Die Parteizentrale der SPÖ auf der Löwelstraße in Wien
ORF.at/Carina Kainz
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Chronik

Sexuelle Übergriffe in SPÖ Wien: Nur Rüge

Mehrere weibliche Mitglieder der SPÖ Wien erheben schwere Vorwürfe gegen einen Parteifunktionär: Er habe sie während ihrer politischen Arbeit sexuell belästigt. Ein SPÖ-Schiedsgericht bestätigte die Übergriffe laut ZIB2, doch für den Täter bleibt nur eine Rüge.

Einer der Übergriffe soll am 1. Mai 2019 geschehen sein. Die SPÖ feierte den Tag der Arbeit, die Sektion einer Bezirkspartei zelebrierte das mit einem Grillfest. Im Zuge der Feierlichkeiten soll ein Funktionär übergriffig geworden sein, wird dem SPÖ-Schiedsgericht geschildert. Das Opfer forderte demnach den Mann auf, aufzuhören, er überschreite eine Grenze. Als er nicht aufhörte, floh die Frau.

Seinen Job in der Bezirksverwaltung verlor der Mann daraufhin. Es dauerte aber mehr als zwei Jahre, bis das SPÖ-Schiedsgericht seine Arbeit aufnahm, um die Vorwürfe zu klären. Drei weitere Frauen soll der Mann belästigt haben: Zwei wollen anonym bleiben, bei einer qualifiziert das Schiedsgericht die Annäherungen als privat, weil sie erst nach Parteisitzungen in Lokalen stattgefunden hätten.

Sexueller Belästigungs-Fall bei SPÖ Wien

Einige weibliche Mitglieder der SPÖ Wien beschuldigten einen Parteigenossen, er habe sie während ihrer politischen Arbeit in der Sektion sexuell belästigt. Ein Schiedsgericht der SPÖ stellt fest, dass die Übergriffe tatsächlich stattgefunden haben, qualifiziert diese auch als „parteischädigend“ und doch gibt es für den Täter nur eine Rüge.

Schiedsgericht: „Erteilung einer Rüge reicht aus“

Mitte dieses Jahres qualifizierte das SPÖ-Schiedsgericht das Verhalten des Mannes als „parteischädigend“. In dem Bericht, der der ZIB2 vorliegt, kommt das Schiedsgericht außerdem zu folgendem Schluss: „Aufgrund der durchgeführten Befragung der Beteiligten und der Zeuginnen steht fest, dass sich (Name entfernt) sexuell übergriffig gegen (Name entfernt) verhalten hat. Dieses Verhalten widerspricht den Grundsätzen der SPÖ. Das Schiedsgericht ist jedoch der Meinung, dass die Erteilung einer Rüge ausreicht, um dem Unrechtsgehalt seines Verhaltens zu entsprechen.“

Novak: Kein Fehlverhalten der Parteiführung

Doch reicht eine Rüge? Die Landesparteisekretärin der Wiener SPÖ, Barbara Novak, betont, sie habe gleich nach Bekanntwerden des Sachverhalts Gespräche mit den Betroffenen geführt und Maßnahmen zum Schutz der Opfer eingeleitet. So sei die Parteimitgliedschaft des Mannes ruhend gestellt und er suspendiert worden.

Zum Spruch des Parteigerichts erklärt Novak gegenüber der ZIB2 schriftlich: „Es ist wichtig, dass das Schiedsgericht unabhängig arbeiten kann und so auch entscheidet, weshalb meine persönliche Meinung über den Schiedsspruch hier nicht von Relevanz ist.“ Das Schiedsgericht habe im Rahmen der Gewaltenteilung innerhalb der Partei unabhängig eine Entscheidung gefällt: „Aus all diesen Gründen ist ersichtlich, dass es hier weder ein Fehlverhalten der Parteiführung noch ein Glaubwürdigkeitsproblem der SPÖ gibt oder gab.“

Arbeitsrechtsexpertin sieht „Lücke“ im Opferschutz

Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak sieht angesichts des Falls „eine Lücke“ im Opferschutz. Denn bei Parteien würden viele Menschen ehrenamtlich tätig sein. Das Problem: „Das Ehrenamt ist tatsächlich das, was dazu führt, dass ich zwar da arbeite, aber nicht in den Schutz des Gleichbehandlungsgesetzes falle“, so Körber-Risak.

Das Gleichbehandlungsgesetz ermögliche es Betroffenen, sich sehr niederschwellig zu wehren, es stehe etwa die Gleichbehandlungsanwaltschaft zur Seite, und es gebe eine Beweislastumkehr. „Für Betroffene von Diskriminierung, zu der auch sexuelle Belästigung zählt, ist es einfacher, zu einem Rechtsschutz zu kommen, als wenn sie den Weg über die ordentlichen Gerichte gehen müssten“, erklärt die Expertin.

Grund sei die höhere Hemmschwelle bei einer wirtschaftlichen Abhängigkeit. Die Frage sei jedoch, ob Ehrenamtliche wirklich unabhängig sind, sagt Körber-Risak. So könne das Engagement in der Partei beispielsweise zum Job als Bezirksrat oder Bezirksrätin dazugehören.

Parteiaustritte im betroffenen Bezirk

Auch SPÖ-Wien-Landesparteisekretärin Barbara Novak sprach sich in ihrer Stellungnahme dafür aus, dass die Schutzgesetze „auch für die freiwillige Arbeit sowie generell in der Arbeitswelt in Parteien gelten“.

Die SPÖ-Bundespartei setzte wegen dieser Lücke im Vorjahr eine Antidiskriminierungskommission ein, die innerparteiliche Opferschutzverfahren entwickeln soll. Ob gegen den Schiedsspruch Einspruch erhoben wird, ist noch offen. Während der Mann weiterhin aufrechtes Mitglied der SPÖ ist, kam es wegen des Spruches des Parteigerichts im betroffenen Wiener Bezirk unterdessen zu Parteiaustritten.