AKH Wien
ORF.at/Christian Öser
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Gesundheit

Patientin auf Boden: Tochter verteidigt Spital

Berichte über das AKH, wonach eine Patientin auf dem Gangboden gelagert worden ist, sorgen für Aufregung. Das AKH spricht von „Ausnahmefällen“. Auch die Tochter der Patientin betont, es sei „die beste Lösung“ für ihre demente Mutter gewesen.

Ihre Mutter habe vergessen, dass sie nach einem Bruch nicht aufstehen darf, weshalb die Lagerung am Boden „eine Vorsichtsmaßnahme war“, schilderte die Frau gegenüber der APA. „Meine Mutter lag in der Nähe des Schwesternstützpunktes, sie konnte dort viel besser beobachtet werden als in einem Zimmer, wo die Tür geschlossen ist“, sagte die Tochter. Außerdem sei es „nur für eine Nacht gewesen“.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten sich trotz angespannter Personalsituation auch „wahnsinnig bemüht“. „Es gab auch eine Sitzwache in der Nacht“, betonte die Tochter. Dass Fotos ihrer am Boden liegenden Mutter angefertigt und Medien zugespielt wurden, „finde ich nicht in Ordnung“, sagte die Frau.

Vorgangsweise für Hacker „gut und verständlich“

Die Tochter wandte sich am Donnerstag auch an den Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), der in Absprache mit ihr die Nachricht der Frau auch auf Facebook veröffentlichte. Nach einem Unfall werde in der Pflege alles getan, dass Patientinnen und Patienten nicht noch einmal aus dem Bett fallen. „Darum ist die gewählte Vorgangsweise an der Notfallabteilung mitten in der Nacht gut und verständlich, auch wenn das Bild verstörend sein mag“, konstatierte Hacker.

AKH lagerte Patientin am Gangboden

Ein Bericht über das AKH, wonach Patienten auf dem Gangboden gelagert worden sein sollen, sorgt für Aufregung. Dem AKH zufolge handelt es sich um ein Mittel zur Abwehr von Fremd- und Selbstgefährdung für Patienten, die nach Unfällen verwirrt oder unruhig sind.

Der Gesundheitsstadtrat bedankte sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der AKH-Notfallabteilung. Hacker kritisierte außerdem, „dass Fotos, die über ein Monat alt sind, ohne gründliche Recherche veröffentlicht werden und zunächst einmal jedenfalls als Skandal bezeichnet werden.“

Laut AKH „das gelindeste Mittel“

In Wien sorgen Gangbetten in Spitälern seit Jahren regelmäßig für Diskussionen und für wiederholtes Einschreiten der Volksanwaltschaft. Die Tageszeitungen „Kurier“ und „Kronen Zeitung“ veröffentlichten am Mittwoch Fotos, die eine Patientin im AKH auf einem Matratzenlager auf dem Gangboden zeigen, neben Gangbetten. Laut den Medienberichten stammen die Aufnahmen aus der Uniklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. Die Bilder seien in der Nacht auf den 14. Februar entstanden.

Gangbetten und Matratzenlager in Spital
APA/PRIVAT
Laut der Tochter der Frau war die Lagerung am Boden eine Vorsichtsmaßnahme

In besagter Nacht mussten laut AKH 29 statt der vorgesehenen 28 Personen versorgt werden. Bei der Unterbringung auf dem Boden gehe es darum zu verhindern, dass Patienten, die nach Unfällen verwirrt oder unruhig sind, aus dem Bett fallen. Es handle sich um „das gelindeste Mittel“ zur Abwehr von Fremd- und Selbstgefährdung.

„In Ausnahmefällen“

„In Ausnahmefällen müssen Maßnahmen, wie Unterbringung in unmittelbarer Nähe des Pflegestützpunktes, an dieser einen unfallchirurgischen Station gesetzt werden“, schrieb das AKH am Donnerstag in einer dem ORF Wien vorliegenden Stellungnahme. In einem Zimmer sei keine lückenlose Beobachtung durch das Personal möglich. „Patientinnen und Patienten mit kognitiven Einschränkungen, die auf zwei Matratzen ohne Bett untergebracht werden, können direkt überwacht werden, ohne dass sie sich selbst gefährden und ohne dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen erforderlich sind“, so die Argumentation des AKH.

