Arschang Valipour
ORF Wien
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Coronavirus

Endemie statt Pandemie: „CoV bleibt da“

Drei Jahren nach den ersten CoV-Fällen in Österreich hat sich das Virus mittlerweile verändert, derzeit sorgt es wieder für deutlich mehr Infektionen. Die Pandemie sei „in die Endemie übergegangen, Covid-19 bleibt da“, sagt Lungenfacharzt Arschang Valipour.

„Wir haben Covid-19 als Erkrankung in die Regelversorgung übernommen. Das bedeutet, wir haben sowohl im niedergelassenen Bereich, sprich bei betreuenden Hausärztinnen und Fachärzten, viele Betroffene, die immer wieder mit Beschwerden, die mit Covid-19 zu tun haben, auftauchen – auch im Spitalsbereich. Allein in unserem Krankenhaus macht Covid-19 etwa zehn bis 20 Prozent der Regelversorgung im internistischen Bereich aus“, sagt der Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf am Samstag in der „Wien heute“-Sendereihe „Bei Budgen“.

23.000 CoV-Fälle in der Stadt

Die Pandemie sei „in die Endemie übergegangen, was bedeutet, die Pandemie ist vielleicht zu Ende, aber die Endemie bedeutet, Covid-19 ist jetzt unter uns, bleibt da und damit müssen wir uns dauerhaft auseinandersetzen und es erkennen und behandeln“, so der Mediziner.

Laut Angaben der Stadt sind derzeit in Wien mehr als 23.000 Personen infiziert. Das Burgtheater sagte wegen Erkrankungen die jüngste Premiere ab. In Wiener Spitälern werden über 400 CoV-Erkrankte behandelt. Österreichweit meldete die AGES am dritten Jahrestag am Samstag exakt 5.800 weitere Neuinfektionen.

„‚Expertenhörig‘ unpassender Begriff“

Die umstrittene Aussage von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), wonach die Politik in der Pandemie „expertenhörig“ gewesen sei, kritisiert der Mediziner: „Ich halte den Begriff ‚expertenhörig‘ einfach für unpassend. Weil hörig zu sein bedeutet ja, dass man sich willenlos der Meinung eines anderen unterwirft. Ich habe auch nicht den Eindruck gehabt, dass das so ist, ich glaube, dass diese Aussage schlichtweg auch nicht stimmt.“

Nehammer selbst fühlt sich bezüglich dieser Aussage falsch verstanden. Das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen worden, so der Kanzler im Interview mit der Tageszeitung „Kurier“ (Freitag-Ausgabe). „Was ich damit betonen wollte, war, dass wir nicht einfach ins Blaue hinaus entschieden, sondern uns beraten haben“, erklärte der Kanzler, der vor rund einer Woche die Aufarbeitung der CoV-Pandemie angekündigt hatte.

„Die Politik hat entschieden“

Er ärgere sich über Nehammers Aussage nicht, sondern versuche sie richtig einzuordnen, so Valipour weiter. Mit solchen Aussagen könnte jedoch die zu Tage getretene Wissenschaftsskepsis in der Bevölkerung befeuert werden. Dieser müsse man man aber entgegentreten und „vielleicht doch da nochmal ganz klar sagen: Die Wissenschaft hat Daten und Informationen geliefert. Die Politik hat entschieden“.

Er selbst habe jedenfalls als von der Stadt Wien hinzugezogener Experte nur positive Erfahrung gemacht, so Valipour. Die Politik müsse auf Basis unterschiedlicher Informationen Entscheidungen treffen. Man habe seine Meinung angehört, manchmal seien auch andere Entscheidungen getroffen worden.

Impfpflicht „nicht der ideale Weg“

Was die Impfpflicht betrifft, habe sich seine Einstellung nicht geändert. „Ich habe damals auch schon gesagt, aus medizinischer Sicht ist eine Impfung zu begrüßen. Sie ist dann zu begrüßen, wenn sie nachweislich das Sterberisiko, die Spitalsaufnahmewahrscheinlichkeit senken kann. Und am Anfang, als das Virus sich noch nicht verändert hat wie heute, konnte sie sogar über weite Strecken die Infektion, also die Krankheit an sich, verhindern. Das kann sie heute, denke ich, nur noch sehr, sehr schlecht.“

Er habe damals außerdem gesagt, dass die Impfpflicht eine politische Entscheidung sei, „die, glaube ich, grundsätzlich keiner will. Und auch heute würde ich das genauso sehen“. Eine Pflicht sei nie gut. Er sei vielmehr ein Anhänger von Bewusstseinsbildung und Aufklärung. Wenn man sich ansehe, „was die Impfpflicht in der Bevölkerung gemacht hat, dann war es wahrscheinlich nicht der ideale Weg“.

„Es gibt Dinge, die wussten wir nicht“

Von „Fehlern“ in der Pandemiebekämpfung will Valipour aber nicht sprechen: "Ich glaube, es gibt Dinge, die wussten wir nicht und das betrifft die gesamte Welt. (…) Es gibt sicherlich Maßnahmen, die man rückwirkend vielleicht anders getroffen hätte, beispielsweise ein früheres Einführen von Masken in den „Öffis" oder auch das Testen wurde ja teilweise stark kritisiert.“ Man habe aber in den letzten zwei, drei Jahren viel gelernt und sei für zukünftige Pandemien besser gewappnet: „Denn es wird sicherlich nicht die letzte Pandemie gewesen sein.“

„Wir sind noch nicht an Maske erstickt“

Nächste Woche endet nun die Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Apotheken in Wien. Dennoch sei es aus medizinischer Sicht zu begrüßen, die Masken zu tragen, wenn man Beschwerden und Symptome habe, sagt Valipour. Das Beenden der Maskenpflicht sei letztlich eine politische Entscheidung. Er selbst trage die Maske in manchen Situationen weiter – etwa im Flugzeug und auf dem Flughafen, „aber ganz pragmatisch, wenn ein großer Raum ist, wo wenig Menschen um mich herum sind, dann gebe ich sie auch runter. Und ich denke, man braucht genau diesen Umgang, wo man das Gefühl hat, geht es gut oder geht es nicht.“

Seine Bitte: Die Maske weiterhin „durchaus sorgsam zu nutzen, denn am Ende des Tages für 20 Minuten oder selbst für eine Stunde tut die Maske nicht weh. Wir tragen sie im Krankenhaus fünf Tage in der Woche, teils bis zu zehn Stunden am Tag. Und wir sind noch nicht daran erstickt.“