Autorin Beatrice Frasl
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Gesundheit

„Patriarchat verstärkt psychische Krankheiten“

Das Gesundheitssystem in Österreich vernachlässige psychische Erkrankungen massiv und das Patriarchat mache vor allem Frauen psychisch krank: Das schreibt die Wienerin Beatrice Frasl in ihrem neuen Buch „Patriarchale Belastungsstörung“, samt etlicher Forderungen.

Geht es um Geschlechterforschung, Frauenpolitik und psychische Erkrankungen, stößt man bei Beatrice Frasl auf offene Türen. In ihrem Buch bezieht sich die Kulturwissenschafterin und Geschlechterforscherin auf etliche Studien zum Thema „Psychische Gesundheit“, zeigt Probleme und Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven.

Ungleichheit als Auslöser für psychische Erkrankungen

Ein Fokus ist der Geschlechterunterschied. Laut Frasl sei es das Patriarchat – also die männerdominierte Gesellschaft –, das krank macht. Frauen leiden doppelt so oft an Depressionen wie Männer. „Frauen sind öfter arm oder armutsgefährdet, sie verdienen weniger, sie bekommen weniger Pension. Frauen machen wesentlich mehr unbezahlte Arbeit zu Hause, aber auch die Pflege von Kranken und Angehörigen. Und das schlägt sich auf die Psyche von Frauen“, so Frasl im „Wien heute“-Interview.

Psychische Belastungen bei Frauen

In ihrem neuen Buch schreibt die Wienerin Beatrice Frasl über die psychischen Belastungen bei Frauen und deren Einflussfaktoren. Sie übt auch Kritik am österreichischen Gesundheitssystem.

Dazu komme die Erwartungen an das Spiegelbild einer Frau. Schon früh gehe das auf die Psyche – Essstörungen seien die Folge. „Also wir wissen schon von sechsjährigen Mädchen, dass sie sich dick fühlen. Das reicht bis ins hohe Erwachsenenalter.“

Kein „Männerbashing“

Auf Männer von oben herabblicken will sie mit ihrem Buch aber keineswegs. „Es geht überhaupt nicht darum, auf Männer hinzuhauen“, sondern ihr Buch eher ein Appell an Männer, denn bei ihnen würden psychische Probleme oft unentdeckt bleiben.

„Und die Frage ist, warum? Eine mögliche Antwort ist, dass wir in einer patriarchalen Gesellschaft eben schon jungen Burschen und Männern ein Männlichkeitsbild vermitteln, das ihnen sagt: Du musst stark sein, du musst dich durchsetzen, du darfst nicht weinen“, betonte Frasl.

Lange Wartezeiten auf Kassenplätze

Allerdings ein Grund zum Heulen für die Autorin: Das österreichische Gesundheitssystem und die Politik vernachlässigen laut Frasl psychische Erkrankungen auf allen Ebenen. Psychotherapie eine teure Angelegenheit: zwischen 80 und 160 Euro pro Einheit und die Plätze, die kassenfinanziert sind, begrenzt. Die Wartezeit beträgt oft mehrere Monate.

Buchhinweis

Beatrice Frasl. „Patriarchale Belastungsstörung. Geschlecht, Klasse und Psyche“. Haymon Verlag, 384 Seiten, 19,90 Euro.

Das sei laut Frasl „unmenschlich und unerträglich“. „Wenn man das mit einer körperlichen Erkrankung vergleicht – zum Beispiel mit einem Beinbruch und da wird dann gesagt: ‚Wir haben nur fünf Plätze und die sind schon vergeben‘.“ Auch psychische Akutfälle müssten sofort behandelt werden, sonst könne es oft auch lebensgefährlich werden.

Psychotherapie zur Gänze übernehmen

Ihre Forderung lautet unter anderem, dass Psychotherapie zur Gänze eine Kassenleistung sein sollte. Auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) soll schon eine Ausgabe des Buches erhalten haben.

Auf „Wien heute“-Anfrage hieß es dazu aus dem Gesundheitsministerium, dass die Ausgestaltung des Angebots für Psychotherapie als Krankenbehandlung in der Zuständigkeit der Krankenversicherungsträger im Rahmen ihrer Selbstverwaltung liege. „Dennoch ist aus Sicht des Gesundheitsministeriums ein weiterer Ausbau der Versorgung in Österreich notwendig“, hieß es in der Stellungnahme.