Blick in den Sitzungssaal
ORF/Barbara Wakolbinger
ORF/Barbara Wakolbinger
Politik

U-Kommission: Stadtwerke wollten zwei Milliarden

Im Rathaus hat am Mittwoch eine weitere Sitzung der Untersuchungskommission zur Wien Energie stattgefunden. Befragt wurden dabei der Geschäftsführer der Stadtwerke, Generaldirektor Martin Krajcsir und der Wiener Magistratsdirektor Dietmar Griebler.

Er berichtete, dass man die Stadt ursprünglich um einen deutlich höheren „Schutzschirm“ für das Unternehmen ersucht hat. Der Wunsch nach einem Kredit über zwei Mrd. Euro fand im Rathaus aber kein Gehör. Krajcsir ist im Konzern vor allem für Finanzen und Mobilität – also etwa die Wiener Linien – zuständig, wie er erläuterte.

Mit den Vorgängen auf den Energiemärkten ist er laut eigenen Angaben ab dem Überfall Russlands auf die Ukraine intensiver befasst worden. Der Krieg habe auch in diesem Bereich zu Entwicklungen geführt, „die jenseits der Vorstellungskraft gelegen sind“, wie er sagte. Austausch dazu habe es etwa mit dem zuständigen Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) und dem Finanzdirektor, dem nunmehrigen Magistratsdirektor Dietmar Griebler, gegeben.

„Durchaus ordentlicher Aktionsradius“

Zunächst habe man die für Sicherheitsleistungen nötigen Gelder noch im Konzern selbst aufbringen können, also über das sogenannte Cashpooling. Dieses sei in strukturierten Konzernen ein weit verbreitetes Instrument, erzählte der Generaldirektor. Auch Kreditlinien bei Banken seien aufgenommen worden. Man verfüge über eine gute Bonität. Dadurch habe es einen „durchaus ordentlichen Aktionsradius“ bei Fremdfinanzierungen gegeben, wie Krajcsir betonte.

Schon nach Ausbruch des Krieges habe er im März aber auch beim Finanzdirektor angefragt, ob er bereit wäre, die Wiener Stadtwerke bei der Liquiditätssicherung zu unterstützen, erzählte er. Als zu Beginn des Sommers eine Reduktion der Gasliefermenge durch Russland im Raum stand, habe man dann entschieden, dass man nichts riskieren wolle. Es folgte das Ersuchen um einen „Schutzschirm“ an die Stadt.

700 Mio. Euro weniger als gewünscht

Am 8. Juli telefonierte Krajcsir laut eigenen Angaben wieder mit Griebler – der zu diesem Zeitpunkt bereits zum Magistratsdirektor bestellt worden war. Er habe ihm gesagt, dass man es für notwendig halte, ein Schutzschild einzurichten. Auch den Entwurf eines möglichen Antrages formulierte man im Konzern, als eine Art Service für die Finanzverwaltung, wie der Stadtwerke-Chef ausführte.

Dort entsprach man dem Wunsch aber offenbar nicht vollinhaltlich: „Wir haben im Entwurf zwei Mrd. Euro angesetzt, der Akt wurde genehmigt mit 700 Mio. Euro.“ Wie genau das gekommen sei, wisse er nicht, sagte Krajcsir. Er sei zum Zeitpunkt der Gespräche auf Urlaub gewesen, die Verhandlungen mit der Stadt habe Generaldirektor-Stellvertreter Peter Weinelt geführt. „Da sind die 700 Mio. Euro dann herausgekommen.“

Betragshöhe aufgrund von Expertenschätzungen

Allerdings sei vermerkt worden, dass auch weitere Beträge gewährt werden könnten falls nötig. Letztendlich wurde von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) tatsächlich via Notkompetenz noch einmal ein Darlehen in dieser Höhe auf Schiene gebracht. Warum man zwei Mrd. beantragt habe, erläuterte der Zeuge so: Er habe keine „konkreten Berechnungen“ angestellt. Aber Expertenschätzungen und die Situation in Sachen Finanzierungsmöglichkeiten hätten in den Überlegungen eine Rolle gespielt. „Ich habe befunden, wir müssen hier durchaus eine Reserve einlegen. Ich hab versucht, einen Betrag zu nennen, der so hoch ist, dass er eine Schutzschirmwirkung entfaltet.“

Vor der Sitzung mit dem Bund Ende August habe es dann „extreme Marktverwerfungen“ gegeben. Ziel sei es gewesen, bei der Zusammenkunft für die gesamte Branche etwas zu erreichen, also die Schaffung von Vorsorgeinstrumenten. „Das hat sich dann stark auf die Wien Energie fokussiert“, resümierte der Stadtwerke-Chef die damalige Sitzung im Bundeskanzleramt.

