Eine Wienbox vom Betreiber A1 und Localstorage
ORF/Matthias Lang
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Wirtschaft

Endstation Box: Der letzte Weg der Pakete

Jährlich werden in Wien Millionen Pakete geliefert, ein großer Teil davon in den nächsten Wochen. Besonders wichtig bei der Zustellung ist der letzte Abschnitt – die letzte Meile. Dort kündigen sich Änderungen an. Es ist sogar offen, ob die Pakete zukünftig bis nach Hause geliefert werden oder in Empfangsboxen enden.

Im Jahr 2030 sollen nach Schätzungen der Wiener Wirtschaftskammer rund 200 Millionen Pakete pro Jahr zugestellt werden, im Vorjahr waren es schon rund 128 Millionen. Mit dem steigenden Paketaufkommen nimmt auch der Lieferverkehr in den Städten zu – ein Problem für das Klima in Zeiten, in denen der Klimaschutz eine wichtige Rolle spielt. Bis 2040 soll ganz Österreich bekanntlich klimaneutral sein. Das führt zu notwendigen Adaptierungen auf der letzten Meile, also dem Weg vom letzten Verteilzentrum zur Kundin oder zum Kunden.

„Die letzte Meile ist der teuerste und ineffizienteste Teil der Lieferkette“, sagt Andreas Breinbauer, Rektor der FH des BFI Wien. Er forscht an der FH zum Transportwesen. Auf der letzten Meile sieht er ein wirtschaftliches Thema, ein Thema der Nutzerfreundlichkeit und ein Umweltthema. Das wirtschaftliche Thema ist leicht erklärt: Während auf der Mittel- und Langstrecke eine große Menge an Paketen mit nur einem Flugzeug, Zug oder Schiff transportiert wird, reduziert sich das auf der letzten Meile enorm. Studien würden zeigen, dass über 50 Prozent der gesamten Lieferkosten hier entstehen.

Paketchaos im Winter
ORF.at/Christian Öser
Besonders vor Weihnachten steigt die Paketmenge und damit auch die Anzahl der Lieferfahrzeuge auf den Straßen

Lieferdienste müssen häufig zweimal zustellen

Weil weniger Pakete mit einem Fahrzeug transportiert werden können, steigt natürlich auch die Belastung für die Umwelt. Zwar gibt es schon einzelne Möglichkeiten, emissionsfrei zuzustellen, doch oft kommen noch Dieselfahrzeuge zum Einsatz, erklärt der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Würden wenigstens alle Pakete im ersten Anlauf zugestellt, wäre es halb so schlimm. Schätzungen sprechen allerdings davon, dass nur 60 bis 70 Prozent der Zustellversuche erfolgreich sind. In den anderen Fällen müssen die Lieferdienste entweder ein zweites Mal zustellen oder zu einem Paketshop fahren.

Das beeinflusst auch die Nutzerfreundlichkeit. Breinbauer meint vereinfacht: „Man müsste sich eigentlich einen Urlaubstag nehmen, um das Paket entgegenzunehmen.“ Er spielt auf die üblichen Zustellzeiten zwischen 9.00 und 17.00 Uhr an, während derer ein Großteil der Bevölkerung nicht zu Hause ist. Wie kann man diese drei Probleme lösen? Expertinnen und Experten sehen zwei mögliche Ansätze.

Verteillager in der Stadt

Eine Möglichkeit ist die Einrichtung von „City-Hubs“ – also Zwischenlagern in den innerstädtischen Bereichen, wie sie immer wieder von Politik und Interessenvertretungen ins Spiel gebracht werden. Das Logistikunternehmen DPD Österreich betreibt seit sechs Jahren einen derartigen Hub in der Seestadt Aspern. Alle Pakete, die DPD in der Seestadt zustellt, werden in dieses Zwischenlager geliefert. Von dort erfolgt die Hauszustellung mit einem E-Lastenrad. Seit dem Start seien das rund 100.000 Pakete gewesen.

In größerem Rahmen pilotiert das Austrian Institute of Technology (AIT) einen „City-Hub“ derzeit in Graz. Unter dem Titel GrazLog gebe es dort eine zentrale Anlaufstelle für Lieferungen, erklärt Projektleiter Martin Reinthaler. „Es geht hauptsächlich um die Versorgung von innerstädtischen Betrieben, Büros und Geschäften“, erzählt er. Die Unternehmen können Tageszeiten und Wochentage definieren, an denen alle Bestellungen, die im „City-Hub“ ankommen, zugestellt werden. Die Zustellung erfolgt dann durch GrazLog emissionsfrei.

