Christine Feist
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Politik

Halle-Überlebende berichtete von Anschlag

Eine Überlebende des Terroranschlags auf eine Synagoge in der deutschen Stadt Halle hat am Donnerstag an einer Wiener Schule von ihren Erlebnissen berichtet. Christine Feist betete zum Zeitpunkt der Tat in der Synagoge.

Am 9. Oktober 2019 hatte ein deutscher Rechtsextremer versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur die Synagoge von Halle an der Saale zu stürmen und ein Massaker an den Gläubigen anzurichten. Er warf Brand- und Sprengsätze und schoss auf die Zugangstür, gelangte aber nicht auf das Gelände. Vor der Synagoge ermordete er dann eine 40 Jahre alte Passantin und in einem nahe gelegenen Dönerimbiss einen 20-Jährigen. Der Attentäter wurde wegen zweifachen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Kantor reagierte schnell

Feist, die ursprünglich aus Wien stammt, war zum höchsten jüdischen Feiertag mit weiteren ungefähr 60 Personen zum Gebet in der Synagoge, als das rechtsterroristische Attentat stattfand. Niemand habe zuerst gewusst, was passiert, berichtete die Überlebende. Der Kantor, der über einen Überwachungsbildschirm die Eingangstüre im Blick hatte, habe die Situation schließlich begriffen und „superschnell reagiert“, berichtete Feist. „Was zuerst Verwirrung war, war plötzlich Angst.“

Präventionsprojekt: Aufklärung gegen Radikalisierung

Die Überlebende eines Terror-Anschlags hat am Donnerstag in der Neuen Mittelschule Kagran ihre Erlebnisse geschildert: Die Wienerin Christine Feist hat den Anschlag auf die Synagoge in der deutschen Stadt Halle 2019 überlebt. Ein bewaffneter Mann hat damals versucht, in ein Gotteshaus einzudringen und später zwei Menschen erschossen.

Nachdem die jüdische Community neben dem Haupteingang auch weitere Türen mit Möbeln blockiert hatte, musste der Attentäter zwar sein Ziel aufgeben, in die Synagoge zu gelangen – allerdings erschoss er zwei Personen außerhalb. Das erste Opfer habe sie auf dem Bildschirm gesehen, so Feist. „Ich habe versucht zu helfen, aber das ging nicht aus Sicherheitsgründen. Das war für mich der prägendste Moment an diesem Tag“, berichtete die Überlebende.

Was Feist schon beim ersten Besuch der Synagoge in Halle aufgefallen war: Dass diese vor dem Attentat keinen Polizeischutz hatte, wie dies anderswo üblich ist. „Ich habe mir noch gedacht, vielleicht braucht man das hier nicht“, berichtete sie den Schülerinnen und Schülern. Im Nachhinein habe sich aber herausgestellt, dass die jüdische Gemeinde immer wieder um Sicherheitsmaßnahmen durch die Exekutive gebeten hatte – „sie glaubten, es sei nicht notwendig“. Die Gemeinde habe sich dann „selbst organisiert“.

Radikalisierung über das Internet

Eine Frage aus dem jungen Wiener Publikum an die Überlebende lautete, wie man den Anschlag verhindern hätte können. „Das große Problem ist die Online-Radikalisierung“, berichtete Feist aus ihren Erfahrungen aus dem Prozess, bei dem sie nur wenige Meter entfernt vom Täter saß. Der Täter von Halle sei inspiriert worden von Videos anderer rechtsextremer Attentate, etwa in Neuseeland und Oslo. „Das Internet ist total super, das Problem ist nur die Frage, was wird alles verbreitet?“ Die Verbreitung von Hassideologien werde viel zu wenig überwacht.

Was Feist noch wichtig war zu betonen: Der Täter von Halle sei nicht nur antisemitisch, sondern auch rassistisch, homophob und frauenfeindlich gewesen. „Hass ist intersektional.“ Eine weitere Botschaft an die Schülerinnen und Schüler war, zu helfen, wenn man helfen kann. Niemand habe dem ersten Opfer des Anschlags die Hand halten und sagen können: „Du bist nicht alleine.“

Appell für Gesellschaft ohne Gewalt

Das Eröffnungsstatement an der Neuen Mittelschule Kagran war zuvor von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gekommen. Sie lobte das Engagement des Vereins „Not in God’s Name“, der den Besuch auch organisierte, und betonte, wie wichtig der direkte Austausch gerade beim Thema Hassverbrechen sei. „Ihr könnt einen entscheidenden Unterschied machen, indem ihr den Nachbarn in die Augen schaut und sagt, ich nehme dich so, wie du bist“, appellierte sie an die Schülerinnen und Schüler.

„Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man den anderen kennen lernt“, meinte auch Mordechai Rothgold, Botschafter des Staates Israel. „Jeder ist anders“, betonte er, Respekt sei daher sehr wichtig. „Ihr seid die Zukunft. Ihr seid diejenigen, die weiter daran arbeiten, damit unsere Gesellschaft eine bessere wird. Eine Gesellschaft ohne Gewalt, eine Gesellschaft mit Respekt“, wandte er sich an die Schülerinnen und Schüler der NMS Kagran.

Der Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Michael Galibov, berichtete wiederum, wie die jüdische Gemeinde in der österreichischen Bundeshauptstadt von den Ereignissen während des Gebets in der Synagoge überrascht worden war. Zu Jom Kippur gehe man für gewöhnlich „offline“, weswegen man erst durch in das Gebetshaus kommende Polizeibeamte vom Anschlag erfahren habe. „Hass, Rechtsextremismus, Antisemitismus – da gibt es kein Licht am Ende des Tunnels“, betonte Galibov.