So schaute man damals Filme im Kino.
Filmarchiv Austria
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Kultur

Die 125-jährige Geschichte der Wiener Kinos

In der Blütezeit existieren ganze 200 Kinobetriebe in Wien. In vier Bänden präsentieren die Autoren Florian Pauer und Thomas Jelinek die Ergebnisse ihrer jahrzehntelangen Recherche- und Sammeltätigkeit über das Wunder Kino.

Das zunehmende Verschwinden der Traumorte ihrer Kindheit und Jugend stieß die Autoren Florian Pauer und Thomas Jelinek dazu an, Fotos, Daten und Fakten der Wiener Kinogeschichte zu sammeln und in diesem vierteiligen Dokumentationsprojekt aufzuarbeiten. Die Mission dabei sei, das kinokulturelle Erbe Wiens möglichst detailliert zu kategorisieren, damit dieses nicht in Vergessenheit gerät.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Das Lokal im 1. Bezirk in der Kärntner Straße/Ecke Annagasse, wo die erste Filmpremiere stattfand.
Filmarchiv Austria
Das Lokal im 1. Bezirk in der Kärntner Straße/Ecke Annagasse, wo die erste Filmpremiere stattfand.
Der Cinématographe der Gebrüder Lumière.
ORF
Der Cinématographe der Gebrüder Lumière.
So schaute man damals Filme im Kino.
Filmarchiv Austria
So schaute man damals Filme im Kino.

Ursprung im ersten Bezirk

Der Cinematographe der Gebrüder Lumière wurde 1895 zum ersten Mal in Paris präsentiert, die „Lebenden Bilder“ erfreuten sich innerhalb kürzester Zeit großer Beliebtheit. Wien wurde im deutschsprachigen Raum der Vorzug gegeben und so feierte der Cinematographe im Jahre 1896 im Herzen der Stadt seine Premiere. Die allerersten Filmvorstellungen im ersten Bezirk fanden in einem Lokal in der Kärntner Straße Ecke Annagasse statt, während im 2. Bezirk der Prater als Angelpunkt des Kinos auserwählt wurde.

Bildband Kinos in Wien: Teil 2

Über die Jahrzehnte hat es so manche Kuriosität in Sachen Kino in Wien gegeben. Das Filmarchiv Austria beleuchtet in einer neuen Buch-Edition alle Kinos, die je in Wien existiert haben. „Wien heute“ wirft einen Blick in den zweiten Band mit seltenen Aufnahmen aus den Bezirken vier bis neun.

Nach und nach entstanden die ersten ortsfesten Kinos. Vor ihrer Zerstörung bestand die sogenannte „Prater-Silhouette“ aus dem Lustspielkino und dem Kristallkino, welche sich links und rechts vom Riesenrad befanden. Ebenfalls im Prater: das Buschkino. Mit unglaublichen 2.000 Sitzplätzen war es damals, bis zu seiner Zerbombung 1945, der größte Betrieb der Stadt.

Das Kino als Eskapismus

Kino war aber nicht gleich Kino: Zwar war es schon ein Ort des Vergnügens, eine Chance, in eine Welt einzutauchen, die man selbst nicht so erleben konnte. Für viele Menschen war es jedoch viel mehr eine Art Überlebensmittel. „Es war eine Möglichkeit, dem tristen Alltag zu entfliehen. Manchmal war das Kino speziell nach dem Zweiten Weltkrieg eine Wärmestube, wo es schlicht darum gegangen ist, dass man sich von der kalten Wohnung ein bisschen aufwärmen konnte“, so Ernst Kieninger, Leiter des Filmarchivs Austria.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Das Buschkino im Prater – mit 2.000 Sitzplätzen war es damals, bis zur seiner Zerbombung 1945, das größte Kino Wiens.
Filmarchiv Austria
Das Buschkino im Prater – mit 2.000 Sitzplätzen war es damals, bis zur seiner Zerbombung 1945, das größte Kino Wiens.
Das Apollo Kino im 6. Bezirk besteht noch immer, so sah es damals aus.
ORF
Das Apollo Kino im 6. Bezirk besteht noch immer, so sah es damals aus.
Die damals sogenannte „Prater-Silhouette“, die aus dem Lustspielkino und dem Kristallkino bestand, welche sich links und rechts vom Riesenrad befanden.
Filmarchiv Austria
Die damals sogenannte „Prater-Silhouette“, die aus dem Lustspielkino und dem Kristallkino bestand, welche sich links und rechts vom Riesenrad befanden.
Das Votiv Kino im 9. Bezirk gibt es auch heute noch.
ORF
Das Votiv Kino im 9. Bezirk gibt es auch heute noch.
Das Fliegerkino im 9. Bezirk – heutzutage dient es für Theateraufführungen und andere Veranstaltungen.
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Das Fliegerkino im 9. Bezirk – heutzutage dient es für Theateraufführungen und andere Veranstaltungen.

Während der Hochzeit der Wiener Kinogeschichte existierten gleichzeitig 200 Betriebe. Meist befanden sich gleich mehrere Standorte im selben Grätzel, die man nacheinander abklapperte. Die Kinobetreiberinnen und -betreiber waren demnach maßgeblich für die Freizeitgestaltung der Bevölkerung verantwortlich und bildeten eine fast flächendeckende Infrastruktur zur kulturellen Nahversorgung.

Cover von Band eins des Dokumentationsprojekts „Die Wiener Kinos“.
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Buchhinweis

Florian Pauer, Thomas Jelinek: Die Wiener Kinos. Dokumentation 1896-2022. Filmarchiv Austria, 483 Seiten, 49,90 Euro.

Das Kinosterben

In den 70er Jahren mussten sich viele Kinos neu erfinden oder sind ganz von der Bildfläche verschwunden. Eine Überlebensstrategie: Sex- und Pornofilme im Programmangebot aufnehmen. Mit der Revolution des Fernsehens begann das große Kinosterben dann aber endgültig. Heute bestehen in Wien nur noch wenige Traditionshäuser, beispielsweise das Metro oder das Gartenbaukino. Sie erinnern an die großartige und florierende Ära des Kinos und repräsentieren noch bis heute Zeitgeschichte.

Zwei der insgesamt vier Bände über die Wiener Kinogeschichte sind bisher im Handel erhältlich und umfassen die Bezirke eins bis neun.