Infektiologe Christoph Wenisch
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Gesundheit

Wenisch: „Pandemie mit Frühling vorbei“

„Im Frühjahr war es das mit der Pandemie“, so der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch. Auf der Intensivstation in der Klinik Favoriten ist wieder Normalbetrieb eingekehrt. Das Aufheben aller CoV-Maßnahmen ist für ihn somit gerechtfertigt. Jetzt rücke die Behandlung von Long Covid in den Vordergrund.

Der Infektiologe und Coronavirus-Spezialist Wenisch war einer der Ersten in Österreich, der am 27. Dezember 2020 Jahren gegen Covid-19 geimpft wurde. Weltweit bekannt geworden ist er mit dem Foto seiner Impfung – ein Bild, das um die Welt ging und sogar in der „New York Times“ abgebildet war. Genauso würde er es auch heute wieder machen. „Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Das war wirklich eine Erleichterung. Das war so wirklich, als wäre ein Stein vom Herzen gefallen“, erzählte er im Interview mit „Wien heute“.

Christoph Wenisch ballt die Faust nach der Impfung gegen Covid-19 mit Pfizer-BioNTech am ersten Tag der Impfkampagne in Wien.
APA/Reuters/Lisi Niesner
Christoph Wenisch am 27. Dezember 2020 nach seiner ersten CoV-Impfung

Erwartungen an Impfung rückblickend „überzogen“

Die Erwartungen zu diesem Zeitpunkt – ein Ende der Pandemie – hält er rückblickend überzogen. „Das war eine Hoffnung, die wir gehabt haben. Und die war halt überzogen. Eine überzogene Erwartung, und da sind halt manche enttäuscht worden und haben sich abgewandt. Aber nicht bei uns im Krankenhaus – da haben wir das nie erwartet. Wir wollten die schweren Verläufe vermeiden, die mit Sauerstoff etc. behandelt werden müssen, und das schafft die Impfung nach wie vor“, so Wenisch.

Durch die Impfung und die Durchseuchung der Gesellschaft könne das Personal wieder aufatmen. Das zeigen auch leere Betten auf der Intensivstation. Wenisch zeigte sich beim Besuch in der Klinik Favoriten durchaus entspannt.

„Personal kann wieder aufatmen“

Leere Betten auf der Intensivstation seien, wenn auch nur für kurze Zeit, ein gutes Gefühl. „Also 80 Prozent Auslastung soll eine Intensivstation haben, und da kann’s stundenweise natürlich leer sein ein Zimmer, also das passt schon.“ Alles sei momentan im grünen Bereich, Alarmstufe Rot hat es dafür umso öfter gegeben in den letzten drei Jahren. Insgesamt 26.000 CoV-Patientinnen und -Patienten wurden stationär im Wiener Gesundheitsverbund behandelt. In der Klinik Favoriten – so Wenisch – waren es alleine 7.000.

„Also diese Überlastung der Spitäler, das kann man sich gar nicht vorstellen, wie das phasenweise gewesen ist. Vor allem in den ersten zwei Jahren waren wir am Limit wegen der Kranken und im Jahr 2022 vor allem durch die Krankenstände. Es haben sich manche echt einen anderen Job suchen müssen, weil sie unter diesen Umständen nicht mehr weiterarbeiten konnten.“

Wiener Infektiologe zieht CoV-Bilanz

Das Fallen der CoV-Maßnahmen wird vom Wiener Infektiologen Christoph Wenisch begrüßt. „Wien heute“ hat ihm auf seiner Station einen Besuch abgestattet, wo er auf die vergangenen Jahre der Pandemie zurückblickte.

Ende der Pandemie mit Frühling

Mittlerweile spricht Wenisch von einer gewöhnlichen Infektionskrankheit, vergleichbar mit Influenza. „Also Corona alleine ist jetzt gar nicht mehr das Thema, sondern zusätzlich eine zweite Krankheit, die den schweren Grad dann bedingt und den Zustand so macht, dass im Krankenhaus behandelt werden muss.“

„Bei einer einzelnen Person in der Klinik Favoriten ist es hier der Fall, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden muss.“ Aktuell gebe es generell eine kleine Welle an Neuerkrankungen – der Peak werde Mitte März erwartet. Trotzdem lässt die Lage – laut Wenisch – das Fallen der Maßnahmen zu. Er blickt positiv in den Frühling. „Da freue ich mich, dass das jetzt wirklich vorbei sein wird, weil die Durchseuchung so gut ist, dass nicht so viele Patienten auf einmal wieder ins Spital reinkommen.“

Fokus auf Behandlung von Long Covid

Zu tun gibt es aber laut Wenisch trotzdem noch genug rund um das Pandemiegeschehen – nämlich mit der Behandlung von Long Covid. Hier bestehe Aufholbedarf. „Da müssen wir noch besser werden. Da müssen wir ein Rezept finden, wie wir diese Personen behandeln können. Zum Beispiel eine Tablette oder eine Infusion, und dann geht das Ding weg. Wir starten jetzt im April eine Studie mit einem neuen Medikament, wo wir eben diese Antikörper, die gebildet werden gegen den Herzmuskel, therapieren können.“

Außerdem müsse man unbedingt im Auge behalten, „dass nicht irgendwo wieder grausige Mutationen daherkommen“, so Wenisch. Das Beibehalten der Abwässerüberwachung auf SARS-Cov-2 begrüßte er somit sehr. Die Überwachung von Abwässern auf die Konzentration von SARS-CoV-2 gibt den Krankenhäusern bei einer Covid-19-Welle zumindest eine mehr als einwöchige Vorwarnzeit. Für die Intensivstationen beträgt sie etwa doppelt so lange. Das haben österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer bundesweiten Studie belegen können.