Gedenkort, viele Kerzen auf der Straße
APA/Helmut Fohringer
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POLITIK

Terror in Wien: Kritik an Innenministerium

Scharfe Kritik übt die Volksanwaltschaft am Innenministerium bezüglich des Terroranschlages von Wien. Das berichtet die Tageszeitung „Standard“. Das Innenressort soll unter anderem Prüfern Akten verweigert haben.

Lückenhafte Ermittlungen, Fehleinschätzungen und Rechtsirrtümer: In einem Sonderbericht zum Terroranschlag von Wien geht die Volksanwaltschaft hart mit dem Innenministerium ins Gericht. Drei Prüfbeamte aus dem Geschäftsbereich von Volksanwalt Walter Rosenkranz (FPÖ) haben sich monatelang mit den Ereignissen rund um die Terrornacht vom 2. November 2020 beschäftigt, bei der der dschihadistische Attentäter K. F. vier Personen ermordete, bevor er selbst von der Polizei erschossen wurde.

Die Volksanwaltschaft empfiehlt Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nun eine „lückenlose disziplinarrechtliche Aufklärung“ der Versäumnisse im Verfassungsschutz. Aber auch das Verhalten des Ministeriums rund um die Prüfung der Volksanwaltschaft wird kritisiert. Mehrfach seien Aktenlieferungen oder die Beantwortung von Fragen der Prüfer verweigert worden – laut Volksanwaltschaft handelte es sich dabei um einen „Rechtsirrtum“ des Innenministeriums. An Akten sei man nur über das Justizministerium gelangt, das sich kooperativ gezeigt habe.

Beamte hätten Gefährlichkeit erkennen müssen

Inhaltlich rügt die Volksanwaltschaft das Verhalten der Beamten vor allem im Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Wien. Es habe mehrere Hinweise gegeben, wie gefährlich der spätere Attentäter K. F. sei und zwar schon Monate vor dem Anschlag. Zwei Verfassungsschützer des LVT Wien glaubten etwa, K. F. auf verschwommenen Fotos von dessen versuchtem Munitionskauf in der Slowakei erkannt zu haben. Auch das Kennzeichen jenes Autos, in dem K. F. in die Slowakei kutschiert wurde, sei bekannt gewesen.

Es habe aber auch Hinweise darauf gegeben, dass K. F., der bereits wegen versuchter Ausreise nach Syrien verurteilt worden war, erneut ins IS-Gebiet reisen wollte. Auch sei der spätere Attentäter bei einem Treffen mit Dschihadisten aus Deutschland und der Schweiz dabei gewesen.

Volksanwaltschaft sieht Missstand

Die Volksanwaltschaft kommt zur Ansicht, dass die Beamten des Verfassungsschutzes jedenfalls die Staatsanwaltschaft hätten informieren sollen, damit sich auch diese mit K. F. befasst. „Die ausschließliche Konzentration auf Maßnahmen zur (sicherheitspolizeilichen) Gefahrenabwehr kann vor diesem Hintergrund nicht als Ausdruck eines legitimen Beurteilungsspielraumes angesehen werden“, heißt es in dem Sonderbericht. Der unterlassene Hinweis an die Staatsanwaltschaft sei ein „folgenschwerer Verwaltungsmissstand“.

Volksanwalt Rosenkranz lud am Montag für den 18. Jänner zu einem Pressegespräch, bei dem der Inhalt des „Sonderberichts“ Thema sein soll. Im Fokus des Prüfverfahrens sei die Frage gestanden, ob die Reaktionen der Sicherheitsbehörden auf die Information des versuchten Waffenkaufs durch den späteren Attentäter angemessen waren und ob etwa die Staatsanwaltschaft rechtzeitig eingebunden worden war.

Ministerium verwies auf eingestellte Ermittlungen

Im Innenministerium verwies man auf APA-Anfrage auf seitens der Staatsanwaltschaft bereits eingestellte Ermittlungen gegen Beamte des LVT. Grundlage dieser Ermittlungen waren Anzeigen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs. "Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) hat die Ermittlungen über Anordnung und in enger Kooperation mit der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption geführt.

Zur vorliegenden Verdachtslage wurde nach Maßgabe der Strafprozessordnung umfassend ermittelt und das Ergebnis der WKStA berichtet. Nachdem das Ermittlungsverfahren von der WKStA im September 2022 eingestellt worden ist, hat die zuständige LPD Wien den Sachverhalt disziplinarrechtlich genau geprüft", sagte der Leiter der Präsidialsektion im Innenministerium, Karl Hutter, in einer schriftlichen Stellungnahme. „Diese Prüfung hat ergeben, dass weder dienstrechtliche noch disziplinäre Maßnahmen gegen die betroffenen Bediensteten zu ergreifen waren.“

Kritik von SPÖ und NEOS

SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner zeigte sich in einer Aussendung über das „unkooperative Verhalten des Innenministeriums bei der Aufklärung des Terroranschlags in Wien“ verärgert: „Der Innenminister sollte ein Interesse an der Aufklärung der Missstände um den Terroranschlag haben. Es ist sein Ressort, das viele Fehler gemacht hat, wie der Bericht einmal mehr bestätigt. Da gibt es offensichtlich offene Baustellen.“

Kritik kam auch von NEOS-Abgeordneter Stephanie Krisper. Der Bericht zeige einmal mehr, dass im Vorfeld des Anschlags „vieles verabsäumt und wenig unternommen worden ist“, sagte sie zum „Standard“.