Biedermeierhaus vor Abriss
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Chronik

„Pickerl“ gegen Abrisse von Altbauten

Eine Art „Pickerl“ soll es bald auch für Wiens Altbauten geben. Regelmäßige technische Überprüfungen sollen verhindern, dass Häuser teilweise so lange verfallen, bis sie schließlich wegen des schlechten Zustands abgerissen werden dürfen.

Wenn Gründerzeithäuser immer mehr verfallen, weil die Besitzerinnen und Besitzer keine Erhaltungsarbeiten durchführen lassen, droht irgendwann die „wirtschaftliche Abbruchreife“. Das heißt, dass die Sanierung den Wert des Hauses übersteigt und daher der Abriss genehmigt werden kann, um Platz für lukrativere Neubauten zu machen.

Der Architekturblogger Georg Scherer beobachtet auf seiner privaten Internetseite Wienschauen.at seit Jahren solche Fälle. Er fordert schon lange, dass Wiens Altbauten besser geschützt werden. „Es gibt eine Erhaltungspflicht, und eigentlich sollten die Gebäude baulich gut erhalten bleiben. Das Problem ist, dass das nicht ausreicht und viele Gebäude verfallen – und nach derzeitiger Gesetzeslage kann man da nicht eingreifen“, schilderte Scherer gegenüber „Wien heute“.

Prüfpickerl für Altbauten

Bald soll es eine Art Prüfpickerl für Altbauten geben, wodurch verhindert werden soll, dass Häuser verfallen und wegen des schlechten Allgemeinzustands abgerissen werden dürfen. Noch heuer soll die Baurechtsnovelle, die derzeit im Rathaus ausgearbeitet wird, präsentiert werden.

Baurechtsnovelle noch heuer

Laut dem Leiter der Wiener Baupolizei, Gerhard Cech, ist das größte Problem der aktuellen Gesetzeslage, dass Missstände derzeit meist zu spät gemeldet werden. „Das Problem ist, dass in dem Augenblick, wo das Gebäude abbruchreif ist, wir nicht mehr viel daran ändern können. Wir müssen daher früher ansetzen und schauen, dass die Gebäude gar nicht erst in diesen Zustand kommen“, so Cech.

Im Wiener Rathaus wird derzeit an einer großen Baurechtsnovelle gearbeitet, die noch heuer präsentiert wird. Für den Erhalt der rund 3.000 Wiener Altbauten soll eine Verpflichtung zu einer regelmäßigen, dokumentierten Überprüfung kommen, durchgeführt von Fachkräften der Baubranche – also so ähnlich wie beim „Pickerl“ fürs Auto.

Durchgeführt würde diese Überprüfung einerseits von Ziviltechnikerinnen und -technikern und gerichtlich beeideten Sachverständigen, erklärte der Leiter der Baupolizei. „Bei der Menge an Häusern wird man aber wohl auch auf Baumeister, Baumeisterinnen und andere Sachverständige zurückgreifen müssen.“

Forderung nach Einschränkung bei Abbruchreife

Interessensgemeinschaften wie die Initiative Denkmalschutz und Blogger Scherer begrüßen diesen Schritt zu mehr Sicherheit für die Altbauten. Aber man sollte auch die Möglichkeit der wirtschaftlichen Abbruchreife einschränken, betont Scherer: „Solange man auf Basis von privaten Gutachten Häuser einfach abreißen kann, bringt das nicht so viel. Und diese Abrisse sind ja eigentlich überall möglich, sogar in Ortsbildschutzzonen und sogar in Zonen des UNESCO-Weltkulturerbes.“