Im Sinne der Patientensicherheit sei es wichtig, Patientinnen und Patienten „zumindest eine Nacht zu beobachten“. Und weiter: „Dies ist der pflegerischen Sorgfalt geschuldet, da Menschen, welche durch einen Unfall aus dem gewohnten Umfeld gerissen werden, vermehrt zur Entwicklung eines akuten Delirs neigen und damit eine Selbstgefährdung durch Stürze aus dem Bett einhergeht.“

„Nicht unübliches Verfahren“

Martin Nagl-Cupal, Vorstand des Instituts für Pflegewissenschaft der Universität Wien sagte im „Ö1“-Mittagsjournal, dass es durchaus Situationen gebe, wo eine Lagerung am Boden sinnvoll ist, etwa um einen Oberschenkelhalsbruch durch einen Sturz aus dem Bett zu verhindern. Damit werde eine Einschränkung der persönlichen Freiheit vermieden. Alternativ können Niederflurbetten und Sturzmatratzen verwendet werden.

Auch Wolfgang Hofer, Vorsitzender der Personalvertretung im AKH, verwies in einem Interview mit Radio Wien darauf, dass die Lagerung am Boden „wohl eine Sicherheitsmaßnahme“ war und bei psychisch beeinträchtigten Personen ein „nicht unübliches Verfahren“ sei. Darauf hatte auch das AKH in seiner Stellungnahme verwiesen. Aber auch Personalnot und gesperrte Betten führen laut Hofer zu solchen Maßnahmen.

Patientenanwalt: „Gehäufte Fälle nicht zu tolerieren“

Der Wiener Patientenanwalt Gerhard Jelinek kann „aus ethischen und hygienischen Gründen eine Lagerung am Gangboden nicht gutheißen“, sagte er dem „Kurier“. In einer Notsituation sei dies aber wohl das gelindeste Mittel. „Sollten solche Vorfälle gehäuft auftreten, wäre das nicht zu tolerieren“, sagte Jelinek. „Im konkreten Fall ist eine Notsituation gegeben gewesen, sowohl was die Kapazität der unfallchirurgischen Ambulanz, als auch eine medizinisch/pflegerische Notwendigkeit betrifft“, bekräftigte Jelinek auch im Gespräch mit der APA.

„Das darf aber kein üblicher Zustand sein“, sagte der Patientenanwalt. Die Fotos machen jedenfalls „einen sehr schlechten, unerfreulichen Eindruck“. Laut Jelinek gab es bisher „nie eine Beschwerde an die Patientenanwaltschaft über am Boden liegende Patienten“. Über Bettenprobleme oder OP-Termine jedoch sehr wohl. Das Hauptproblem in den heimischen Spitälern „sind die fehlenden Pflegekräfte“, bekräftigte Jelinek. Dass von der auf Matratzen liegenden Patientin Fotos angefertigt wurden, stelle jedenfalls einen enormen Übergriff in die Privatsphäre dar.

„Sitzwachen“ gibt es im AKH. Diese Aufsichtspersonen für kognitiv eingeschränkte Patientinnen und Patienten wachen über Nacht am Bett, was Betroffene beruhigt und das Pflegepersonal entlastet. Im Vorjahr wurde am AKH bereits für rund 2.000 Pflegetage – von insgesamt 500.000 – eine Sitzwache angefordert. Der Einsatz von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen wurde dadurch nach Angaben des Spitals um rund 35 Prozent gesenkt.

ÖVP und FPÖ fordern Konsequenzen

Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer forderte, dass der zuständige Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) „endlich die Verantwortung übernehmen“ müsse. „Es kann nicht sein, dass im Wiener Gesundheitsbereich jede Woche eine neue Schreckensmeldung aufschlägt und dies seitens der politischen Verantwortlichen, allen voran von Gesundheitsstadtrat Hacker schöngeredet wird“, so die Gesundheitssprecherin der Wiener Volkspartei, Gemeinderätin Ingrid Korosec. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte nach den „schockierenden Fotos“ den sofortigen Rücktritt von Hacker. „Es reicht jetzt endgültig“, so Nepp in einer Aussendung. Er verwies unter anderem auf „Hunderte Gefährdungsanzeigen durch Ärzte und Pflegepersonal“.

Einen Rettungsplan für Wiens Spitäler fordert die Wiener Ärztekammer. „Wir haben dem Wiener Gesundheitsverbund Anfang März einen detaillierten Themen- und Verhandlungsplan vorgeschlagen. Angesichts der Szenen, die sich auf der Unfallchirurgie am Wiener AKH abspielen, kann ich nur hoffen, dass die Gespräche rasch beginnen“, kommentierte Stefan Ferenci, Obmann der Kurie angestellter Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, die Fotos aus dem AKH.