Christoph Chorherr im Landesgericht
APA/Georg Hochmuth
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Politik

Chorherr bekennt sich nicht schuldig

Der frühere Wiener-Grüne-Politiker Christoph Chorherr wird sich nicht schuldig bekennen. Das kündigte sein Anwalt Richard Soyer zum Auftakt des Prozesses im Wiener Landesgericht an. Geständnisse werden in dem Verfahren auch von den Mitangeklagten nicht zu erwarten sein, so die Verteidiger am Dienstag.

Chorherr muss sich mit neun weiteren Angeklagten vor einem Schöffensenat verantworten. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft ihm und anderen rund um Spenden an seinen karitativen Verein Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit vor. Der heutige Tag dürfte ausschließlich im Zeichen der Eröffnungsplädoyers stehen. Zu Beginn wurden die Angeklagten gebeten, ihre Daten anzugeben. Auf die Frage nach seinem Beruf gab Chorherr an: „Ich bin Angestellter.“ Er hat sich zuletzt aus der Politik zurückgezogen und ist als Bäcker in Wien tätig.

Laut der Anklage soll Chorherr Projekte von Spendern günstiger behandelt haben – zudem habe er über diese Projekte im Gemeinderat mit abgestimmt – obwohl er sich hätte enthalten müssen. Die Anklage umfasst Spenden in der Höhe von insgesamt 1,6 Millionen Euro. Chorherr selbst hat diese Vorwürfe immer bestritten.

Chorherr Prozess startet

Am Dienstag hat der Prozess um den ehemaligen Grünen-Politiker Christoph Chorherr begonnen. Chorherr wird Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit vorgeworfen.

Neun weitere Angeklagte

Der frühere Gemeinderatsabgeordnete, der unter anderem Planungssprecher seiner Fraktion war, soll von namhaften Immobilienunternehmen Zahlungen für einen von ihm initiierten gemeinnützigen Verein gefordert oder angenommen haben. Die Spender sollen sich im Gegenzug Vorteile bei Widmungsverfahren versprochen haben. Die WKStA wirft Chorherr Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit, den prominenten Unternehmern Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Bestechung in unterschiedlichen Beteiligungsformen vor.

Neben Chorherr gibt es neun weitere Angeklagte aus der Immobilien- und Investorenszene, von Michael Tojner über Rene Benko bis zu Erwin Soravia, Günter Kerbler und etwa Wilhelm Hemetsberger. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft spendeten die neun Mitangeklagten nur deshalb großzügig, weil sie sich Vorteile vom Amtsträger Chorherr bei Widmungsverfahren für Immobilienprojekte versprachen. Sie weisen die Vorwürfe ebenfalls zurück.

ORF-Analyse: Christoph Chorherr vor Gericht

ORF-Reporter Maximilian Biegler hat den Auftakt des Prozesses gegen Christoph Chorherr und neun weitere Angeklagten verfolgt. Er spricht über erste Inhalte, die Staatanwaltschaft und Verteidigung im Wiener Straflandesgericht vorgetragen haben.

Anwalt: „Keine Ansinnen auf Gegengeschäfte“

Chorherr, so versicherte sein Verteidiger am Dienstag vor Gericht, sei der Meinung gewesen, dass man mit den Bürgern der Stadt auf Augenhöhe kommunizieren solle – auch mit Bauwebern. Er habe die Arbeitshypothese vertreten, dass nur so die Interessen der Stadt bestmöglich gewahrt werden könnten. Es sei ihm um qualitäts- und anspruchsvolle Projekte gegangen. Niemals seien Ansinnen an ihn gestellt worden, für Spenden Gegenleistungen zu erbringen. Es sei immer mit offenen Karten gespielt worden.

„Dass Unternehmer berechtigte Interessen verfolgen, ist legitim“, befand Soyer. Aber die Vorgänge würden keine Anklage rechtfertigen. Der Anwalt begründete die Tatsache, dass 2011, also kurz nach Regierungseintritt der Grünen in Wien, die Spenden angestiegen seien: Das habe damit zu tun, dass Chorherr ab diesem Zeitpunkt öffentlichkeitswirksamer aufgetreten sei.

