Die Infektionsabteilung am Kaiser-Franz-Josef-Spital
APA/HELMUT FOHRINGER
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Gesundheit

Umfrage: Ärzte orten Qualitätsverluste

Die überwiegende Mehrheit der Wiener Spitalsärzte und -ärztinnen sieht große Qualitätsverluste und Engpässe in der Patientenversorgung. Das geht aus einer Umfrage hervor, die nach einer Reihe von Anzeigen in Auftrag gegeben wurde.

Im Auftrag der Wiener Ärztekammer wurden zwischen September und Oktober knapp 1.900 angestellte Ärztinnen und Ärzte in Wien befragt. „Die Ärzteschaft fühlt sich alleine gelassen mit ihren Problemen“, fasste der Geschäftsführer von Public Opinion Strategies, Peter Hajek, die Ergebnisse am Dienstag zusammen.

84 Prozent der Wiener Spitalsärztinnen und -ärzte stimmen der Aussage zu, dass „die aktuellen Rahmenbedingungen im Spital zu einem anhaltenden und nachhaltigen Qualitätsverlust in der medizinischen Betreuung der Patientinnen und Patienten führen“. Hingegen stimmen nur zwei Prozent der Aussage gar nicht zu. 78 Prozent stimmen der Aussage zu, dass es große Engpässe bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten an den Wiener Spitälern gebe – 50 Prozent sehr, weitere 28 Prozent eher.

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Die überwiegende Mehrheit (82 Prozent) gibt auch an, dass die aktuellen Rahmenbedingungen zu einem anhaltenden und nachhaltigen Qualitätsverlust in der medizinischen Ausbildung von Turnusärztinnen und -ärzten führt. Diesen Punkt sehen Jüngere zwar noch kritischer, aber auch Ältere sind mehrheitlich dieser Auffassung.

Kritik an Stadtpolitik

Die Stadtpolitik kommt bei den Wiener Spitalsärzten und – ärztinnen gar nicht gut weg. 72 Prozent geben an, dass die Wiener Stadtpolitik „nichts gegen die Probleme in Wiener Spitälern“ tue. Und 68 Prozent stimmen zu, dass Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) die Gefährdungsanzeigen aus Wiener Spitäler „nicht ernst genug“ nehme.

Ärztekammer-Vizepräsident Stefan Ferenci und Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart
APA/Georg Hochmuth
Ärztekammer-Vizepräsident Stefan Ferenci und Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart (v. l. n. r.)

Stadtrat Hacker wollte die Kritik nicht auf sich sitzen lassen. „Wie wir wissen, fährt die Ärztekammer seit Wochen eine millionenschwere Kampagne gegen die Wiener Spitäler“, sagte Hacker. Er versicherte aber, dass seine Gesprächsbereitschaft mit der Ärztekammer jederzeit bestehe. „Die Tür für Ärztekammer-Präsident Steinhart ist immer offen. Das wird auch genützt, aber nicht immer im Lichte der Öffentlichkeit“, sagte der Stadtrat.

Die Gesundheitssprecherin der ÖVP Wien, Ingrid Korosec, sprach hingegen von einem „erschreckenden Bild“ und sah sich in ihrer Kritik bestätigt. Sie warf Hacker eine „Politik der Beschwichtigung und Leugnung“ vor und forderte ihn auf, sofort Maßnahmen einzuleiten. Ihr FPÖ-Kollege Wolfgang Seidl kritisierte „katastrophale Fehlplanungen“ und verlangte die Ablöse von Hacker und der WIGEV-Führung.

Gefährdungsanzeigen „internes Instrument“

Der Präsident der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer, Johannes Steinhart, erläuterte, dass solche Gefährdungsanzeigen primär ein internes Instrument seien. Sie sollten eigentlich zu Veränderungen führen. Das sei aber nicht geschehen. Stefan Ferenci, Kurienobmann der angestellten Ärzte und Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, erklärte dazu, dass es Gefährdungsanzeigen schon länger gebe, es seien aber keine Konsequenzen gezogen worden.

Deshalb hätten sich die Kollegen an die Öffentlichkeit gewandt. Vonseiten des Wiener Gesundheitsverbundes (WIGEV) habe es stattdessen einen „Maulkorberlass“ gegeben. Ferenci gab dem WIGEV die Schuld dafür, dass zahlreiche Kollegen kündigen. Der Gesundheitsverbund sage ihnen, dass sie gehen sollten, sofern die Rahmenbedingungen nicht passen würden.

Pflegekräfte ebenso unzufrieden

Unzufrieden seien neben den Ärzten und Ärztinnen aber auch die Pflegekräfte, sagte Präsidentin der Arbeiterkammer (Arbeiterkammer), Renate Anderl, in einer Aussendung am Dienstag. Knapp 85 Prozent sagen, dass in ihrem Team in den letzten zwei Wochen mindestens eine Pflegetätigkeit oft weggelassen oder mit Verzögerung durchgeführt werde. Das zeige die aktuelle MissCare-Austria Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität, die am Mittwoch auf einer Veranstaltung der AK Wien vorgestellt wird.

Viele notwendigen Pflegeleistungen würden unter den Tisch fallen, da dafür die Zeit fehle. Dadurch würden etwa gefährliche Situationen seltener erkannt werden und viele Menschen schlecht informiert aus dem Krankenhaus entlassen. Das wiederum resultiere in einer Vielzahl von vermeidbaren Wiederaufnahmen im Krankenhaus.

In dieselbe Kerbe schlug am Dienstag auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. „Die Politik muss dringend Rahmenbedingungen schaffen, die die Pflegekräfte entlasten und gute Pflege ermöglichen. Allen voran geht es da um mehr Zeit, und dafür braucht es eine Erhöhung der Personalschlüssel“, wurde sie in einer Aussendung zitiert.

Über „Baustellen“ reden

In den kommenden zwei Wochen will die Wiener Ärztekammer nun „Aktionswochen“ veranstalten und alle Spitäler besuchen. Dabei wolle man die Kollegen ermutigen, weiter Missstände zu melden. Mit dem für Mittwoch angekündigten Streik an den Wiener Ordensspitälern sei die Wiener Ärztekammer ausdrücklich „solidarisch“.

Ferenci verwies darauf, dass alle bisher präsentierten Lösungsvorschläge etwa drei bis sechs Jahre dauern würden, bis sie Früchte tragen. Er schlägt deshalb vor, zunächst offen und ehrlich über Baustellen zu reden und Probleme anzusprechen. Zudem müssten zunächst alle offenen Dienstposten besetzt werden – „koste es, was es wolle“.