Erika Freeman
APA/Roland Schlager
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Kultur

NS-Vertriebene übergab Schenkung an hdgö

NS-Vertriebene Erika Freeman hat am Montag persönliche Erinnerungsstücke und Dokumente dem Haus der Geschichte Österreich (hdgö) in Wien als Schenkung übergeben. Anschließend durfte die renommierte Psychoanalytikerin den Altan der Neuen Burg betreten.

Auf dem Balkon verkündete Adolf Hitler 1938 den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich. Es sei ihre „Rache an Hitler“, hieß es im Vorfeld. „Eine jüdische Rache, kein Blut, nur Freude, Freiheit und Hoffnung“, betonte Freeman. „Die haben gehofft, sie werden uns nie mehr wiedersehen“, sagte Freeman auf die Nationalsozialisten bezogen. „Aber der Herrgott ist ein lieber Kerl.“

Als Jüdin musste sie als Kind fliehen. „Jetzt stehe ich da“, lächelte die 95-Jährige, die seit heuer neben der amerikanischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Der Altan ist auch als „Hitler-Balkon“ bekannt. „Jetzt gehört der Balkon nicht mehr zu ihm“, so Freeman. Auf diesem stehe nun „die junge 95-jährige Dame, Jüdin, überlebt, zurückgekommen und liebt noch das Land“.

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Freeman ist seit Kurzem österreichische Staatsbürgerin

Altan als „schöner Ort“

„Man kann ein Land noch lieben, auch wenn es dich hasst“, sagte Freeman. „Das ist uns passiert. Aber das Land ist die Menschen. Und wenn sich die Menschen ändern, ändert sich das Land. Die Frage ist nur, ob man will.“ Der Altan sei „ein schöner Ort“. Freeman sprach sich dafür aus, ihn der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wofür sich das hdgö seit Längerem einsetzt. „So ein schöner Ort. Man entsorgt diese Schönheit nicht.“

Über jenen Tag im März 1938, als Hitler vor Tausenden begeisterten Österreicherinnen und Österreichern auf dem Heldenplatz sprach, sagte Freeman: „Er (Hitler) hat sehr laut geschrien. Man braucht nicht viel sagen, wenn man schreit. Man meint dann, dieser jemand hat etwas Wichtiges zu sagen – das ist aber nicht wahr. Wenn man schreit, weißt du genau, dass es nicht wichtig ist.“ Man solle auf die stillen Stimmen hören. Und: „Mach dich nicht wichtig, mach dich nützlich, dann bist du wichtig.“

Annäherung im hohen Alter

Freeman, begleitet von Margit Fischer („meine Heimatgeberin“), übergab u. a. Zeugnisse, den Nazi-Pass mit rotem J für Jüdin wie auch den österreichischen und das Ticket der Holland-Amerika-Linie, die sie im Februar 1940 von Rotterdam nach New York brachte, dem Museum. Für das Haus sei das „ein ganz besonderer Moment“, betonte Direktorin Monika Sommer. Die Überreichung finde in der Aktionswoche gegen Antisemitismus auf der Ausstellungsfläche „Hitler entsorgen – vom Keller ins Museum“ statt.

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Anschließend an die Übergabe durfte Freeman den Heldenplatz-Altan betreten

„Ich bin in Wien geboren, sie haben aber nicht zugelassen, lange Wienerin zu bleiben“, erzählte Freeman. Ihre Mutter konnte sich vor den Nazis verstecken, kam aber im Zuge von Kriegshandlungen 1945 ums Leben, der Vater flüchtete aus dem KZ Theresienstadt. Freeman wurde Psychoanalytikerin berühmter Persönlichkeiten. Im hohen Alter näherte sie sich ihrem Geburtsort wieder an.

„Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kinder viel von uns lernen“, mahnt sie. „Auch hassen. Und Hass ist nicht gesund.“ Zugleich sprach sich Freeman für Optimismus aus, auch wenn viele die Weltlage derzeit pessimistisch betrachten würden. „Wenn du etwas als schlecht empfindest, schau, ob das Licht irgendwo ist“, sagte sie. „Wenn du nur Mehl und Wasser hast, dann hast du schon Brot.“