Christoph Chorherr im Wien heute Studio
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Politik

Chorherrs ernüchternde Bilanz nach Freispruch

Der am Montag freigesprochene Ex-Grüne Politiker Christoph Chorherr lobt die Arbeit der Justiz und übt Kritik an Vorverurteilungen durch die Medien. Sein Ruf sei „ramponiert“ worden und nur teilweise wieder hergestellt. Der Prozess habe ihn außerdem 130.000 Euro gekostet.

Es war am Montag ein Schlusspunkt, der von vielen erwartet wurde und dennoch für Aufsehen sorgte: Im Bestechungs- und Amtsmissbrauchsprozess gegen den früheren Planungssprecher der Wiener Grünen wurden Chorherr und alle mitangeklagten Bauunternehmer freigesprochen. Chorherr spricht Samstagabend in der „Wien heute“-Sendereihe „Bei Budgen“ von einem „beeindruckt korrekt abgelaufenen Verfahren“ – „das habe ich während des Verfahrens schon gesagt“, also vor dem Freispruch.

Christoph Chorherr im Wien heute Studio mit Patrick Budgen
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Chorherr nimmt nach dem Freispruch erstmals ausführlich in einem TV-Interview zum Prozess Stellung

Er sei sehr froh, dass ein Schöffensenat – zwei Berufs- und zwei Laienrichter – ihn und seine Mitangeklagten nicht „im Zweifel freigesprochen“ haben, sondern weil „keinerlei Missstand“ gefunden worden sei, so Chorherr, der die Vorverurteilung in zahlreichen Medienberichten über die vergangenen Jahre scharf kritisiert. „Ich habe immer gewusst, es gibt keine Beweise und ich weiß ja, was ich getan habe. Also, so wie es der Richter gesagt hat: ‚Wir haben keinerlei Missbrauch in irgendeiner Form gefunden.‘ Es war alles total korrekt.“

„Mein Investment war mein Ruf“

Seinen Ruf sehe er aber nur teilweise wiederhergestellt. „Was habe ich gemacht? 15 Jahre ehrenamtlich zwei Schulen in Südafrika mit aufgebaut. Das war mein Verbrechen, für das ich fünf Jahre lang von den meisten Medien nach links und rechts gewatscht wurde.“ Und weiter: „Diese beiden Schulen gibt es. Und mein Investment war sozusagen mein Ruf.“

Teils seien Gerüchte benutzt worden, um ihn vor Hunderttausenden Leserinnen und Lesern als schwer kriminell darzustellen. „Nach fünf Jahren ist mein Ruf substanziell ramponiert.“ Nach dem Motto: „Da wird schon was dran gewesen sein“, Politiker seien eben korrupt. Die Unschuldsvermutung müsse ernst genommen werden, lautet daher Chorherrs Appell an Journalistinnen und Journalisten.

Ungekürztes Chorherr-Interview

Ungekürztes Chorherr-Interview

„Das Problem war der Anschein“

Seine Anwälte hatten ursprünglich eine Diversion vorgeschlagen, nicht als Schuldeingeständnis, sondern als „Verantwortungsübernahme, weil ich nicht so tun will, als hätte ich keinen Fehler gemacht. Im Rückblick ist man immer gescheiter. Aber man soll auch sagen, was der Fehler war. Was war denn das Problem? Das Problem war der Anschein.“

Er sei Obmann eines Vereins gewesen, der zwei Schulen in sehr armen Gebieten in Südafrika mitinitiierte und betrieb. „Da habe ich über 15 Jahre ehrenamtlich gearbeitet, ich bin stolz darauf, was gelungen ist. Ich war Obmann und ich war Gemeinderat und da war ich auch als Planungssprecher (der Grünen, Anm.) politisch tätig.“ Wenn man davon ausgehe, dass alle Politiker korrupt seien, sei das kein guter Anschein gewesen, so Chorherr.

Hätte er seine Vereinsobmannschaft 2010 abgegeben, hätte er sich und den Mitanklagten vieles erspart. „Das war ein Fehler.“ Und für diesen schlechten Anschein übernehme er Verantwortung.

Mutter half mit Ersparnissen aus

Finanziell war das Verfahren für Chorherr aufwendig. Er habe in den letzten fünf Jahren drei Anwaltsbüros beschäftigt. Der Prozess habe ihn 130.000 Euro gekostet, nennt Chorherr nun auch eine konkrete Summe. „Das hätte ich nicht tun können ohne die Ersparnisse meiner 87-jährigen Mutter.“ Er thematisiere das deswegen, weil er sich „privilegiert“ fühle: „In dem Fall eine Mutter zu haben, die über die Ersparnisse verfügt und auch bereit ist, sie dafür zu verwenden.“

Andere hätten dieses Privileg nicht. Chorherr spricht von einem „wirklichen Missstand“. Betroffene könnten durch die hohen Prozesskosten finanziell ruiniert werden. „Egal, das betrifft viele – von Tierschützern und ja, bis jemanden, von dem ich politisch überhaupt nichts halte, bis zum Herrn Strache (Heinz-Christian, Anm.).“ Das Maximum, das man zurückbekomme, seien 5.000 Euro (von 130.000 Euro).

Heumarkt-Projekt „nicht in absehbarer Zukunft“

Auch zum Heumarkt-Projekt äußerte sich der ehemalige Stadtpolitiker. Es wird seiner Meinung nach noch lange nicht kommen – „nicht in absehbarer Zukunft“: Es handle sich um einen „extrem komplizierten Rechtsfall“. „Da geht es um den Europäischen Gerichtshof, da geht es um die UVP-Gesetze des Bundes. Also da bräuchten wir jetzt drei Gespräche, um das annähernd zu erläutern.“

Dem Vereins s2arch wolle er in Zukunft nicht mehr vorstehen. „Dieser Verein funktioniert hervorragend ohne mich.“ Aber er stehe bei Fragen zur Verfügung, so Chorherr, der mittlerweile Geschäftsführer und Miteigentümer einer Biobäckerei im Nordbahnviertel ist.

„Es ist noch vieles nicht entschieden“

Der zu Beginn der Ermittlungen aus seiner Partei ausgetretene Ex-Politiker überlegt noch, ob er den Grünen wieder beitreten werde. Fünf Jahr lang habe ihn die Causa absorbiert. Jetzt werde sich ein „anderes Fenster“ öffnen: „Ob es ein politisches ist, bezweifle ich.“ Er sei bis heute „im Herzen ein Grüner“, so Chorherr. Aber „es ist noch vieles nicht entschieden“. Chorherr war bis 2019 Planungssprecher der grünen Rathausfraktion in Wien.

Dem früheren Mandatar war vorgeworfen worden, von mitangeklagten namhaften Immobilienunternehmen Zahlungen für einen von ihm initiierten gemeinnützigen Verein gefordert bzw. angenommen zu haben. Dieser unterstützt Kinder- bzw. Schulprojekte in Afrika. Die Spender sollen sich im Gegenzug Vorteile bei Widmungsverfahren versprochen haben. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Viel Kritik gibt es seit den Freisprüchen an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt hat.