Ein Bagger schüttet Pellets aus
AFP/Jean-Francois Monier
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Umwelt & Klima

Pellets als „Brückenlösung“ wider Willen

Fernwärme und Gasheizungen sorgen in erster Linie dafür, dass die Wiener Haushalte warm sind. Pelletheizungen spielen in der Stadt eine untergeordnete Rolle. Jetzt könnten sie aber eine „Brückenlösung“ beim Gasausstieg werden, die keiner so recht will.

17 Jahre hat Wien noch Zeit, um das selbstgesteckte Klimaziel zu erreichen. 2040 soll Wien klimaneutral sein. Ein besonders harter Brocken ist der Wohnungssektor. In Wien gibt es 980.000 Wohnungen, in nicht ganz der Hälfte davon wird mit Gas geheizt. Um das Gas aus den Häusern herauszubekommen, wird die Fernwärme eine zentrale Rolle spielen. Doch noch hat die Fernwärme nicht ganz Wien erreicht, auch innerhalb des Gürtels in den Gründerzeitvierteln gibt es noch Flecken ohne Fernwärme. Das ruft jetzt ein Heizsystem auf den Plan, das man vor allem vom Land kennt: die Pelletheizung.

Späterer Wechsel fraglich

Als „Brückenlösung“ werde sie mitunter eingebaut, erzählt Gerhard Gössinger, Berater bei „Hauskunft“, der Sanierungsberatung der Stadt Wien. Mit einer Pelletheizung wird die Infrastruktur im Haus geschaffen. Man richtet einen Heiz- und einen Lagerraum ein. Die Wohnungen werden zudem schon an eine Zentralheizung angeschlossen. Damit sind viele Voraussetzungen für einen späteren Anschluss an die Fernwärme gegeben. Sobald die Lebensdauer der Pelletöfen erreicht ist, könne die Fernwärme mehr oder weniger problemlos angeschlossen werden.

Ob das wirklich passiert, bezweifelt Karlheinz Erb. Er ist Sozialökologe an der Universität für Bodenkultur (BOKU). „Wenn ein Haus oder ein großes Gebäude in eine Pelletheizung investiert, die sehr teuer ist, dann wird dieses Haus oder diese Eigentümergemeinschaft oder auch der einzelne Besitzer versuchen, möglichst lang auf diese Heizung und auf diesem Energieträger sitzen zu bleiben.“ Pellets werden zu einem relativ starken Lock-in-Effekt führen, so der Wissenschaftler.

Hoher Wunsch nach Gasausstieg

Die Gründe, warum sich jetzt trotzdem Menschen dafür entscheiden, eine Pelletheizung zu installieren, sieht Gössinger in den Entwicklungen der letzten Jahre. „Vor allem seit dem Beginn der Ukrainekrise merken wir auch innerhalb unserer Beratungen, dass sehr viele Menschen raus aus den fossilen Brennstoffen wollen, was hauptsächlich Gas ist. Und viele verspüren auch einen persönlichen Druck, weil sie keine fossilen Brennstoffe mehr verwenden wollen.“ Die Folge sind mitunter überstürzte Entscheidungen.

Auch politisch wird seit Jahren der Gasausstieg forciert, wohl nicht allen geht die Umrüstung jetzt schnell genug. Derzeit wird laut Zahlen der Statistik Austria in rund 400.000 Wiener Haushalten mit Gas geheizt. Die Wiener Stadtregierung sprach vergangene Woche von 580.000 Gasthermen. Wie viele es genau sind, weiß zumindest auf ORF-Nachfrage niemand. Im Jahr 2040 sollen dann rund 56 Prozent aller Haushalte an die Fernwärme angeschlossen werden, der Rest an andere erneuerbare Heizsysteme.

Mehrere Gründe gegen Pellets

In Pelletheizungen sehen Expertinnen und Experten aber keine breite Lösung. Aus unterschiedlichen Gründen: „Finger weg“ – zumindest bei mittelgroßen Wohnhäusern –, sagt dazu etwa Hans Jörg Ulreich, Sprecher der österreichischen Bauträger. Alle anderen Möglichkeiten müssten zuerst geprüft werden, sagt Ökologe Erb.

Ein großes Problem sei die Anlieferung der Pellets in die Stadt, sagt Robert Breitschopf, Innungsmeister der Wiener Installateure. „Wenn ich im ländlichen Bereich bin und mit Holz heize, sehe ich das als sinnvoll an. Wenn ich im innerstädtischen Bereich bin und ich muss das Holz hierher transportieren, haben wir wieder Schadstoffemissionen.“

Ein Kran hebt einen Baumstamm im Wald auf
AFP/Ivo Panasyuk
Zu viele Pelletheizungen würde zu gefährlichen Eingriffen in den Wald führen, befürchtet der Ökologe

Pellets selbst gelten als klimaneutral, weil sie beim Verbrennen so viel CO2 ausstoßen, wie der Baum im Lebenszyklus aufgenommen hat. Das sei aber ein zweischneidiges Schwert, sagt Ökologe Erb. Pellets sind ein Nebenprodukt der Holzindustrie. Wenn man nur das einsetzt, was dort anfällt, „spricht nichts dagegen, diese Pellets dann auch zu verheizen“.

