Tanzende Frauen im Hintergrund ein Mann in einem Nachtclub
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Chronik

VCC prüft Sicherheit im Wiener Nachtleben

Die Nachtgastronomie in Wien ist an den Wochenenden mittlerweile wieder gut besucht. Allerdings endet nicht jede Partynacht ohne unangenehmen Zwischenfall, so die Vienna Club Commission (VCC). Deswegen wird jetzt mittels Onlineumfrage das Sicherheitsgefühl im Wiener Nachtleben abgefragt.

Bevor die Öffnung der Clubs in Wien wieder möglich war, hatte es Sicherheitskonzepte wegen des Coronavirus gebraucht. Jetzt geht es der VCC allerdings um die Sicherheit vor Sexismus, Belästigung, Diskriminierung, Gewalt und Hass. Online wird das Partypublikum nach seinen individuellen Erfahrungen gefragt.

„Es ist jetzt an der Zeit, den Stand der Dinge herauszufinden. Wir fragen das Publikum, was funktioniert gut und was braucht es, damit wir alle sicherer gemeinsam feiern können. Wir wollen herausfinden, wo es genau hakt, um dann Strategien entwickeln zu können, die wir mit den Clubs und den Veranstalterinnen und Veranstaltern umsetzen“, so Martina Brunner von der VCC im „Wien heute“-Interview.

VCC-Umfrage zum Wiener Nachtleben
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Von 1. März bis 12. April läuft die Umfrage. Sie umfasst rund 30 Fragen und dauert circa zehn Minuten.

Schlechte Erfahrungen: „Öfter als mir lieb ist“

Über die Sicherheit im Wiener Nachtleben wurde auch bei einer Podiumsdiskussion im Fluc debattiert. Auf der Bühne vertreten waren diverse Personen aus der Branche, im Publikum junge Menschen, die sich für die Wiener Partyszene interessieren. Von unangenehmen Situationen beim Fortgehen berichteten einige von ihnen. Einfach nur Tanzengehen wollen ende „oft mit schlechten Erfahrungen“, so einige Stimmen.

„Es geht bei mir meistens um sexuelle Belästigung, unterschiedlicher Art“, eine teilnehmende Person berichtete auch von Erfahrungen mit K.-o.-Tropfen: „Tatsächlich hat es jemand geschafft, mir das unterzujubeln.“

Entspannte Ausgehabende würden für einen homosexuellen Besucher der Podiumsdiskussion vor allem am Nachhauseweg öfter problematisch verlaufen. „Homophobie ist immer ein Thema, vor allem beim Heimfahren. Bei bestimmten Clubs auch drinnen, aber es ist auch gar nicht die Awareness da, wo man nicht weiß, wo man sich hinwenden kann.“

Awareness-Teams für mehr Sicherheit

Der Begriff „Awareness“ ist ein wesentlicher in der Diskussion rund um die Sicherheit im Nachtleben. Awareness bedeutet Aufmerksamkeit und Bewusstsein, und genau darum kümmern sich bei manchen Veranstaltungen, mittlerweile auch schon vereinzelt in Clubs Awareness-Teams, so Micol vom Awareness-Team des Hyperreality Festivals. „Bei uns ist es so, entweder wir kommen auf die Leute zu, weil wir merken, es stimmt nicht oder die Leute kommen auf uns zu – und das ist uns vor allem sehr wichtig, dass sie das Gefühl haben, sie können auf uns zukommen, weil wir sind die Vertrauenspersonen im Endeffekt“, erklärte Micol.

Awarenessteam bei einer Veranstaltung
Awarenessteam HYPERREALITY FESTIVAL

„See something, say something“ – das ist der Grundgedanke der Teams, die vor Ort für mehr Sicherheit sorgen wollen. Die Beispiele reichen laut Micol von sexuellen Belästigungen bis hin zu individuellen Problemen. In jedem Fall sollen Betroffene eine Möglichkeit haben, sich an jemanden wenden zu können. „Denn Awareness bedeutet einfach, dass wir alle füreinander Verantwortung tragen, und wenn man dann sieht, dass man selbst nicht die Kapazitäten und Ressourcen hat, etwas zu sagen zu einer Person, dann übernehmen wir das“, so Micol.

Eine sichere Umgebung schaffen sei vor allem für sozial benachteiligte und vermehrt von Diskriminierung betroffene Personen essenziell, so die VCC. Darunter fallen würden FLINTA*-Personen: FLINTA* ist eine Abkürzung und steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, Trans- und Agender-Personen. Sicherheitsstrategien und Begriffe wie Awareness, Safer Space und Harm Reduction (Arbeit mit Drogenkonsumierenden) nehmen an Bedeutung im Club- und Veranstaltungskontext zu.

Geschützter Raum bei Sex-Positive-Partys

Aber auch Menschen mit Migrationshintergrund seien beim Weggehen oft von Diskriminierung betroffen, berichtete Solo vom Kunst- und Kulturverein hausgemacht. Dass ein geschützter Raum fürs Feiern immer mehr Kult wird, zeigt die Beliebtheit ihrer Sex-Positive-Partys, bei denen Awareness-Teams übrigens gang und gäbe sind.

Einlass gibt es hier nur inklusive Bewerbungsverfahren. „Es gibt dann unter anderem Wissensfragen, also zum Beispiel, was bedeutet das Wort FLINTA oder non-binary, aber auch Situationsfragen, wie man sich in Situation XY zum Beispiel verhält“, so Solo. Alle, die sich in ihrer Identität nicht von der Mehrheitsgesellschaft gesehen fühlen und damit kämpfen, sollen hier in einem geschützten Raum und „unter Gleichgesinnten“ feiern können, „vor allem im Nachtleben, wo Rauschzustände dazu kommen“, betonte Solo außerdem.

Bei den Partys gehe es um Offenheit und einen „Experimentierraum“, hier gehöre Sexualität auch dazu, aber die Möglichkeit, sich öffentlich näherzukommen, stehe jedem frei und sei nur ein Nebenaspekt der Veranstaltungen. „Ein Großteil der Leute ist dort gar nicht sexuell aktiv“, sagte Solo.

„Ihr passts mir nicht ins Schema“-Türpolitik

Diskriminierung muss laut Türsteherin Lara, die ebenfalls bei der Podiumsdiskussion teilnahm, auch an der Clubtür aufhören: „Ich glaube, wesentlich ist zum Beispiel, dass die meisten Veranstaltungen versuchen, dieses ‚Ihr passts mir gerade nicht ins Schema‘ abzulegen. Damit diese Angst – etwa ‚schau‘ ich eh gut genug aus’ – endlich weg ist.“ Zum Teil passiere das in diversen Clubs schon, leider aber nicht bei allen, wie sie sagte.

Auf der anderen Seite habe die Türselektion aber auch mit der Sicherheit in Clubs zu tun: Ein Abwägen von unterschiedlichen Personengruppen sei nicht immer diskriminierend, welche Mentalitäten aufeinandertreffen, sei manchmal essenziell. Grundsätzlich soll laut der Türsteherin aber jede Person Zutritt in einen Club bekommen, vorausgesetzt, sie wirkt nicht aggressiv, ist höflich und steht nicht zu sehr unter diversen Einflüssen, wie etwa Alkohol oder Drogen.