Geothermie-Bohrungsanlage in Wien Essling
Wien Energie / Johannes Zinner
Wien Energie / Johannes Zinner
Wirtschaft

Erste Geothermieanlage soll 2026 starten

In Wien soll schon bald ein Teil der Fernwärme mit heißem Wasser aus unterirdischen Quellen produziert werden. Nach einigen Vorarbeiten gibt es jetzt grünes Licht für die erste Geothermieanlage in Wien. Sie soll bis 2026 am Rand der Seestadt Aspern entstehen.

Derzeit wird die Fernwärme in Wien vor allem aus Gas hergestellt. Das führte auch zur enormen Preiserhöhung im September. Künftig will die Stadt unabhängiger von Gas und zudem auch klimaneutral werden. Dazu beitragen soll die künftige Geothermieanlage in Aspern. Um die Anrainerinnen und Anrainer über das Bauvorhaben zu informieren, sind in den nächsten Wochen Informationsveranstaltungen geplant.

„Wir werden jetzt in den nächsten Monaten das Genehmigungsverfahren durchführen und hoffen, dass wir ab nächstem Jahr die Bauarbeiten beginnen können“, sagte Wien-Energie-Geschäftsführer Karl Gruber am Montag. Das Wärmereservoir unter der Stadt sei nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich.

Fernwärme für rund 20.000 Haushalte

Als optimaler Standort der neuen Anlage wurde ein Areal am Rande der Seestadt Aspern ausgemacht, das Wien Energie derzeit von der Wien 3420 aspern Development AG erwirbt, um in weiterer Folge die erforderlichen Genehmigungen für die Bohr- und Bauarbeiten einholen zu können. Sofern alle damit verbundenen Verfahren plangemäß verlaufen, kann mit den Vorarbeiten für die Bohrungen 2023 begonnen werden. Die Bohrarbeiten finden 2024 statt, die Inbetriebnahme der Tiefengeothermieanlage ist für 2026 vorgesehen.

Seestadt
ORF.at/Christian Öser
Die neue Anlage soll an einem Areal am Rande der Seestadt Aspern entstehen

Sie wird bis zu 20 Megawatt Leistung bringen – genug für Fernwärme für rund 20.000 Haushalte, die ohne klimaschädliches CO2 produziert wird. 80 Mio. Euro werden investiert, ein Zehntel – acht Mio. Euro – steuert der Bund bei. "Dank dem Thermalwasservorkommen direkt unter der Stadt und dem gut ausgebauten Fernwärmenetz befinden wir uns auch im europäischen Vergleich in einer einzigartigen Ausgangslage, um Haushalte mit klimaneutraler Wärme versorgen zu können“, sagte Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) am Montag.

Technisch anspruchsvolles Projekt

Zur Erschließung des Thermalwassers sind mehrere Bohrungen in über 3.000 Meter Tiefe nötig. Aufgrund dieser Tiefe, die etwa hundertmal tiefer als die tiefste U-Bahn-Station Wiens liegt, und da die Bohrungen nur einen Durchmesser von rund 30 cm haben, ist mit keinen Auswirkungen wie etwa Vibrationen an der Erdoberfläche zu rechnen. Technisch anspruchsvoll sind Bohrungen in solchen Tiefen aber dennoch.

Grafik zur Geothermie in Wien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Wien Energie
Funktionsweise einer Tiefengeothermieanlage

Mit einer Erkundungsbohrung wird die Beschaffenheit und Verfügbarkeit des Thermalwassers am Standort untersucht. Nach der Erkundungsbohrung werden zwei weitere Bohrungen durchgeführt. Für die geplante Nutzung kommt ein System namens „Hydrothermale Dublette“ zum Einsatz. Dafür wird zunächst rund ein Kilometer senkrecht in die Tiefe gebohrt, danach verlaufen die Bohrungen schräg in entgegengesetzte Richtungen bis auf eine Tiefe von rund 3.000 bis 3.500 Meter.

Wasserführende Gesteinsschicht unterhalb der Stadt

Über eine der Bohrungen wird das Thermalwasser mittels einer Förderpumpe an die Oberfläche befördert. Nach der Wärmeentnahme an der Oberfläche über Wärmetauscher wird das Thermalwasser über die zweite Bohrung wieder in das gleiche Thermalwasservorkommen zurückgeführt, es entsteht damit ein geschlossener erneuerbarer Kreislauf. Der Entnahme- und der Rückgabepunkt des Thermalwassers liegen dabei rund vier Kilometer voneinander entfernt. Die in der Tiefengeothermieanlage gewonnene Wärme wird anschließend in das Fernwärmenetz eingespeist.

Die Nutzung von Tiefengeothermie ist nur deshalb möglich, weil sich mit dem „Aderklaaer Konglomerat“ eine wasserführende Gesteinsschicht unterhalb der Stadt befindet. Als wichtige Grundlage für die Erschließung dieses Vorkommens nahm Wien Energie gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft, Forschung und Industrie im Forschungsprojekt „GeoTief Wien“ in den letzten Jahren eine umfassende Untersuchung der geologischen Gegebenheiten unter der Stadt vor. Die wissenschaftlichen Ergebnisse beruhen auf einer umfangreichen seismischen 3D-Erkundung des „Aderklaaer Konglomerats“.

Erste Geothermieanlage soll 2026 starten

In Wien soll schon bald ein Teil der Fernwärme mit heißem Wasser aus unterirdischen Quellen produziert werden. Nach einigen Vorarbeiten gibt es jetzt grünes Licht für die erste Geothermieanlage in Wien. Sie soll bis 2026 am Rand der Seestadt Aspern entstehen.

Vier Anlagen bis 2030 geplant

Das Pilotprojekt soll aber nur der erste Schritt sein. Das Thermalwasservorkommen unter der Stadt ist so groß, dass bis 2030 bis zu 125.000 Wiener Haushalte mit Fernwärme aus Tiefengeothermie versorgt werden könnten. Das entspricht einer jährlichen CO2-Einsparung von 325.000 Tonnen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Errichtung weiterer Tiefengeothermieanlagen im Stadtgebiet geplant, die in Summe bis zu 20 Prozent der Fernwärme-Gesamterzeugung abdecken können.

Bis 2030 will die Wien Energie insgesamt bis zu vier Tiefengeothermieanlagen in der Donaustadt und in Simmering bauen. Sie sollen dann ein Fünftel des Fernwärmebedarfs der Stadt produzieren. Der Ausbau der Tiefengeothermie soll auch nach 2030 fortgesetzt werden, damit die Fernwärme bis 2040 gänzlich aus klimaneutralen Quellen erzeugt wird.