Gasheizung
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Wirtschaft

Experten sehen Gasausstiegspläne kritisch

Bis 2040 will die Wiener Stadtregierung das Ende von Gasthermen besiegelt haben und auf klimaneutrale Heizformen umsteigen. Branchenexperten sehen den Plan kritisch und zweifeln an der Umsetzbarkeit.

Die rund 580.000 Gasthermen in der Stadt laufen derzeit aufgrund des Wintereinbruchs auf Hochtouren. Dass sie in 17 Jahren allesamt aus der Stadt verschwunden sind, sei unrealistisch, sagt Hans Jörg Ulreich, Sprecher der österreichischen Bauträger. „Bei den Thermen gibt es keine Regelung, wer den Thermentausch zahlt, dann gibt es keine Verpflichtung des Mieters, sich von der Therme auf Fernwärme umstellen zu müssen, also wenn wer das nicht will, muss ich eine Gasleitung und eine Fernwärme hochführen.“

Bei vielen Häusern sei die Fernwärme nicht vor der Tür, sagt Ulreich. „Wenn man anfragt, können sie nicht einmal sagen, ob und wann da was hinkommt, also es ist keine Chance für eine Dekarbonisierung.“ Um klimafreundliche Wärmepumpen oder Solaranlagen statt Gasthermen zu installieren, fehle bei Zinshäusern oft der Platz, so der Bauvertreter.

Keine Gasthermen mehr bis 2040

Die Wiener Stadtregierung will, Gasthermen in Wien bis 2040 verbannen, wie sie vergangene Woche bei der Klausur nochmals betont hat. Viele Fragen rund um die praktische Umsetzung sind jedoch noch offen.

Personelle Probleme

Geht es nach der SPÖ-NEOS-Koalition, soll die Hälfte aller heute mit Gas beheizten Wohnungen an die Fernwärme angeschlossen werden. „Wir haben uns vorgenommen und da sind wir auch mitten dabei einen Ausbauplan für die Fernwärme für ganz Wien vorzulegen, wo sie hinkommen soll und dann wird man den Zug um Zug umsetzen, und im Altbau vielleicht muss man auch Übergangsstufen machen“, erklärte Peter Weinelt, stellvertretender Direktor der Wiener Stadtwerke. Gemeint sind technische Übergangslösungen.

Die Hauptarbeit des Thermenaustauschs wird wohl bei den Installateuren liegen. Personell sei das in dieser Zeit schwer schaffbar, heißt es. Skepsis gibt es auch bei anderen Punkten, sagt Robert Breitschopf, Innungsmeister der Installateure in der Wiener Wirtschaftskammer. „Ich finde es gut, dass die Stadtregierung sich etwas überlegt zu diesem Thema, alleine aus meiner Sicht ist es aktuell nicht ganz realistisch. Jetzt wollen wir viel erneuerbare Energie, viel Sonnenstrom produzieren, alleine: man kann ihn noch nicht vernünftig speichern.“

Ein Installateur bei einer Gasheizung
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Für die Ausstiegspläne braucht es enorme Personalressourcen

1,3 Milliarden pro Jahr

Auch der Stadtwerke-Chef spricht von einem ambitionierten und herausfordernden Vorhaben. „Ob alles bis 2040 realistisch umsetzbar ist, möchte ich 2023 nicht diskutieren, ich kann ihnen das 2040er-Jahr nicht vorhersagen, aber ich weiß, wenn wir uns alle bemühen, werden wir alle sehr weit kommen. In Wahrheit, ob wir dann von den 600.000, 550.000 umgesetzt haben, wäre es auch ein Riesenerfolg.“

Die Stadtregierung will künftig jedes Jahr mehr als 1,3 Milliarden Euro in den Umstieg auf erneuerbare Energien investieren. Der Austausch der Gasheizungen soll nicht durch Zwang erfolgen, sondern aufgrund von Anreizen. Aber wer heute mit Fernwärme heizt, ist aber trotzdem nicht unabhängig vom Gas: Rund die Hälfte der Wärme wird immer noch mit dem klimaschädlichen Energieträger erzeugt, vor allem durch die sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung in Kraftwerken, die dadurch effizienter werden.

Vier-Säulen-Modell bei Wien Energie

Bereits jetzt sei Fernwärme umweltfreundlich, jährlich werden 1,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart, hieß es am Montag von der Wien Energie. Mit einem Vier-Säulen-Modell soll der Ausstieg vom Gas bei der Produktion von Fernwärme gelingen.

Eine wichtige Säule bei der sogenannten Dekarbonisierung der Fernwärme spielt die Geothermie. Ein Viertel der Fernwärme soll mittels Wärmevorkommen unter der Stadt abgedeckt werden. Dass man in Wien auf geothermische Energie zurückgreifen, ist laut Linda Kirchberger von Wien Energie „großes Glück“. Die erste Geothermie-Anlage entsteht derzeit in der Seestadt Aspern und geht 2026 in Betrieb. 20.000 Haushalte werden dann mit Wärme aus der Tiefe versorgt.

Ein weiteres Viertel der Fernwärme wird in Zukunft durch die Abwärmenutzung der Industrie gewonnen. Auch der Müll kann genutzt werden, um Fernwärme zu erzeugen. Das macht wiederum ein Viertel aus. Weiterhin soll es Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen geben, diese sollen aber zunehmend mit grünem Gas betrieben werden und so bis 2040 Null-CO2-Emissionen erreichen.