„Spekulationen zu Lasten des Angeklagten“

Jedoch habe sich Chorherr schon 2003 bzw. 2004 für „diese Sache“ entschieden, konkret für sein Engagement in Afrika. „So einfach kann man es sich nicht machen“, bekrittelte der Anwalt die Anklageschrift. „Es sind nur Spekulationen zu Lasten des Angeklagten.“ Es hätten auch nicht wohlhabende Personen gespendet, hob er hervor. Dass Unternehmer solche Projekte mitfinanzieren, sei ebenfalls nicht unanständig. Chorherr sei es um das Gemeinwohl gegangen. Den Prozess kritisierte Soyer als „Hochamt“.

 Immobilieninvestor Rene Benko mit Maske
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Mitangeklagter Immobilieninvestor Rene Benko

WKStA: „Ohne Chorherr kein Projekt“

Der Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sah das völlig anders. Jeder in Wien habe gewusst, dass man gegen Spenden bekomme, was man wolle. Dafür gebe es nun Beweise. Konversationen von Tojner würden etwa belegen, dass davon ausgegangen worden sei, dass man Einfluss auf die Politik nehmen könne, „um sein Projekt durchzubringen“. „Ohne Magister Chorherr kein Projekt, so einfach ist das“, zeigte sich der Anklagevertreter überzeugt. „Zeigen Sie uns, dass der Kampf gegen Korruption kein sinnloser ist“, bat er die Schöffen.

Ganz fehlerfrei sei das Vorgehen seines Mandanten nicht gewesen, befand selbst der Verteidiger. Chorherr hätte die Vereinsobmannschaft schon vor 2011 zurücklegen müssen. Die Botschaft sei angekommen. Das sei „nicht zeitgemäß“, es sei sogar falsch gewesen, das nicht schon früher zu tun. Darum habe man im Verfahren auch um Diversion angesucht. Diese wäre rechtlich zulässig gewesen, ohne Schuldspruch und unter Wahrung der Unschuldsvermutung.

Im Mittelpunkt stand bei den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft der gemeinnützige Verein S2Arch. Den hatte Chorherr ins Leben gerufen, um Schul- und Kindergartenprojekte in Südafrika aufzubauen. Währenddessen war Chorherr Wiener Gemeinderat.

Heumarkt-Projekt im Zentrum der Vorwürfe

Anwalt Karl Liebenwein führte für seinen Mandanten Michael Tojner aus, warum die Anklage seiner Ansicht nach zu Unrecht erhoben wurde. Im Zentrum der Vorwürfe steht das – berühmte und nicht unumstrittene – Heumarkt-Projekt beim Hotel „Intercontinental“. Dieses Verfahren habe sich über viele Jahre gezogen, betonte der Verteidiger. Und alle Schritte seien stets öffentlich und transparent durchgeführt worden. Tojner habe das Areal revitalisieren wollen. „Die Idee entspricht seiner Begeisterung für Architektur und Stadtgestaltung.“

Viele Personen seien damit befasst gewesen, nicht nur Chorherr. Dieser sei ein Gemeinderatsmitglied wie 99 andere gewesen, sagte Liebenwein. Der Flächenwidmungsbeschluss im Gemeinderat sei 2017 erfolgt. Spenden und Zuwendungen an den Verein bzw. das afrikanische Schulprojekt Ithuba seien nicht in Zusammenhang damit gestanden. „Es gibt nicht einen einzigen Ermittlungsschritt in diese Richtung.“

Tojner-Spende bei Geburtstagsfest

Tojner habe bei einem Geburtstagsfest für – den ebenfalls angeklagten – Unternehmer Erwin Soravia bzw. deren Schwester auf Bitte der Ausrichter des Festes für soziale Zwecke gespendet. Später, also erst nach dem Beschluss im Gemeinderat, habe er privat dem Ithuba-Projekt geholfen. Damals habe es schon Ermittlungen gegeben, viele Unterstützer seien daraufhin abgesprungen. Tojner habe sich bemüht, den Schulbetrieb zu sichern.