„Sehr rudimentäre" Kommunikation“ mit Bürgermeister

Nach Krajscir stand Magistratsdirektor Griebler Rede und Antwort. Er war nicht nur als Finanzdirektor und Chef des Magistrats mit der Causa befasst, er ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke. Griebler gab darüber Auskunft, wann er den Bürgermeister informiert hat, dass die Stadtwerke bzw. die Wien Energie tatsächlich daran denken, einen Kredit der Stadt zu beantragen – nämlich am 8. Juli unmittelbar nach dem Telefonat zwischen ihm und dem Stadtwerke-Chef.

Er, Griebler, habe nach dem Gespräch auch den Bürgermeister am Rande einer Veranstaltung informiert. Es habe sich um eine „sehr rudimentäre“ verbale Kommunikation gehandelt, berichtete der Zeuge. Unterlagen seien dabei nicht übergeben worden. Wenige Tage später sei er dann von einem Mitarbeiter der Finanzabteilung MA 5 informiert worden, dass die „Abstimmungsgespräche“ zwischen den Stadtwerken und der MA 5 zum Abschluss gebracht worden seien. Schließlich habe er den Antrag samt Beilagen erhalten, wobei er noch ersucht habe, den Verfassungsdienst mit der Frage zu beschäftigten, erzählte Griebler.

Der Magistratsdirektor übermittelte den Kreditrahmenvertrag über 700 Mio. Euro in weiterer Folge an den Bürgermeister. Dieser habe das Geschäftsstück am 15. Juli unterzeichnet und damit die erste Tranche freigegeben, erläuterte der Magistratsdirektor. Mit wem der Bürgermeister noch über die Angelegenheit gesprochen habe, könne er nicht sagen, versicherte er.

Geld zurückgezahlt

Die U-Kommission soll die Vorgänge rund um die von Stadt und Bund gewährte Milliardenunterstützung für den Energieversorger unter die Lupe nehmen. Beantragt haben das Gremium ÖVP und FPÖ. Die Wien Energie musste für den Börsenhandel mit Strom und Gas infolge der Preissprünge hohe Sicherheitsleistungen hinterlegen und konnte diese ab dem Sommer nicht mehr aus eigener Kraft aufbringen.

Der Liquiditätsengpass und die beiden Notkredite des Bürgermeisters wurden Ende August publik, als auch diese 1,4 Mrd. Euro knapp wurden. In der Folge gewährte der Bund über die Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) weitere zwei Mrd. Euro. Letztere wurden nicht in Anspruch genommen, betonte Krajcsir am Mittwoch. Auch das Geld der Stadt sei bereits zurückgezahlt worden, hielt er fest.

Opposition sieht sich bestärkt

ÖVP, FPÖ und Grüne sahen sich in den Aussagen von Krajcsir bestätigt. Dass die Stadt bereits am 8. Juli von dem Liquiditätsengpass wusste, zeige für ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch. „Der Verdacht, dass man hier etwas vertuschen wollte und die Notkompetenz zu Unrecht gezogen wurde, hat sich heute massiv erhärtet.“

Für den Fraktionsvorsitzenden der FPÖ, Maximilian Krauss, war klar. „SPÖ-Bürgermeister Ludwig hat am 15. Juli 700 Millionen per Notkompetenz vergeben. In einer Woche wäre es problemlos möglich gewesen, eine Sitzung des Stadtsenates bzw. des Gemeinderates einzuberufen.“ „Es war also nie notwendig, mit Notkompetenz alle demokratischen Gremien zu umgehen und die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, David Ellensohn.

Der rote Fraktionsvorsitzende Thomas Reindl deutete die Aussagen als Beispiel für eine funktionierende Informationskette. „Der viel zitierte ‚Dienst nach Vorschrift‘ hat offenbar funktioniert – im positiven Sinn, nämlich, dass die Abläufe wie in der Stadtverfassung vorgesehen eingehalten wurde.“ Magistratsdirektor Griebler warfen ÖVP und FPÖ vor, kein Interesse an der Aufklärung zu haben.