Ein E-Kleinlaster und ein E-Lastenrad des Projekts GrazLog
Stadt Graz/Urban
In Graz stellt ein „City-Hub“ die Pakete im innerstädtischen Bereich zu

Emissionsfreie Zustellung mit Fahrrädern

Emissionsfrei ist auch die Zustellung eines neuen Start-up. Liefergrün, schon länger in Deutschland tätig, versucht seit November auf dem umkämpften Wiener Paketmarkt Fuß zu fassen. 2.177 Klein-Transportunternehmen gibt es in Wien, dazu kommen 136 (Fahrrad-) Dienstbotenunternehmen. Liefergrün will die Zustellung effizienter machen. Die Empfängerinnen und Empfänger können einen fixen Lieferzeitpunkt auswählen, Mehrfachfahrten sollen vermieden werden. Zugestellt wird in Wien mit Fahrrädern und Elektroautos.

Die Pakete werden ins Lager in Wien-Margareten geliefert. Von dort erfolgt mit Lastenrädern die Zustellung in die Haushalte. Sascha Sauer, Managing Director bei Liefergrün, sieht in Wien aber noch Herausforderungen für die Radzustellung. „Wir würden gerne mehr Fahrräder nutzen, gerade im innerstädtischen Bereich oder um den Gürtel herum.“ Auf den überlasteten Radwegen wäre der Einsatz der Lastenräder mit Anhängern teilweise nicht sehr sicher. Es brauche eine Radinfrastruktur, in der privater und gewerblicher Fahrradverkehr Platz finden.

Haustürzustellung als Premium-Feature

„City-Hubs“ seien zwar ein wichtiger Baustein bei der Verkürzung der letzten Meile, meint Davor Sertic, Branchenobmann in der Wiener Wirtschaftskammer. Die Wirtschaftskammer schlägt dazu etwa prominente Standorte wie den Helden- und Schwedenplatz für unterirdische Lager vor, von wo dann die Pakete zu den Haushalten kommen. Aber: „So wie ich die Logistik sehe, wird es ein Premium-Feature sein, wenn ich das Paket direkt vor die Haustür haben will“, sagt Sertic. Er rechnet damit, dass die Zustellung in Paketboxen die Zukunft sein wird.

Standorte öffentlicher Paketboxen in Wien (WienBox), Stand Mai 2022

Hier läuft in Wien ein Pilotprojekt unter dem Namen WienBox. Betrieben wird es von den Wiener Lokalbahnen. Aktuell gibt es rund 400 Standorte in Wien, wobei nur 15 von WienBox selbst sind. Die übrigen werden von acht Partnerunternehmen wie A1 und Myflexbox betrieben. Hauptnutzerinnen und -nutzer sind laut Lokalbahnen Paketdienstleister und Empfängerinnen und Empfänger. Laut Breinbauer von der FH des BFI, der das Projekt wissenschaftlich begleitet, werden die Boxen gut angenommen.

In eine solche Box können allerdings nur Unternehmen zustellen, die mit den Betreibern kooperieren. „Sobald man als Empfänger*in die Sendungsankündigung vom Zustelldienst erhalten hat, bekommt man die Möglichkeit, das Paket an einen alternativen, vordefinieren Ort zustellen zu lassen. Also z. B. eine Paketstation, mit der der entsprechende Zustelldienst kooperiert“, so ein Pressesprecher der Wiener Lokalbahnen.

Eine Postempfangsbox neben Briefkästen
ORF/Matthias Lang
Bei neuen Wohnbauten werden Paketboxen vielfach mitgeplant, mancherorts wird auch nachgerüstet

Neutraler Betreiber für Box und Hub

Auch die fast 160 Abholstationen des größten österreichischen Lieferanten, der Österreichischen Post, sind nur für die Zustellungen der Post verfügbar. Einem Leitfaden des Klimaministeriums zufolge können solche Boxen aber auch als „White Label“-Systeme geführt werden. Das heißt, unterschiedliche Anbieter können sie nützen. In Österreich gibt es die Bestrebungen, diesen Paketboxen ähnlich einem Postfach eigene Adressen zuzuordnen. So soll die Zustellung erleichtert werden.

Auch für „City-Hubs“ sei ein neutraler Betreiber von Vorteil, sagt GrazLog-Projektleiter Reinthaler. „Das ermöglicht den Dienstleistern, auf Augenhöhe mit dem Mitbewerb zusammenzuarbeiten, ein neutraler Betreiber führt den Betrieb und die Zustellung auf der letzten Meile durch.“ Wie das in Wien künftig aussieht, darüber könnte auch ein geplanter Logistik-Masterplan der Stadt Auskunft geben. Der wurde im Regierungsübereinkommen zwischen SPÖ und NEOS fixiert und sollte bis 2022 entstehen. Die Stadt bat auf Rückfrage um Geduld.