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Neue Vorwürfe zu Missbrauch an Schule

Im umfangreichen Fall rund um den Missbrauch zahlreicher Schüler durch einen Lehrer einer Wiener Mittelschule sind neue Vorwürfe aufgetaucht. Sie richten sich dieses Mal auch gegen die Direktion.

Laut Opferanwältin Herta Bauer soll der von den Vorwürfen betroffene Lehrer weiter unterrichtet haben, obwohl die gegen ihn gerichteten Ermittlungen bekannt gewesen seien – und zwar dem früheren und dem jetzigen Direktor der Schule. Ein Sachverhalt, den Anwältin Herta Bauer, die mehrere ehemalige Schüler vertritt, in einer weiteren Sachverhaltsdarstellung der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zur Kenntnis brachte. Der betroffene Lehrer beging im Mai 2019 Suizid.

Bildungsdirektion kennt Berichte

Die neuen Vorwürfe stützen sich auf Aussagen neuer Zeugen, die sich bei Bauer gemeldet haben sollen, berichtete die APA. Diese Aussagen betreffen demnach vor allem den schulischen Bereich und richten sich gegen die Schulleitung. Bildungsdirektor Heinrich Himmer bestätigte der APA am späten Freitagnachmittag die medial bisher nicht bekannten Inhalte jüngster Zeugenaussagen. Die in Bauers Sachverhaltsdarstellung erhobenen Vorwürfe würden sich „weitgehend“ mit Informationen decken, die auch der Bildungsdirektion Wien vorliegen, meinte Himmer: „Ähnliche Zeugenaussagen wurden auch bei der Untersuchungskommission gemacht.“

Himmer hatte das aus Mitgliedern der Bildungsdirektion, der Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) und der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Wien bestehende Gremium eingesetzt, das die Vorgänge in bzw. um die betroffene Schule aufarbeiten sowie sicherstellen sollte, dass derartige Fälle an Bildungseinrichtungen zukünftig verhindert werden können. Wie Himmer betonte, hat die Bildungsdirektion die dabei gewonnenen Erkenntnisse bereits in insgesamt fünf Sachverhaltsdarstellungen gegossen, die der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt wurden.

Indes liegt nun auch das Ergebnis der Untersuchungskommission schriftlich vor. „Wir haben gestern den vorläufigen Endbericht der Kommission bekommen“, gab Himmer am Freitag bekannt. Details dazu dürften in der kommenden Woche bekannt gegeben werden.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Österreichweit und in den Bundesländern gibt es Anlaufstellen, die Rat und Unterstützung im Krisenfall anbieten.

Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet auch Rat auf Draht unter der Nummer 147.

Vorwürfe gegen Sportlehrer

Der mutmaßlich über viele Jahre hinweg übergriffige Sportlehrer war im Frühjahr 2019 von einem früheren Schüler angezeigt worden. Nachdem bei dem Pädagogen eine Hausdurchsuchung stattgefunden hatte, soll der Direktor in Kenntnis der angelaufenen Ermittlungen diesen ungeachtet dessen nicht unverzüglich außer Dienst gestellt haben.

Der Lehrer konnte daher noch bis zum 24. Mai 2019 unterrichten, wobei die letzten Tage vor seinem Suizid Zeugenangaben zufolge von „besonders aggressivem Verhalten gegenüber seinen minderjährigen Schülern“, wie in der Anzeige dargelegt wird, geprägt waren. Von sportlichen Schindereien bei Hitze im Turnunterricht und verbalen Ausfällen ist in diesem Zusammenhang die Rede, einen Schüler soll der Lehrer am Ohr gezogen haben.

Auch sollen am Unterricht des Sportlehrers sogar schulfremde Personen – offenbar für Assistenzdienste beim Geräteturnen – beteiligt gewesen sein und dabei Schüler „betatscht“ haben. Ein ehemaliger Schüler berichtete von einem „alten Mann mit grauen Haaren“, der „sehr unangenehm“ gewesen sei und „uns immer überall angefasst“ habe.

Beweismaterial möglicherweise beiseite geschafft

Jüngste Angaben von ehemaligen Schülern erhärten auch Verdachtsmomente, dass nach dem Suizid des Sportlehrers in der Schule möglicherweise Beweismaterial beiseite geschafft wurde, das im Rahmen der beim Pädagogen durchgeführten Hausdurchsuchung von der Polizei nicht beachtet worden war. Die Hausdurchsuchung hatte sich auf die Wohnung des Lehrers beschränkt. Dabei hatte dieser in der Schule einen eigenen Laptop, eine eigene Kamera und Daten- und Speicherträger gelagert.

Der enge Bekannte und Ex-Schüler des Lehrers soll nach dessen Ableben mehrfach mit dessen Auto zur Schule gekommen sein und den Spind des Lehrers sowie die so genannte Chill-Out-Zone leer geräumt haben, in der es zu Missbrauchshandlungen gekommen sein dürfte. Der Bekannte sei „die ganze Woche da“ gewesen und habe „die Sachen geholt“, wird in einer Aussage behauptet. Der Direktor soll ihn erst danach mit einem Hausverbot belegt haben.

Erste Sachverhaltsdarstellung abgewiesen

Eine erste Sachverhaltsdarstellung, die Bauer Ende September gegen zwei mögliche Mittäter des Pädagogen wegen Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Unmündigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses eingebracht hatte, war von der Anklagebehörde nicht aufgegriffen worden. Die Staatsanwaltschaft kam nach kurzer Prüfung zum Schluss, dass die aktuelle Verdachtslage nicht für ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren reiche.

Die zwei langjährigen Bekannten des Sportlehrers – ein ehemaliger Schüler des Pädagogen sowie ein früherer Lehrer an einer anderen Schule und Basketball-Trainer – wären von diesem bei einem Sportverein „eingeschleust“ worden und hätten sich dort gegenüber Kindern und Jugendlichen übergriffig verhalten, hatte die in der Anzeige geäußerte Verdachtslage gelautet.