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Szakaly – stock.adobe.com
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Gesundheit

Ärzte und Gesundheitsverbund im Clinch

Der Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) schießt scharf gegen die Wiener Ärztekammer. Der Vorwurf: Mit bisher 50 Gefährdungsanzeigen in den vergangenen Monaten betreibe die Kammer eine „Schmutzkübelkampagne“. Die Ärztekammer kontert: Der Vorwurf sei „absurd“. Es gebe auch keinen Ärztemangel.

Denn der Wiener Gesundheitsverbund habe erst unlängst – Ende Oktober – in einer Dienstanweisung selbst explizit dazu aufgefordert, Gefährdungsanzeigen zu machen, wenn es notwendig sei, sagte Stefan Ferenci, Obmann der Kurie angestellte Ärzte, am Dienstag gegenüber Radio Wien. Er wies auch den Vorwurf des WIGEV zurück, dass Ärzte angeblich in eigens von der Kammer veranstalteten Seminaren dazu motiviert werden, Gefährdungsanzeigen zu verfassen. Man berate nur, damit alles rechtlich korrekt sei, so Ferenci. In Kürze solle es auch eine eigene Website dafür geben.

Ärztekammer gegen Gesundheitsverbund

Der Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) schießt scharf gegen die Wiener Ärztekammer. Der Vorwurf: Mit Dutzenden Gefährdungsanzeigen in den vergangenen Monaten betreibe die Kammer eine „Schmutzkübelkampagne“.

Hacker: „Kann keine Ärzte und Pflegekräfte herbeizaubern“

Diese Anzeigen seien laut dem zuständigen Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) dazu da „um Engpässe aufzuzeigen“, so Hacker im „Wien heute“-Interview. „Das ist ein Organisationsinstrument, und zwar ein internes, das die rund 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wiener Gesundheitsverbund nutzen können, damit sie rechtzeitig informieren können mit diesen Gefährdungsanzeigen, oder wie wir es nennen ‚Sorgeninstrument‘, wenn es im Bereich Probleme gibt. Und dieses Instrument sollte auch intern besprochen werden und nicht in der Öffentlichkeit“, so Hacker.

Die Ärztekammer mache keinen Hilferuf, sondern würde Schuldzuweisungen öffentlich austragen, so Hacker. Hier würden zwar Interessen vertreten werden – was verständlich sei – aber „anhand einer Schmutzkübelkampagne“. Es sei schon lange bekannt und klar, dass es im Gesundheitsbereich einen Personalmangel gibt, allerdings wäre Wien mit der Verdoppelung der Ausbildungsplätze „auf einem guten Weg“ dagegen anzukämpfen.

Gesundheitsstadtrat Hacker über Ärztemangel

Der Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) spricht unter anderem über die Engpässe in der Organisation und was er dagegen unternimmt. Des Weiteren berichtet er warum der Job als Spitalsarzt so unattraktiv rüberkommt.

Ebenso würde eine hohe Pensionswelle „mitspielen“. „Hinten nach“ sei man bei der Pflegereform allerdings nicht. „Wir brauchen strukturelle Maßnahmen. Ich kann jetzt keine Ärzte oder Pflegekräfte herbeizaubern“, führte Hacker fort. Hacker betonte, dass der Gesundheitsbereich in einer österreichweiten Gesetzgebung eingebunden ist und forderte vom Gesundheitsministerium eine Erhöhung der Ausbildungskapazität, um die Spitäler österreichweit zu entlasten.

WIGEV: „Startschuss für Schmutzkübelkampagne“

Die Wiener Ärztekammer habe mit ihrem Aufruf zur Verfassung von Gefährdungsanzeigen „offenbar den Startschuss für eine regelrechte Schmutzkübelkampagne“ gegeben, sagt unterdessen Evelyn Kölldorfer-Leitgeb, Generaldirektorin des Wiener Gesundheitsverbundes, in einer Aussendung am Dienstag. „Die Aktionen werden mit Sicherheit nicht dazu beitragen, dass sich mehr Menschen für die Arbeit in unseren Kliniken entscheiden. Das Bild, das damit erzeugt wird, ist fatal“, so Michael Binder, Medizinischer Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes.

Kölldorfer-Leitgeb rief zur konstruktiven Mitarbeit auf: „Die Standesvertretung der Ärztinnen muss endlich Teil der Lösung werden, anstatt ausschließlich auf Probleme hinzuweisen.“ Der Gesundheitsverbund spricht von einem Fachkräftemangel, der das Personalproblem in den städtischen Spitälern ausgelöst habe.

Ärztekammer: „Gibt genug Fachkräfte“

Die Ärztekammer sieht das ganz anders. Es gebe genug Ärzte und auch Pflegepersonal, und es habe auch keine Pensionierungswelle gegeben. Vielmehr seien es die schlechten Arbeitsbedingungen in den städtischen Spitälern, die viele Ärzte und Pflegekräfte dazu bewegen, zu kündigen und woanders zu arbeiten.

Uneinigkeit herrscht auch, was die Ärzteausbildung betrifft: So forderte der WIGEV die Ärztekammer unter anderem auf, den strikten Ausbildungsschlüssel bei Mangelfächern zu erweitern. Die Ärztekammer ist aber dagegen. Denn wenn der Ausbildungsschlüssel erweitert werde, dann müsse ein Facharzt mehr Auszubildende betreuen als jetzt, und das neben seiner eigentlichen Arbeit, die dann zu kurz käme, so Ferenci gegenüber Radio Wien. Das wiederum bedeute in der Folge eine Verschlechterung der Patientenversorgung, kritisierte Ferenci.

Mehr Wahlärzte als „Symptom, nicht Ursache“

Ein Ansatz, um in Mangelfächern mehr Ärzte auszubilden, sei die Ausweitung der Lehrpraxen im niedergelassenen Bereich, meinte er und kritisierte, dass der Gesundheitsverbund nichts versuche, um das Personal, das abgewandert sei, zurückzuholen.

Eine steigende Zahl an Wahlärzten sei nicht die Ursache, sondern das Symptom für den Personalmangel in den städtischen Spitälern. Dort gehörten die Arbeitsbedingungen verbessert: Ferenci forderte eine adäquate Bezahlung für Nacht- und Wochenenddienste und die Möglichkeit, auch unter 20 Stunden Arbeitsverträge abschließen zu können.

WIGEV sieht bei Studiumszulassung Bund in der Pflicht

„Besonders in medizinischen Mangelfächern wäre eine rasche Erweiterung des Ausbildungsschlüssels und eine Anpassung der Ausbildung vonnöten,“ forderte unterdessen Binder. Und auch der Bund sei in der Pflicht. „Im letzten Studienjahr haben sich in Österreich rund 16.000 Personen zum Aufnahmetest fürs Medizinstudium angemeldet. Nur 1.850 (1.706 Humanmedizin und 144 Zahnmedizin) von ihnen wurden zum Studium zugelassen“, so Binder weiter. „Wir brauchen einerseits eine verlässliche Prüfung des zukünftigen Bedarfes für die einzelnen klinischen Sonderfächer und ein darauf abgestimmtes Zulassungsverfahren, die nicht ausschließlich auf dem Ergebnis eines Fragebogentests beruhen.“