Der neue Intendant der Wiener Festwochen, Milo Rau
APA/Hans Klaus Techt
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Kultur

Milo Rau neuer Festwochen-Intendant

Der Schweizer Theater- und Filmemacher Milo Rau wird Intendant der Wiener Festwochen. Das gab Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) heute Vormittag bekannt. Rau ersetzt dabei Intendanten Christophe Slagmuylder.

Mit Rau übernimmt einer der im deutschsprachigen Raum gefeiertsten und wohl einer der aktuell relevantesten Theatermacher das Ruder der Festwochen, denen zuletzt die Pandemie schwer zugesetzt hatte, die aber auch darüber hinaus unter den letzten beiden Intendanzen in eine gewisse programmatische Identitätskrise geraten waren.

Auf das „Mission Statement“ des Festivals, das sich vorschreibt, den „Rahmen für neue Allianzen zu schaffen“, „visionäres und dennoch mit der Geschichte vertraute“ multidisziplinäre Kunst zu ermöglichen, passt die Biografie Raus wie maßgeschneidert. Der 46-Jährige folgt auf Slagmuylder, der sich entschieden hatte, seinen Vertrag vorzeitig zu beenden und schon heuer an das renommierte Kulturzentrum Bozar in seiner Heimatstadt Brüssel zu wechseln.

Kaup-Hasler wünschte sich von Rau, wieder mehr Publikum anzuziehen und eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Zahlen wollte sie dazu nicht nennen. In der Vergangenheit beklagten die Festwochen einen Besucherschwund. Analog zu seinem Genter Manifest will er auch ein Wiener Manifest erstellen und erarbeiten, was diese Stadt, was Europa brauche. Dieses soll sehr konkret sein und fassbar machen, was funktioniert habe und was nicht. Im Fokus stehe für ihn das internationale Texttheater mit „Crossovers“ in andere Sparten wie Musiktheater und Ausstellungen.

Auseinandersetzung mit aktuellen Konflikten

Rau leitet seit 2018 das Theater NTGent in Belgien und ist ein gefragter Kolumnist und Essayist sowie Dozent für Regie, Dramatik und Kulturtheorie an verschiedenen Universitäten und Kunsthochschulen. Mit seiner 2007 gegründeten Produktionsgesellschaft International Institute of Political Murder stellt er regelmäßig historische und gesellschaftliche Konflikte und Themen, aufgearbeitet durch akribische Nachforschung, ins Zentrum seiner Arbeit.

So brachte er die Rede des Utoya-Attentäters auf die Bühne (2012, „Breiviks Erklärung“), versammelte er für den Dokumentarfilm „Kongo Tribunal“ (2017) im Ostkongo Opfer, Täter, Zeugen und Analytiker des Kongo-Krieges zu einem einzigartigen zivilen Volkstribunal, für das Theaterprojekt „Orestes in Mossul“ (2019) probte und spielte Rau die antike Tragödie mitten in den Trümmern der von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) besetzt gewesenen irakischen Millionenstadt Mossul.

Die Liste der Auszeichnungen, die Rau für seine Arbeiten bereits erhalten hat, würde den Rahmen jeder Aufzählung sprengen – sowohl seine Filme als auch seine Theaterarbeiten werden vom Feuilleton regelmäßig gefeiert. Raus Arbeiten sind auf allen renommierten Festivals zu sehen – von den Salzburger Festspielen bis zum Berliner Theatertreffen, vom Festival d’Avignon zur Biennale Venedig und zum Brüsseler Kunstenfestivaldesarts.

Regelmäßiger Gast in Wien

Aber auch die Wiener Festwochen sind für Rau nun kein neues Feld, bereits mehrere Produktionen des Regisseurs waren im Rahmen des Festivals zu sehen – etwa 2013 seine Videoinstallation zu einer Arbeit über die Pussy-Riot-Proteste, 2015 mit „The Civil Wars“, einem Dokumentarstück recherchiert im belgischen Salafisten- und Rechtsradikalenmilieu, 2017 mit „Agora“, einem demokratischen Experiment mit Zuschauerpartizipation, 2019 mit der erschütternden Produktion „Orest in Mossul“.

Raus erste Opernproduktion „La Clemenza di Tito“, die 2021 in Genf – pandemiebedingt nur im Livestream – Premiere gefeiert hatte, hätte danach auch in Wien gezeigt werden sollen, musste aber aufgrund der damals noch gültigen Beschränkungen abgesagt werden.