Wiederholt verwiesen die Verteidiger am Dienstag auch auf Ausführungen in der Anklageschrift zum Aufgabengebiet Chorherrs – und zwar mit der Bitte um Richtigstellung. Der Politiker wird unter anderem als Mitglied der Stadtregierung, Planungsstadtrat oder auch nicht amtsführender Stadtrat bezeichnet. Tatsächlich übte er zum inkriminierten Zeitpunkt, also ab 2011, aber keine dieser Funktionen aus. Nicht amtsführender Stadtrat war er früher in der Opposition. Nach dem Regierungseintritt 2010 erhielten die Grünen das Planungs-und Verkehrsressort. Als Stadträtin fungierte jedoch Maria Vassilakou bzw. später Birgit Hebein. Chorherr war Gemeinderatsmandatar.

Spendenaktion „keine klandestine Aktion“

Erwin Soravias Verteidiger Norbert Wess ging näher auf die inkriminierte Geburtstagsfeier für die Zwillingsgeschwister in den Sofiensälen ein. Sie hat nicht nur Tojner, sondern auch zwei weiteren Angeklagten, darunter einem Vorstand der Soravia-Gruppe, Vorwürfe eingebracht. Die Gäste beim großen Fest 2017 sind demnach ersucht worden, zu spenden. Zur Auswahl sei ein österreichisches Projekt und eben Ithuba gestanden. Man konnte damals direkt Zuwendungen tätigen oder Kunstwerke kaufen, wie Wess ausführte.

Ithuba sei der Familie Soravia bekannt gewesen, weil man immer wieder soziale Projekte unterstützt habe. Der Verein sei in der Einladung erläutert worden, es habe sich um keine „klandestine“ Aktion gehandelt. Ein Zusammenhang etwa mit dem vom Unternehmen betriebenen Wohnturmprojekt „Triiiple“ im dritten Bezirk bestehe nicht, beteuerte der Anwalt. Diese seien zwei Jahre vorher bewilligt worden.

Anwälte betonen rechtmäßige Abläufe

Der Anwalt des Immoentwicklers Kerbler, Johann Pauer, erläuterte wiederum die Geschehnisse rund um ein Projekt in der Seestadt Aspern. Für dieses sei eine Ausnahme von einer Bausperre gewährt worden, was jedoch ein Formalakt sei, wie versichert wurde. Denn für das Areal in dem Stadtentwicklungsgebiet habe es noch keinen Bebauungsplan gegeben. Objekte, die dort errichtet worden sind, hätten deshalb solche Ausnahmen benötigt. Das habe auch andere Gebäude betroffen. Spenden an den Verein seines langjährigen Freundes Chorherr habe Kerbler unabhängig davon getätigt.

Ein Projekt am Wiener Hauptbahnhof steht im Mittelpunkt der Vorwürfe gegen Benko bzw. die Signa-Gruppe. Verteidiger Stefan Prochaska betonte nicht nur, dass Benko zum damaligen Zeitpunkt nicht mit Chorherr in Kontakt gewesen war, sondern verwies auch auf den – wie er beteuerte – völlig rechtmäßigen Ablauf der entsprechenden Ausschreibung bzw. der anschließenden Widmung. Diese sei keinesfalls eine „Wunschwidmung“ gewesen, sondern eine Festlegung der Bebauungsbestimmungen. Eingereicht hätten unter anderem Signa und die ÖBB. Für Ithuba hat Benko laut seinem Rechtsvertreter 100.000 Euro gespendet. Die Empfehlung sei von einem seiner Finanzberater, Wilhelm Hemetsberger, gekommen, der sich sehr für die Initiative eingesetzt habe.

Fortsetzung am Montag

Benko bzw. Signa würden seit vielen Jahren immer wieder verschiedene Einrichtungen unterstützen, erläuterte sein Anwalt. Das habe Hemetsberger gewusst, der Benko darum auf Ithuba angesprochen habe. Hemetsberger selbst gehört ebenfalls zu den Angeklagten in dem Großverfahren. Dessen Anwalt Michael Rami hob hervor, dass Hemetsberger schon viel Geld in sein „Lebensprojekt“ investiert habe. Die strafrechtlichen Vorwürfe wies er zurück. Der Prozess wird am Montag – erneut im großen Schwurgerichtssaal – fortgesetzt. Dann werden auch erste Einvernahmen der Angeklagten auf dem Programm stehen. Insgesamt wurden bis zum 20. Dezember elf Verhandlungstage anberaumt.