Chronik

Rip-Deal-Bande mit Millionenschaden

Einer Rip-Deal-Betrügergruppe ist in den vergangenen Monaten das Handwerk gelegt worden. Auf das Konto des Familienclans gehen zumindest vier vollendete Taten, bei denen Opfer in Deutschland um insgesamt über eine Million Euro erleichtert wurden.

Der Haupttäter wurde im September in Wien verurteilt. Die Amtshandlung der Gruppe Goldnagl – die in der Außenstelle Zentrum Ost des Wiener Landeskriminalamtes angesiedelte Rip-Deal Unit Vienna – nahm im Jänner des Vorjahres ihren Lauf. Beamte der Zentralen Kriminalinspektion (ZKI) 32/Bandenkriminalität des Polizeipräsidiums Südosthessen in Offenbach nahmen verstärkt Aktivitäten von Rip-Dealern wahr, die Anbieter von Immobilien ins Visier nahmen.

Dabei stellten sie fest, dass im Laufe des ersten Halbjahres 2021 zumindest vier Opfer erleichtert wurden. Und sie kamen im Zuge ihrer Ermittlungen dahinter, dass vermutlich eine österreichische Gruppierung hinter den Betrügereien steckte. So schalteten sie die Rip-Deal Unit Vienna ein, wie Gerald Goldnagl und Valentin Szaga-Doktor am Dienstag erläuterten. Die Operation „EV Wallet“ nahm ihren Lauf.

Weitere Betrügereien verhindert

Im Zuge der umfangreichen Ermittlungen wurde verhindert, dass weitere von den Betrügern kontaktierte Verkaufswillige um Geld erleichtert wurden. Darüber hinaus wurde der vom Wiener Speckgürtel aus agierende 34-jährige Hauptverdächtige, ein österreichischer Staatsbürger mit serbischen Wurzeln, und ein 31-jähriger serbischer Staatsbürger als Mitglieder der Clanfamilie identifiziert.

Dazu machten die Ermittler in Zusammenarbeit mit ihren Offenbacher Kollegen und weiteren Dienststellen, unter anderem Europol, Eurojust und Interpol, aber auch Polizeidienststellen in Italien, sechs weitere, aber namentlich nicht bekannte Mitglieder der Gruppe aus.

In Rom festgenommen

Der Haupttäter wurde schließlich im Juni diesen Jahres in Rom festgenommen und nach Österreich ausgeliefert, wo er im September in Wiener Neustadt nach einem umfassenden Geständnis vier Jahre Haft bekam. Die Gruppe ging dabei so vor, dass sie als Geschäftspartner und Vertreter von Kaufwilligen auftraten und für die Vermittlung des Immobilienverkaufs eine über Kryptowährung zu bezahlende Provision in der Höhe von rund zehn Prozent verlangten.

Betrug mit erlangten Passwörtern

Den normalerweise mit Bitcoin und Co nicht so vertrauten Opfern richteten sie eine sogenannte Wallet ein – oder unterstützten sie dabei zumindest – und holten sich so den Zugang zu den Passwörtern. Die Opfer sollten die vereinbarte Provision in die jeweilige Blockchain stellen und den Tätern einen Screenshot schicken, die zuvor schon gefälschte Beweise über die angebliche Übermittlung der Summe für die Immobilie gestellt hatten.

Mit den illegal erlangten Passwörtern für die Wallets zogen die Betrüger die Bitcoins ab, der versprochene Vertrag über den Verkauf kam nie, das Geld für die Immobilie gab es ebenfalls nicht. In einem Fall war der Betrogene um 700.000 Euro ärmer, dabei ging es um eine Finca in Spanien.

Unmündiger gab sich als Frau aus

Ein weiteres Detail: Als Anbahner hatten die weitschichtig verwandten Täter einen Unmündigen angelernt, der sich als eine Frau ausgab. Der Rest des Rip-Deals lief „klassisch“ ab. Die Opfer wurden ins Ausland gelockt, wo ihnen mit teurem Zwirn und Luxusuhren der Reichtum der angeblichen Käufer vor Augen geführt und sie mit Spitzenklassehotels, Luxusrestaurants und ebensolchen Limousinen hofiert wurden. Zahlen mussten die Opfer für diesen Service natürlich keinen Cent.

In einigen Fällen wird den Opfern von Rip-Dealern im Zuge solcher vertrauensbildender Treffen ein Nebengeschäft mit einem kleinen Gewinn zugestanden, schilderten Goldnagl und Szaga-Doktor. Bei den anderen drei vollzogenen Betrugsfällen ging es um rund 200.000, rund 100.000 und rund 50.000 Euro. Der Gesamtschaden lag bei 1.056.000 Euro. Die Betrogenen sehen von dem Geld in aller Regel nichts mehr. Die ergaunerten Summen werden schnell unter den Beteiligten aufgeteilt und gewaschen.

Alte Masche

Rip-Deals sind kein neues Phänomen, wie Goldnagl erläuterte. Diese Deliktform wird seit etwa 40 Jahren beobachtet. Opfer zu finden wurde aber im Internetzeitalter um einiges leichter. Die Rip-Deal Unit Vienna wurde im Mai 2020 nach drei spektakulären Fällen offiziell gegründet. Sie analysiert Fälle in ganz Europa – bisher 443.

Bei den von der Unit betreuten Ermittlungen zu heimischen Fällen ging es um bisher mehr als zehn Millionen Euro Schaden. Derzeit ist die Unit in 87 Fälle involviert. 14 Festnahmen gehen auf das Konto der Unit, fünf der Verdächtigen sitzen im Ausland in U-Haft. 63 wurden ausgeforscht. Geklärt wurden Fälle mit 14,6 Millionen Euro Schaden.