Der Hauptangeklagte ehemalige Grün-Politiker Christoph Chorherr vor Beginn des  Verhandlungstages im Prozess
APA/Roland Schlager
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Chorherr: „Konnte nicht Einfluss nehmen“

Der Prozess gegen den ehemaligen Grünen-Politiker Christoph Chorherr sowie weitere neun Angeklagte ist am Montag in Wien fortgesetzt worden. Chorherr bekannte sich zum Auftakt wie angekündigt nicht schuldig. Er habe „überhaupt nicht formal Einfluss nehmen können“.

Dem Ex-Planungssprecher der Grünen wird zur Last gelegt, von namhaften Immobilienunternehmen Zahlungen für den Verein gefordert bzw. angenommen zu haben. Dieser unterstützt Hilfsprojekte in Afrika. Die Spender sollen sich im Gegenzug Vorteile bei Widmungsverfahren versprochen haben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Chorherr Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit, den Unternehmern Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Bestechung in unterschiedlichen Beteiligungsformen vor.

College mit Mitteln der Stadt errichtet

Chorherr schilderte in seinem Vortrag zunächst den Beginn seines Engagements in Südafrika. Er habe Mitte der 1990er Jahre beschlossen, angesichts des Endes des Apartheid-Regimes dort tätig zu werden. Der Wunsch sei gewesen, dort für Bildung zu sorgen. Er sei zum damaligen Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) „gestürmt“ – „in der Hoffnung, er ist so ein Sponti wie ich“. Das scheint der Fall gewesen zu sein: Laut Chorherr bat ihn Zilk, dorthin zu fahren und zu schauen, was man tun könne.

Mit Mitteln der Stadt sei ein College – das Masibambane College in Johannesburg – errichtet worden, das bis heute bestehe. Er sei vom Bürgermeister auch gebeten worden, regelmäßig das Projekt zu besuchen und den Mitteleinsatz zu überprüfen. Chorherr zeigte dem Schöffensenat Bilder der Schule in Johannesburg. Die Initiative sei mit europäischen Partnern wie Universitäten umgesetzt worden, erläuterte er.

Chorherr bekennt sich nicht schuldig

Der Prozess gegen den ehemaligen Grünen-Politiker Christoph Chorherr sowie weitere neun Angeklagte ist am Montag am Wiener Landesgericht fortgesetzt worden. Chorherr bekannte sich zum Auftakt wie angekündigt nicht schuldig. Er habe „überhaupt nicht formal Einfluss nehmen können“, sagte er.

„Hat nichts mit Immobilien zu tun“

Der Ex-Politiker verwies auch auf ein späteres, neues Vorhaben, das der nun ebenfalls auf der Anklagebank sitzende Unternehmer Wilhelm Hemetsberger finanziell unterstützt habe. Die größten Spenden würden bis heute von ihm kommen. „Und er hat nichts mit Immobilien zu tun“, hob Chorherr hervor. Hemetsberger habe sogar sein Unternehmen nach dem Projekt, nämlich Ithuba, benannt.

Mit dem damals zum selben Zeitpunkt stattfindenden Regierungseintritt der Grünen habe das alles nichts zu tun, beteuerte Chorherr. Die Spenden seien gestiegen, weil sich Hemetsberger engagiert habe. „Jetzt gibt es diese beiden Schulen“, hob Chorherr hervor. Er sei stolz darauf, es sei etwas Tolles realisiert worden. Geheim sei daran jedenfalls nichts gewesen.

„Nicht alles richtig gemacht“

2010 sei Maria Vassilakou grüne Planungsstadträtin geworden. Er selbst war Gemeinderat und Planungssprecher. „Ich habe überhaupt nicht formal Einfluss nehmen können“, so Chorherr. Alle Mitarbeiter der Planungsabteilung MA 21 seien „akribisch“ befragt worden. Diese hätten versichert, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen sei. Niemand habe angegeben, dass er irgendwann etwa bei Widmungen interveniert habe.

In „Lichtgeschwindigkeit“ hätte es das ganze Rathaus gewusst, wenn er das getan hätte. „Ich habe mich nicht einmal nicht sachgemäß verhalten.“ Jedoch: Er habe trotzdem nicht alles richtig gemacht, befand er. Er hätte die Vereinsobmann-Funktion zurücklegen müssen. Das nicht zu tun sei ein Fehler gewesen. Er habe unterschätzt – aus Naivität und aus Begeisterung für das Projekt –, dass das eine „schiefe Optik“ ergebe. Es gehe nicht nur darum, ob man korrekt handle, es gehe auch um den Anschein.