Wenn jetzt aber mehr Haushalte auf Pelletheizungen setzen, dann würde die Pelletindustrie, schätzt Erb, auch direkt „in den Wald gehen“ und Bäume für den Einsatz als Pellets schlägern. Dann würde einerseits der Kohlenstoffspeicher der Wälder reduziert und andererseits der Ausstoß an CO2 erhöht. Er empfiehlt daher, zunächst alle anderen möglichen Maßnahmen zu prüfen, bevor man eine Pelletheizung in der Innenstadt errichtet.

Praktische Probleme

Bauträgersprecher Ulreich rät von Pelletheizungen aus einem praktischen Grund ab. Er habe selbst in einigen Häusern Pelletheizungen eingebaut. Diese seien fehleranfällig, sagt er. Es brauche Personen, die sich um technische Fehler direkt kümmern können. In Einfamilienhäusern oder Wohnhäusern mit Hunderten Wohneinheiten könne man das einrichten, weil sich Hausbesorgerinnen oder Hausbesorger die Fehler beheben können. In Einfamilienhäuser seien ohnehin die Eigentümerinnen und Eigentümer immer da.

Gerade in den Wiener Einfamilienhäusern ist der Anteil von Pelletheizungen auch jetzt schon nicht vernachlässigbar. 86.000 Einfamilienhäuser gibt es im Stadtgebiet, in rund 1.600 gibt es laut Zahlen von der Interessensvertretung ProPellets eine Pelletheizung. Anders sieht es derzeit noch bei Mehrparteienhäusern aus. ProPellets sind rund 50 Wohnhausanlagen bekannt, in denen mit einer Pelletheizung geheizt wird. Fehleranfällig seien vor allem die neueren Generationen von Öfen nicht mehr.

Sanierung lässt sich kaum vermeiden

Rein technisch gesehen haben Pelletheizungen derzeit einen Vorteil. Beim Verbrennen entsteht eine hohe Temperatur ähnlich wie bei Gasheizungen. Damit kann die Heizinfrastruktur wie Radiatoren in Altbauten weiter genützt werden, erklärt Christian Rakos, Geschäftsführer von ProPellets. Die meisten Häuser werden künftig wohl an die Fernwärme angeschlossen, sind sich fast alle einig.

Unterstützung kommt auch von Rakos. „Pelletheizungen sind nur dort sinnvoll, wo keine Fernwärme hinkommt.“ Im innerstädtischen Bereich würde Fernwärme am meisten Sinn machen. Bei Wärmepumpen und Fernwärme wird mit niedrigeren Temperaturen geheizt, damit ist der Energieverbrauch auch geringer, die Häuser müssen jedoch saniert und gedämmt werden. Geheizt wird fast ausschließlich über Fußbodenheizungen.

Saniert werden muss größtenteils sowieso, weil es die Energieeffizienz steigert. Eine Studie der Wien Energie zur Dekarbonisierung der Stadt geht davon aus, dass der Wärmebedarf bis 2040, obwohl die Stadt weiter wachsen wird, um circa 18 Prozent reduziert werden muss. Das ist nur mit großflächigen thermischen Sanierungen von Gebäuden möglich. Das hilft aber wiederum der Fernwärme, die dafür mehr Haushalte mit weniger Energieaufwand heizen kann.

Ein altes Einfamilienhaus im Hintergrund sieht man die Biotope City am Wienerberg
ORF/Matthias Lang
Gerade in Einfamilienhäusern kann laut Interessensvertretung eine Pelletheizung Sinn machen

Nichts überstürzen

Der Innungsmeister der Installateure, Robert Breitschopf, spricht sich in Bezug auf Pelletheizungen sogar für eine derzeit ungewohnt wirkende Maßnahme aus. Bevor man eine Pelletheizung als „Brückenlösung“ einbaut, „macht es weitaus mehr Sinn, wenn man eine Gasheizung hat, dass man die noch belässt. Ich glaube, das macht mehr Sinn als für drei, fünf, sieben Jahre wieder mit Holz zu heizen“.

Auch Gössinger von der „Hauskunft“ empfiehlt, nichts zu überstürzen. In den nächsten zwei, drei Jahren rechnet er mit einem Ausbauplan für Fernwärme. In der Zwischenzeit können Hausbesitzer – ob Einzelbesitzer oder Eigentümergemeinschaft – beginnen, ein Sanierungskonzept zu erstellen. „Der erste Schritt einer Heizungsumrüstung wäre immer die bestmögliche Dämmung eines Gebäudes. Wenn ein Gebäude dann vom Energieverbrauch niedriger ist, hat man dann auch als Eigentümer mehr Optionen bei der Wahl des Heizsystems.“