Chronik

Später Zahnarzttermin für HIV-Positive: Urteil

Einer HIV-positiven Frau sind in Wien erstinstanzlich 1.500 Euro Schadenersatz wegen Diskriminierung zugesprochen worden, weil eine Zahnärztin sie zunächst nicht und dann erst am Ende des Tages behandeln wollte.

Das Bezirksgericht Döbling urteilte jüngst, dass es sich um eine Verletzung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG) handelt, teilte der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern mit. Die beschuldigte Zahnärztin hat Berufung eingelegt.

„Ich habe mich an die Aids Hilfe Wien und den Klagsverband gewandt, weil ich die Diskriminierung nicht akzeptieren wollte. Bei einem Zahnarzttermin wurde mir die Behandlung aufgrund der HIV-Infektion verweigert“, erläuterte die Klägerin in der Aussendung. Ihre HIV-Infektion hatte sie im Rahmen eines standardisierten Fragebogens angegeben. Die behandelnde Zahnärztin verwehrte ihr daraufhin die Behandlung.

„Demütigend und stigmatisierend“

Schließlich wurde der Patientin mit Verweis auf angeblich notwendige spezielle Hygienemaßnahmen ein Termin am Ende des Behandlungstages in Aussicht gestellt. „Die ganze Situation war demütigend und stigmatisierend. Als Patientin erwarte ich mir einen respektvollen Umgang und eine Behandlung so wie alle anderen auch“, betonte die Klägerin.

Nach einem gescheiterten Schlichtungsversuch vor dem Sozialministeriumsservice im Jahr 2019 hatte die Betroffene auf Schadenersatz aufgrund einer Diskriminierung nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) geklagt. Die HIV-Infektion fällt als chronische Erkrankung rechtlich unter das Diskriminierungsmerkmal Behinderung, erläuterte der Klagsverband. Dieser hat die Klägerin am 8. Februar vor Gericht rechtlich vertreten.

Voller Schadenersatz

„Ich freue mich sehr über das positive Urteil, mit dem das Gericht unserer Klägerin vollen Schadenersatz zuspricht“, sagte Theresa Hammer, Leitung der Rechtsdurchsetzung des Klagsverbands. „Leider erleben HIV-positive Menschen immer wieder Diskriminierung bei Gesundheitsdienstleistungen. Dagegen kann man sich wehren, notfalls auch vor Gericht, wie unsere Mandantin zeigt.“

Im Jahr 2022 betrafen die meisten Berichte über Ungleichbehandlung, die an die AIDS-Hilfen Österreichs herangetragen wurden, das Gesundheitswesen (65,7 Prozent der Meldungen), also Vorfälle bei Ärzten, in Kliniken oder im Zuge von Kur- oder Reha-Aufenthalten. Weitere Meldungen kamen aus den Bereichen Privat/Freizeit (17,2 Prozent), Beruf (8,5 Prozent), Medien/Internet (5,7 Prozent) sowie Behörde/Versicherung (2,9 Prozent).

Mit Medikamenten „gar nicht ansteckend“

„In unseren Beratungen hören wir immer wieder, dass HIV-positiven Menschen unter Verweis auf vermeintliche Hygienestandards eine zahnärztliche Behandlung verwehrt wird. Dahinter stecken oft Vorurteile und falsche oder veraltete Informationen. So sind HIV-positive Menschen, deren Viruslast aufgrund moderner Medikamente nicht nachweisbar ist, gar nicht ansteckend“, erklärte Barbara Murero-Holzbauer, juristische Mitarbeiterin der Aids Hilfe Wien und zugleich Vorstandsmitglied beim Klagsverband. Die beklagte Zahnärztin berief gegen das Urteil. Das Verfahren geht somit in die zweite Instanz vor das Wiener Landesgericht.