Streit und Zorn sollen die Motive des 22-Jährigen für die Bluttat in Liesing gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft Wien hatte am Donnerstag Untersuchungshaft beantragt. Der Mann war noch am Mittwoch in die Justizanstalt eingeliefert worden.
Der 22-Jährige war bei den Behörden als Hochrisikofall bekannt. Dreimal wurde über ihn ein Betretungs- und Annäherungsverbot verhängt. Die verpflichtenden Beratungstermine für Gewalttäter beim Verein Neustart nahm er jedoch nicht wahr. Gewalttäter, die von der Polizei weggewiesen und mit einem Betretungsverbot belegt werden, müssen sich binnen fünf Tagen in einer Beratungsstelle für Gewaltprävention melden und einen Termin vereinbaren.
Mord an Mutter: Täter war amtsbekannt
Gegen den 22-jährige Sohn, der seine Mutter in Wien Liesing erstochen hat, wurde bereits drei Mal ein Annäherungsverbot ausgesprochen und er war als Hochrisikofall bekannt. Zu dem Zeitpunkt der Tat bestand jedoch kein Annäherungsverbot, verpflichtende Beratungstermine für Gewalttäter hatte er auch nicht wahrgenommen.
Nichtteilnahme wurde an Polizei gemeldet
Die sechsstündige Beratung muss innerhalb von 14 Tagen ab Kontaktaufnahme erstmalig stattfinden. Der 22-Jährige hat sich allerdings nie beim zuständigen Verein Neustart gemeldet, sagte Pressesprecher Thomas Marecek der APA. „Das haben wir, wie in solchen Fällen üblich, der Polizei gemeldet.“ Wird eine Teilnahme an der Beratung verweigert, bekommt der Gefährder eine Verwaltungsstrafe. Laut APA-Informationen hat der 22-Jährige eine solche bereits bezahlt, ein weiteres Verfahren ist noch offen.
Verdacht auf psychische Erkrankung
Zum Zeitpunkt der Tat am späten Dienstagabend gab es kein aufrechtes Betretungsverbot. Der 22-Jährige war an der Adresse des Tatortes polizeilich nicht gemeldet, hat aber eine Meldeadresse in einer betreuten Wohneinrichtung in Wien. Drei Stiche im Hals- und Nackenbereich soll der Sohn seiner 54-jährigen Mutter in ihrer Wohnung in Erlaa zugefügt haben. Er wandte sich nach der Bluttat an Nachbarn und sagte ihnen, dass seine Mutter Hilfe benötige. Die Reanimation blieb erfolglos.
Mehrfach soll der junge Mann seine Mutter in der Vergangenheit bereits bedroht haben. Polizisten sprachen auch mehrfach mit dem späteren Opfer, hieß es von der Exekutive. Sie warnten die 54-Jährige demnach, dass für sie große Gefahr bestehe, Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden. Der Sohn befand sich wegen des Verdachts auf eine psychische Erkrankung in der Vergangenheit auch schon vorübergehend in einem Krankenhaus.
Rauch bezüglich Peilsender zurückhaltend
„Ich kann und werde es nicht hinnehmen, dass Femizide in Österreich fast zur Tagesordnung werden“, sagte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) am Donnerstag bei der Eröffnung eines neuen Zentrums für gewaltbetroffene Mädchen in Wien (Bakhti). Die Gewalt gegen Frauen zu stoppen sei eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung. Die für den Gewaltschutz vorgesehenen Budgetmittel seien zuletzt in allen damit befassten Ressorts deutlich erhöht worden, auch wenn man von den seit Längerem von Opferschutzeinrichtungen geforderten mehr als 220 Millionen Euro jährlich weit entfernt sei.
Rauch verwies auch auf mehr als 14.600 Betretungs- und Annäherungsverbote, die 2022 gegen Gewaltausübende verhängt worden sind – „ein Plus von fast sieben Prozent“. Die Einhaltung dieser Verbote müsse kontrolliert werden, und „es braucht eine Sanktionierung“, falls sich die (bis zu 88 Prozent männlichen, Anm.) Täter nicht daran halten, meinte Rauch. Dazu gebe es spezifische Schulungen der Exekutive.
Auf die Frage, ob etwa elektrische Peilsender zur Überwachung eingesetzt werden könnten, wie das in Spanien der Fall ist, zeigte sich der Minister zurückhaltend: „Derart massive Überwachungsinstrumente“ seien eine „Gratwanderung“, die auch viele verfassungsrechtliche Fragen nach sich ziehen würde.
„Gewalttäter zu oft auf freiem Fuß angezeigt“
Das Gewaltschutzgesetz sei „ein gutes Gesetz“, sagte Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser, am Donnerstag – sie kritisiert jedoch seit Langem, dass immer noch viele Anzeigen im Gewaltbereich eingestellt und „Gewalttäter zu oft auf freiem Fuß angezeigt“ würden.
Der Österreichische Frauenring fordert unterdessen dringend bessere Prävention. Denn nach wie vor gilt Österreich als Land mit besonders vielen Femiziden. Im Jahr 2022 wurden österreichweit mutmaßlich 28 Frauen ermordet und im Jahr 2023 bereits mutmaßlich sechs Frauen. Im aktuellen Fall ist für Klaudia Frieben vom Österreichischen Frauenring von Behördenseite zu wenig passiert: „In erster Linie muss man sich fragen, warum hat es kein Verfahren gegen den jungen Mann gegeben, waren die Gründe nicht ausreichend für eine Haft, um auch die Mutter zu schützen?“, so Frieben gegenüber Radio Wien.
Generell fordert Frieben eine bessere Zusammenarbeit von Polizei und Gewaltschutzorganisationen, etwa in einem ständigen Krisenstab gegen Frauengewalt. Die Aufgabe wäre laut Frieben „zu erforschen, wer sind diese Hochrisikofälle und vor allem, was geschieht mit diesen Hochrisikofällen.“
Tötungsdelikte nicht immer verhinderbar
Auch die enge Kooperation von Polizei und Gewaltschutzzentren könne Tötungsdelikte nicht völlig verhindern, sagte Marina Sorgo, Bundesverbandsvorsitzende der Gewaltschutzzentren. Wenn Polizei und die Gewaltschutzzentren zum Einsatz kommen, sei meist schon viel passiert. „Die meisten Menschen werden nicht von einem Tag auf den anderen gewalttätig. Prävention muss daher schon im frühkindlichen Alter und auf breiter Ebene ansetzen. Je früher Hilfe angeboten wird, desto eher lässt sich Gewalt in den Familien vermeiden.“ Frühe Hilfen müssten noch mehr zum Einsatz kommen.
Die Gewaltschutzzentren müssen von jedem Betretungs- und Annäherungsverbot informiert werden. Mit jedem Opfer werde unmittelbar nach dem Vorfall Kontakt aufgenommen, sie erhalten juristische und psychosoziale Unterstützung angeboten. Bei strafrechtlich relevanten Taten wird eine Anzeige erstattet bzw. Untersuchungshaft verhängt. „Die Gewaltschutzzentren pflegen seit mehr als 25 Jahren eine enge Kooperation mit der Polizei und der Justiz“, betonte Sorgo.
Die jüngsten Reformen – verpflichtende Beratung für weggewiesene Personen und sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen – hätten den Opferschutz vorangebracht. „Über 23.500 Personen wurden in den Gewaltschutzzentren im vergangenen Jahr österreichweit beraten. Circa ein bis zwei Prozent der Fälle waren Hochrisikofälle. An jedem Fall arbeiten wir mit ganzem Einsatz und der größtmöglichen Unterstützung der Polizei“, sagte Sorgo.