Wissenschaft

Ablagerungen des Ur-Wienflusses entdeckt

Im Zuge einer 30 Meter tiefen Bohrung im Garten der Geologischen Bundesanstalt im dritten Bezirk sind für geothermische und geophysikalische Testungen in einer Tonschicht des Wiener Beckens die Ablagerungen zweier Flüsse entdeckt worden: die Ur-Wien und die Ur-Liesing.

Die Beprobung und Analyse des Bohrkerns brachten nun neue Erkenntnisse aus der Ära des einstigen Pannonsees vor 10,4 Millionen Jahren. Der Bohrkern wurde wissenschaftlich analysiert und gibt auch Einblicke in die geologische Geschichte Wiens: Hier mündete vor 10,4 Millionen Jahren die Ur-Wien und die Ur-Liesing in den einstigen Pannonsee, der vom heutigen Alpenrand in Wien über Budapest bis Belgrad reichte.

„Wenn ich verstehen will, wie die Landschaft entstanden ist, wie der Boden von innen entstanden ist, gehört es auch dazu, dass ich versuche, möglichst viele Informationen zusammenzubringen. Und gerade die Geschichte rund um Wien ist mir weitgehend rätselhaft gewesen. Und insofern war das ein ziemlicher Durchbruch für uns, dass wir jetzt diese Flüsse so weit bis über zehn Millionen Jahre in die Vergangenheit zurückverfolgen können“, sagte der Leiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung am Naturhistorischen Museum Wien, Mathias Harzhauser im Gespräch mit Radio Wien.

Pannonsees: Größter See Europas

Dieser riesige See dominierte vor rund 10,4 Millionen Jahren die Region. Er reichte vom heutigen Alpenrand über Budapest bis in die Gegend des heutigen Belgrad. Damals war der See „etwa halb so groß wie das heutige Schwarze Meer und damit der größte See Europas. Wien lag am Westufer dieses Sees. Über seine Zuflüsse aus den Alpen war aber bisher sehr wenig bekannt“, so der Leiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung am NHM Wien, Mathias Harzhauser. Das heutige Wiener Stadtgebiet lag im Zeitraum von 11,6 bis 9 Mio. Jahren am Pannonsee.

Querschnitt eines Bohrkerns mit Schalen fossiler Wandermuscheln
© NHM Wien
Querschnitt eines Bohrkerns mit Schalen fossiler Wandermuscheln

Bis heute helfen die wasserundurchlässigen tonreichen Ablagerungen des einstigen Gewässers dabei, das Grundwasser in oberen Schichten zu halten, heißt es am Montag in einer Aussendung des Museums. Die neue Analyse des Bohrkernes „zeigt klar den Einfluss des Hinterlandes, wobei wir gut zwischen Sedimenteintrag der Ur-Liesing und der Ur-Wien unterscheiden können“, so Mandana Peresson von der Abteilung Rohstoffgeologie der GBA.

Fluss in Donaukanal gemündet

Da sich in den oberen Schichten winzige Fossilien aus der durch Sandstein und Mergelgestein geprägten Flyschzone finden, dürfte es sich um die Ablagerungen des Vorläufers des im heutigen Wienerwald entspringenden Wienflusses handeln, wie die Wissenschafter im Fachblatt „Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology“ berichten.

Dem in den Donaukanal mündenden Fluss ist auch eine ausgedehnte Ton- oder Gesteinsschicht in 30,7 Metern Tiefe zuzuordnen. Anders zusammengesetzt ist jedoch eine Schicht in 32,5 Metern Tiefe: Sie wird als Eintrag aus den Nördlichen Kalkalpen interpretiert. Somit handle es sich höchstwahrscheinlich um Überbleibsel der Ur-Liesing.