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ORF.at/Roland Winkler
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Chronik

Polizeigewalt: Beschwerdestelle fehlt weiter

Im Zusammenhang mit Gewalttätigkeiten in Floridsdorf in der Silvesternacht gibt es auch Vorwürfe gegen die Polizei. Handyvideos zeigen etwa, wie Burschen mit einem Schlagstock drangsaliert werden. Eine unabhängige Beschwerdestelle existiert aber nach wie vor nicht.

Beim Dr.-Franz-Koch-Hof in der Mitterhofergasse in Wien-Floridsdorf sollen in der Silversternacht Jugendliche und junge Erwachsene Polizisten mit pyrotechnischen Gegenständen beworfen haben. Handyvideos vom Polizeieinsatz zeigen, wie Burschen geschubst, von einem Beamten in Zivil mit einem Schlagstock drangsaliert und beschimpft werden.

Das Innenministerium hatte schon im Oktober 2020 angekündigt, Fälle von erwiesener oder behaupteter Polizeigewalt würden in naher Zukunft von einer unabhängigen Prüfstelle untersucht. Eine solche wurde für die erste Jahreshälfte 2021 in Aussicht gestellt. Das Innenministerium versprach sich davon „eine Spezialisierung und Professionalisierung bei der Aufklärung von möglichen Polizeiübergriffen“, wie es seinerzeit gegenüber der APA hieß.

„Zeitliche Verzögerung“ durch Pandemie

Darauf angesprochen bekräftigte das Innenministerium am Mittwochnachmittag, die unabhängige Beschwerdestelle sei Teil des Koalitionsabkommens. Zur Umsetzung des im Regierungsprogramm festgeschriebenen Vorhabens sei eine Projektarbeitsgruppe eingerichtet und ein Konzept der Beschwerdestelle geplant bzw. entwickelt worden.

Die Pandemie hätte aber bis zum Spätsommer 2022 eine „zeitliche Verzögerung“ bewirkt, zumal der Projektentwurf in unterschiedlichen Gremien und mit Expertinnen und Experten aus dem Gebiet der Grund- und Freiheitsrechte beraten werden musste. Deren Empfehlungen sollten in den Projektvorschlag einfließen.

Zum aktuellen Stand gab das Ministerium bekannt: „Derzeit ist es so, dass die Verhandlungen fortgesetzt wurden und bereits einige wichtige Punkte final vereinbart wurden.“ Die regierungsinterne Abstimmung sei im Laufen. Weiter offen scheint damit, wann die überfällige Beschwerdestelle konkret ihre Arbeit aufnehmen soll.

Jahrelange Forderung

Menschenrechtsorganisationen und andere NGOs verlangen seit Jahren bei Verdacht auf Polizeigewalt unabhängige, weisungsfreie Erhebungen. Sie kritisieren, dass bei entsprechenden Verdachtsfällen von polizeilichen Dienstbehörden gegen Personen aus den eigenen Reihen ermittelt wird.

Polizei Wien prüft „dienstrechtlich“

Im aktuellen Fall teilte die Wiener Landespolizeidirektion auf APA-Anfrage mit, die auf Video festgehaltenen Szenen würden „dienstrechtlich geprüft“. Es gebe dafür „ein eigenes Referat für besondere Ermittlungen“. Strafrechtliche Schritte sind demnach derzeit noch kein Thema.

Bei der Staatsanwaltschaft Wien sind in dieser Sache aktuell keine Erhebungen anhängig – auch nicht gegen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die gegen die Polizei vorgegangen sein sollen. Man warte auf den polizeilichen Abschlussbericht, sagte eine Behördensprecherin.