Ingeborg Bachmann in Rom, 1962
Heinz Bachmann/Familienarchiv Bachmann
Heinz Bachmann/Familienarchiv Bachmann
Kultur

Hommage an Bachmann im Literaturmuseum

Das Literaturmuseum der Nationalbibliothek in Wien würdigt in einer aktuellen Schau die Dichterin Ingeborg Bachmann. Viele Fotos und Dokumente aus dem Nachlass sind erstmals zu sehen. Bachmanns Todestag jährt sich nächstes Jahr zum 50. Mal.

Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) besitzt einen umfangreichen Nachlass der 1973 in Rom verstorbenen Dichterin. 1978 wurde er der ÖNB von den beiden Geschwistern Bachmanns geschenkt. Der Nachlass besteht aus einem ungesperrten und einem gesperrten Teil. Der gesperrte Teil umfasst neben privaten Aufzeichnungen und einzelnen Werkblättern auch alle Korrespondenzstücke.

Über 6.000 Briefe von über 1.000 Korrespondenzpartnern seien im Nachlass enthalten und stellten wichtige Dokumente der Lebensgeschichte dar, sagte Michael Hansel, der mit Kerstin Putz die Ausstellung kuratierte. Diese seien zumindest bis Ende 2025 gesperrt – es sei denn, die Erben stimmten extra zu, wie es nun geschehen sei.

Ingeborg Bachmanns Schreibmaschine Olympia mit Schreibmaschinenkoffer
Österreichische Nationalbibliothek
Auch eine Schreibmaschine der Dichterin ist ausgestellt

Bachmann bat Frisch um Vernichtung der Briefe

Zu sehen ist nun etwa ein Brief von Max Frisch an Ingeborg Bachmann aus 1959. Nächste Woche erscheint der Briefwechsel zwischen den beiden in Buchform, bei Piper und Suhrkamp, auch dafür mussten die Erben ihre Zustimmung geben. „Dieser Liebesroman in Briefen wird Literaturgeschichte, Zeitgeschichte und Liebesgeschichte schreiben und ist nebenbei noch – großartige, überwältigende Literatur“, schreibt dazu die Literaturkritikerin Iris Radisch jüngst in der „Zeit“.

Rund 300 Briefe von Frisch an Bachmann besitzt die ÖNB. Die Briefe der Dichterin liegen dagegen im Frisch-Archiv, da Bachmann – anders als der Schweizer – keine Abschriften ihrer eigenen Briefe aufbewahrte und Frisch nach der Trennung dem dringenden Wunsch Bachmanns nicht nachkam, ihre Briefe zurückzugeben oder zu vernichten.

Ingeborg Bachmann: “Böhmen liegt am Meer", Korrekturfassung
Österreichische Nationalbibliothek
Gezeigt wird etwa die Korrekturfassung von Bachmanns “Böhmen liegt am Meer"

„Eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen“

Frisch verwendete alles als Material seiner Literatur – auch seine Beziehung zu Bachmann. In der Ausstellung sieht man Bachmanns Handexemplar von Frischs 1964 erschienenen Roman „Mein Name sei Gantenbein“ und einen Einlagezettel, auf dem sie jede Seite notiert hatte, auf der sie sich oder gemeinsam Erlebtes wiedererkannt hatte.

Ingeborg Bachmann sei „eine der bedeutendsten und schillerndsten Schriftstellerinnen der jüngsten Zeit“, sagte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger. Insofern ist für die „repräsentative und detailreiche Schau“, die nicht nur ihre Bedeutung als Schriftstellerin, sondern auch als „stets wache Intellektuelle“ würdige, kein äußerer Anlass nötig. Dennoch versteht sich die in zehn Themenkapitel gegliederte Ausstellung als Vorbote des 50. Todestags am 17. Oktober 2023.

Ausstellungshinweis:

„Ingeborg Bachmann. Eine Hommage“, Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek, bis 5. November 2023

Schreibmaschine der Dichterin für Gruß

Die Aktualität ihrer Literatur ist jedoch ungebrochen, von ihr bearbeitete Themen wie Geschlechterverhältnis oder Vergangenheitsaufarbeitung sind wichtiger denn je. In vieler Weise wird in der Ausstellzung versucht, diese anhaltende Wirkung von Bachmanns Texten zu unterstreichen – etwa durch Video-Interviews mit Ruth Beckermann oder Sabine Gruber.

Zu sehen ist auch das berühmte „Spiegel“-Cover 1954, das die damals 28-Jährige als eine herausragende junge Vertreterin deutscher Nachkriegslyrik würdigte – und in einem launigen Reportage-Text beschrieb, wie sich Bachmanns römische Nachbarn über ihr nächtliches Schreibmaschinengeklapper beschwerten. Gezeigt werden auch ein erstaunlich literarischer Brief des späteren US-Außenministers Henry Kissinger an Bachmann und ein Telegramm Bachmanns an Peter Handke aus 1972 („Bloss damit du weisst wie sehr viel ich denk an dich …“).

Auch nie zuvor öffentlich gezeigte Filmaufnahmen des damaligen Kulturattachés Hans Marte von Bachmanns Reise nach Polen und ihrem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau aus dem Jahr 1973 sind Teil der Ausstellung, ebenso ein Video-Interview mit Bachmanns Bruder Heinz. Und wer will, kann sogar auf einer Olivetti-Schreibmaschine der Dichterin einen Gruß tippen.