondern über digitale Medien in losen Netzwerken. Dabei komme es zu etwas ähnlichem wie bei Flash Mobs: Innerhalb kürzester Zeit könne eine Gruppe über Social Media zu Krawallen aufrufen. Damit würden aber auch viele Jugendliche erreicht, „die eigentlich nur sozusagen zuschauen wollten, aber dann mitgehangen, mitgefangen sind“.