Bett in Frauenhaus
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Chronik

Fünftes Frauenhaus in Wien öffnet

In Wien öffnet nun das fünfte Frauenhaus. Es bietet mehr als 50 zusätzliche Plätze für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder. Andrea Brem von den Wiener Frauenhäusern beobachtet, dass die Gewalt gegen Frauen „ein Stück weit fieser geworden ist“.

Alles ist neu, die Zimmer sind hell und freundlich eingerichtet. Für die Kinder gibt es jede Menge Spielzeug und Kinderbücher wie “Das kleine Ich bin ich". Die Adresse des neuen Frauenhauses hält die Stadt zum Schutz der Opfer geheim. Am Freitag ziehen die ersten Frauen mit ihren Kindern ein.

Das Haus bietet insgesamt 53 Plätze. Die Zimmer sind unterschiedlich groß. Und es gibt auch zwei Doppelwohneinheiten, in denen Mütter mit vier und mehr Kindern gut untergebracht werden können. In allen fünf Wiener Frauenhäusern gibt es damit insgesamt 228 Plätze. „Bei vielen Frauen, die hier Schutz suchen, geht es um Leben und Tod. Und alle Frauen, die einen Platz brauchen, bekommen ihn auch“, sagte Frauenstadträtin Kathrin Gaal (SPÖ).

Fünftes Frauenhaus in Wien eröffnet

In Wien wurde soeben ein fünftes Frauenhaus eröffnet. Insgesamt gibt es damit in den Wiener Frauenhäusern 228 Plätze. Frauen, die von Gewalt betroffen sind, können dort zusammen mit ihren Kindern Schutz und Hilfe finden. 2022 hat die Wiener Polizei bereits 3.800 Betretungs- und Annäherungsverbote verhängt.

„Gewalterfahrungen aufarbeiten“

In dem neuen Frauenhaus gibt es in jedem Stockwerk einen gemeinsamen Kochbereich. Dem angeschlossen ist ein Gemeinschaftsraum. „Wenn die Frauen kommen, sind sie in erster Linie sehr verzweifelt, weil alles ein Stück weit zusammengebrochen ist. Manche sind völlig erschöpft, die brauchen einmal Ruhe. Andere sind wahnsinnig aufgeregt. Die wollen gleich Anzeige erstatten“, sagte Andrea Brem, die Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser.

16 Sozialarbeiterinnen und Therapeutinnen arbeiten im neuen Frauenhaus im Schichtdienst. Die Frauen werden in rechtlichen Fragen unterstützt: bei Anzeigen, im Strafverfahren, durch Prozessbegleitung, bei Scheidung oder etwa Obsorgeverfahren.

Ebenso werden sie bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz unterstützt. In Gesprächen mit den Beraterinnen wird ihnen, wie auch den Kindern, zudem geholfen, ihre „Gewalterfahrungen aufzuarbeiten“, sagte Brem. Im neuen Frauenhaus finden sich zum Beispiel ein Spielzimmer, ein Therapiezimmer, ein Raum für Jugendliche und eine kleine Turnhalle.

„Die meisten bleiben etwa ein halbes Jahr“

„Besonders wichtig ist die ökonomische Unabhängigkeit. Wenn Frauen ihr eigenes Geld verdienen, kommen sie schneller aus einer Gewaltspirale heraus. In den Wiener Frauenhäusern helfen wir Frauen dabei, wieder selbstständig zu werden“, so Martina Ludwig-Faymann, Vorsitzende des Vereins Wiener Frauenhäuser.

Frauenhaus-Notruf
Der Frauenhaus-Notruf ist unter 05 77 22 rund um die Uhr erreichbar. Die Beratungsstelle der Wiener Frauenhäuser ist untertags unter der Nummer 512 38 39 erreichbar. Bei unmittelbarer Gewalt sollen Betroffene aber immer die Polizei unter 133 rufen.

„Viele Frauen nützen das Frauenhaus für kurze Zeit. Zwei, drei oder bis zu 14 Tage. Die meisten bleiben etwa ein halbes Jahr. Ganz wenige, wo die Gewalt einfach nicht aufgehört hat, wo sie der Mann immer noch abpasst und bedroht, die bleiben auch darüber hinaus“, sagte Brem.

Zusätzlich zu den Plätzen in den Frauenhäusern gibt es noch 54 Übergangswohnungen in Wien, für die Zeit nach dem Frauenhaus, „wenn die Bedrohung für die betroffenen Frauen geringer ist, aber noch Betreuungsbedarf vorhanden ist.“

Fast gleich viele Kinder wie Frauen

Beim Wort „Frauenhaus“ denkt man in erster Linie an die betroffenen Frauen. Die Zahlen zeigen aber, dass auch viele Kinder mit ihren Müttern kommen. Im Vorjahr fanden 649 Frauen und 640 Kinder in den vier Wiener Frauenhäusern Zuflucht. „Und man kann Jahr für Jahr feststellen, dass es fast gleich viele Frauen und Kinder sind“, sagte Ludwig-Faymann.

Spielzimmer in Frauenhaus
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Im Vorjahr fanden 640 Kinder in den Wiener Frauenhäusern Zuflucht

„Zerstört hat mich die psychische Gewalt“

In Österreich gab es heuer laut Zählung des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) bereits 28 Femizide, zehn davon in Wien. Und allein heuer hat die Wiener Polizei schon 3.823 Betretungs- und Annäherungsverbote verhängt. 2021 waren es 4.220, im Jahr davor 3.398.

„Die Gewalt ist ein Stück weit fieser geworden. Ich habe das Gefühl, jeder Mann weiß, wenn er seine Frau grün und blau schlägt, hat er rechtliche Konsequenzen zu erwarten. Aber jetzt habe ich so das Gefühl, dass dieser Psychoterror so extrem wird. Das ist eine permanente Abwertung, Isolation, Kontrolle, also jeder Schritt der Frau wird überwacht, mit dem Handy ist das jetzt gut möglich“, sagte Brem. Nachsatz: „Viele Frauen, die zu uns kommen, sagen: Die körperliche Gewalt war furchtbar, aber zerstört hat mich die psychische Gewalt. Und ich glaube, die muss noch mehr in den Fokus rücken.“

Eigenes Haus für Mädchen und junge Frauen

Eines der bestehenden Frauenhäuser wird derzeit in ein Frauenhaus für Mädchen und junge Frauen umgebaut. Es soll dann im Jänner oder Februar öffnen. „Weil sie ganz einfach andere Bedürfnisse haben als erwachsene Frauen. Da geht es auch um das Thema Aus- und Weiterbildung, um ihnen noch spezifischere Betreuung zukommen zu lassen“, sagte Gaal.