„Das tut mir jetzt wirklich leid“

„Das tut mir jetzt wirklich leid“, beteuerte Chorherr. Er habe jedenfalls niemals Vassilakou als Organ ersetzen können. Er habe mit Bauträgern über Stadtplanung gesprochen – etwa beim umstrittenen Heumarkt-Projekt. Dabei sei es aber immer um die Sache, also das Bauvorhaben und den öffentlichen Raum, gegangen. Er habe auch Beschlüsse initiiert, die diametral gegen die Interessen der Firmen gewesen seien, gab Chorherr zu bedenken. Er erwähnte hier die Verpflichtung zur Errichtung einer gewissen Anzahl von finanzierbaren Wohnungen bei größeren Projekten.

Alle betreffenden, in der Anklage angeführten Widmungen wären ohne Spenden jedenfalls genauso erfolgt, hielt er fest. Sein politisches Handeln sei nicht beeinflusst gewesen. Es habe aber auch kein Spender das verlangt. Begünstigt habe er nur jene 500 Kinder, die heute noch diese Schulen besuchen, versicherte Chorherr.

Grüne Stadtplanung „durchschaubar“

Auf Ersuchen von Richter Michael Tolstiuk legte Chorherr ausführlich dar, wie Widmungsverfahren im Rathaus ablaufen. Sie würden vom zuständigen Stadtrat bzw. der Stadträtin dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt. Meist würden die Verfahren federführend von den Beamten abgewickelt. Umstrittene Projekte werden laut dem Angeklagten aber auch auf höchster Ebene verhandelt. In besonderen Fällen hätten zu seiner Zeit die Planungsstadträtin Vassilakou und SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl eine Entscheidung getroffen.

Ob Vassilakou auch mit Chorherr als Planungssprecher in der Grünen-Fraktion Rücksprache gehalten habe, wollte der Richter wissen. „In heiklen Fällen ja“, antwortete Chorherr. Viel abstimmen habe man aber selten müssen, da grüne Stadtplanung „durchschaubar“ sei, wie er ausführte. Man forciere alternative Energieformen, setze sich für Radverkehr und für sozialen Wohnbau ein.

„Sonderfall“ Heumarkt

Als „Sonderfall“ bezeichnete er die Geschehnisse rund um Tojners Heumarkt-Projekt. Damals stimmte 2017 nicht die gesamte grüne Fraktion für die Widmung. Vassilakou habe sich trotzdem entschieden, das Projekt in den Gemeinderat zu bringen. „Ich meine, richtig“, sagte Chorherr. Denn es sei der Vorlage ein ordnungsgemäßes Widmungsverfahren vorausgegangen, gab er zu bedenken. Außerdem hätte das Ende der rot-grünen Koalition gedroht, wenn die Grünen sich generell entschieden hätten, das Vorhaben nicht mitzutragen.

Zugleich beteuerte Chorherr, dass er zumindest von der ersten Spende Tojners – getätigt im Zuge einer Benefizversteigerung – nichts gewusst habe. Über das Projekt habe er mit Tojner gesprochen, wie er eben auch mit anderen Bauwerbern über Vorhaben gesprochen habe, um sich zu informieren.

„Wegen 5.000 Euro? Hallo?“

Hätte er das Projekt aufgrund von finanziellen Zuwendungen vorangetrieben, hätte er die gesamte Stadtregierung manipulieren müssen, gab er zu bedenken: „Wegen 5.000 Euro? Hallo?“ Auch der Umstand, dass bei einem Geburtstagsfest für den mitangeklagten Unternehmer Erwin Soravia für den Verein gespendet werden konnte, sei nicht mit ihm, Chorherr, abgesprochen gewesen, schwor der Ex-Mandatar, der sich inzwischen aus der Politik zurückgezogen hat und als Bäcker arbeitet.

