Ein Arzt und ein Pfleger stehen an einem Krankenbett
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Gesundheit

Pflegekräfte wechseln zu Zeitarbeitsfirmen

Mittlerweile gibt es kaum eine Branche mehr ohne Personal- oder Fachkräftemangel. Im Gesundheitsbereich zeigt sich eine besondere Entwicklung. Es verlassen offenbar immer mehr Pflegerinnen und Pfleger ihren fixen Job und gehen zu Zeitarbeitsfirmen.

Früher war Sandra in einem städtischen Krankenhaus und in einem Privatspital angestellt. Jetzt arbeitet die diplomierte Krankenpflegerin bei einer Personaldienstleistungsagentur. Von ihr wird Sandra einer Pflegeeinrichtung überlassen und arbeitet dort ganz nach ihren Wünschen. „Ich arbeite 40 Stunden – keine Wochenenden, keine Nachtdienste, auch keine Feiertage. Wobei ich sagen muss, ab und zu, wenn Not am Mann ist, springe ich schon ein. Aber das entscheide ich. Ich müsste es nicht tun.“

Suche nach weiteren Pflegekräften

Bei einer fixen Anstellung sei das nicht möglich, sagt Sandra. Auch Überstunden macht Sandra nicht. Die Nachfrage nach Pflegepersonal in der Agentur ist groß und wird immer größer, erzählt Geschäftsführerin Karin Hamminger von der Agentur Pflegegruppe. „Früher haben wir uns mit den Mitbewerbern um die Auftraggeber gematcht, jetzt matchen wir uns um die Bewerber.“

Rund 80 Pflegekräfte managt Hamminger in ihrer Firma. 50 weitere würde sie sofort anstellen, wenn es sie gäbe. Jeden Tag kämen zehn bis 15 Anfragen von Gesundheitseinrichtungen, die Pflegekräfte suchen, von kurzfristig bis langfristig. Hamminger: „Dann gibts immer die ganz drastischen Personalausfälle, wo man heute für morgen oder Vormittag für Nachmittag anfragt.“

Zwei Krankenbetten
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Bei Zeitarbeitsfirmen können die Angestellten selbst entscheiden, wann und wie viele Stunden sie arbeiten

Bezahlung nach Kollektivvertrag

Die meisten der rund 100.000 Zeitarbeitskräfte in Österreich sind in der Industrie und im Gewerbe, in der Produktion und in der Logistik beschäftigt. Es gibt aber auch welche in der Pharmaindustrie, sagt Martin Zieger, Präsident des Verbandes Österreichs Personaldienstleister. „Wir könnten als Branche sofort 30.000 Stellen besetzen in den nächsten Tagen und suchen die Mitarbeiter dafür. Bei uns im Unternehmen ist es so, dass wir uns in den nächsten Tagen verdoppeln könnten, wenn wir alle Mitarbeiter finden würden.“

Zieger führt die Personaldienstleistungsfirma Powerserv Austria. Zeitarbeitskräfte sucht er jetzt auch über die sozialen Netzwerke. Dass Leiharbeit kein sicherer Arbeitsplatz sei und zu wenig soziale Absicherung biete, sei ein Vorurteil, sagt er. „Wir haben mittlerweile einen Mindestkollektivvertrag von 1.800 Euro brutto. Da liegen wir weit vor anderen Branchen. Wenn in Firmen mehr gezahlt wird, zahlen wir den höheren Lohn, und oft werden auch Mitarbeiter dann nach einer gewissen Zeit von den Betrieben fix ins Arbeitsverhältnis übernommen, weil sie sich als so qualifiziert erweisen.“

Pflegekräfte: Lieber Zeitarbeit als fixer Job

Die angespannte Situation in den Spitälern hat ungewöhnliche Folgen: Denn etliche Pflegekräfte kündigen ihre fixen Jobs, um dann bei Zeitarbeitsfirmen anzuheuern, die sie wiederum an Gesundheitseinrichtungen vermitteln. Der Grund: geregeltere Arbeitszeiten.

Deutschland mit Vorsprung

Um für den Pflegebereich mehr Fachkräfte zur Verfügung zu haben, die dann wiederum Spitälern und Pflegeeinrichtungen überlassen werden können, bräuchte es eine Änderung der Rahmenbedingungen, so die Geschäftsführerin der Agentur Pflegegruppe. „Wir dürfen niemanden aus Drittstaaten überlassen. Da hat uns Deutschland einiges voraus. Die dürfen Pflegekräfte nach der Nostrifikation aus Drittstaaten in die Arbeitskräfteüberlassung übernehmen. Das heißt, Deutschland nimmt uns hier die besten Kräfte weg“, sagt Hamminger.