Keinen Kontakt hatte Chorherr laut eigenen Angaben zur damaligen Zeit mit Rene Benko. Dieser bzw. die Signa habe 100.000 Euro gespendet, wobei hier der Kontakt über Hemetsberger gelaufen sei. Chorherr hat sich, wie er betonte, nicht einmal für die Zuwendung bedankt. „Heute bin ich froh, dass ich nichts geschrieben habe.“

Plädoyers fortgesetzt

Zuvor waren am Dienstag die Plädoyers mit den Vorträgen von Vertretern verschiedener Unternehmen fortgesetzt worden, die laut WKStA in der Causa involviert sind. Denn die Staatsanwaltschaft hat auch gegen insgesamt 21 Verbände, also etwa Projektgesellschaften, die Verhängung einer Geldbuße nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz beantragt.

Den Angeklagten wird vorgeworfen, zugunsten dieser Verbände gehandelt zu haben. Es geht um Verbandsbußgelder. Darunter ist zum Beispiel Chorherrs S2Arch-Verein, der Schulen in Afrika baut, und die WertInvest Beteiligungsverwaltungs GmbH von Heumarkt-Investor Michael Tojner.

Anwälte: Aus sozialer Verantwortung gespendet

Die Rechtsvertreter der Gesellschaften versicherten am Montag, dass aus sozialer Verantwortung gespendet worden sei. Hingewiesen wurde dabei etwa auf die Liste des Finanzministeriums, in der karitative Organisationen aufgeführt sind, an die steuerbegünstigt überwiesen werden kann.

Das Schulprojekt Ithuba und der inkriminierte Verein S2Arch seien 2010 dort aufgenommen worden. Es sei möglicherweise damit zu erklären, dass die Häufigkeit der Spenden zu diesem Zeitpunkt gestiegen sei – und nicht mit dem damals erfolgten Regierungseintritt der Grünen in Wien, vermutete der Vertreter einer Signa-Gesellschaft.

Auch öffentliche Hand spendete

Die Anwälte erinnerten auch daran, dass nicht nur Immofirmen, sondern auch die öffentliche Hand als Unterstützer des Chorherr-Vereins auftrat. Die Stadt habe etwa 550.000 Euro freigegeben. Auch das Bildungsministerium habe gespendet. In der Anklage, so wurde weiters kritisiert, würden zudem Abteilungen erwähnt, für die die Grünen in der Regierung gar nicht zuständig waren. Auf die Baupolizei habe Chorherr etwa keinen Einfluss gehabt, wurde beteuert. Aber auch Widmungen gegen Spenden seien nicht erfolgt.

Vorgeworfen wird Chorherr, dass dieser Spenden an seinen Verein S2Arch als Schmiergeld für Flächenwidmungen zu Bauvorhaben in Wien genommen habe. Die WKStA wirft Chorherr Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit, den neun Mitangeklagten Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Bestechung in unterschiedlichen Beteiligungsformen vor. Jeder in Wien habe gewusst, dass man gegen Spenden bekomme, was man wolle. Dafür gebe es nun Beweise.

Konversationen des Industriellen Tojner würden etwa belegen, dass davon ausgegangen worden sei, dass man Einfluss auf die Politik nehmen könne, „um sein Projekt durchzubringen“. „Ohne Magister Chorherr kein Projekt, so einfach ist das“, zeigte sich der Anklagevertreter am ersten Prozesstag überzeugt. „Zeigen Sie uns, dass der Kampf gegen Korruption kein sinnloser ist“, bat er die Schöffen.

Spenden in Höhe von insgesamt 1,6 Mio. Euro

Neben Chorherr sind unter anderen der Investor Rene Benko, der Industrielle Tojner und die Immobilienentwickler Erwin Soravia und Günter Kerbler angeklagt. Die betreffenden Vorgänge fanden von 2011 bis 2018 statt, damals waren die Grünen Teil der Stadtregierung. Von der Anklage umfasst sind Spenden in Höhe von insgesamt 1,6 Mio. Euro.

Jeweils 100.000 Euro sollen Firmen um Benko und Kerbler bezahlt haben, Tojner werden 56.100 Euro, Soravia 15.000 Euro zugerechnet. Am ersten Verhandlungstag waren ihre Anwälte zu Wort gekommen und hatten die Anklagepunkte zurückgewiesen. Insgesamt wurden bis zum 20. Dezember elf Verhandlungstage anberaumt. Der Prozess wird am Freitag mit der weiteren Befragung Chorherrs fortgesetzt.